Sonntag, 28. April 2024

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Ein Jahr nach Christchurch-Anschlag
Journalistin: "Die Unschuld ist vorbei"

Ab Juni soll dem Attentäter von Christchurch der Prozess gemacht werden. Ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag gebe es mehr Problembewusstsein in Neuseeland, sagte die dort lebende Journalistin Anke Richter im Dlf. Man wisse jetzt, "dass so etwas aus der Mitte der Gesellschaft kommen könnte".

Anke Richter im Gespräch mit Birgid Becker | 15.03.2020
Auch viele nicht-muslimische Frauen tragen Kopftuch beim Gedenken an die Opfer des Attentats von Christchurch
Auch viele nicht-muslimische Frauen tragen Kopftuch beim Gedenken an die Opfer des Attentats von Christchurch (picture alliance / dpa / Sanka Vidanagama)
Überlebende und Angehörige des Anschlags von Christchurch sind auch heute - ein Jahr nach dem rassistischen Angriff in Neuseelands Hauptstadt - immer noch schwerst traumatisiert, sagte die vor Ort lebende deutsche Journalistin Anke Richter im Deutschlandfunk. Sie hätten langwierige gesundheitliche und psychische Probleme.
Vor allem aber herrsche Angst in der muslimischen Community. Der Angriff sei schwer und einschneidend gewesen. Dennoch hätten die Imame nicht ein eiziges Wort des Hasses und der Vergeltung geäußert. Immer sei "von Vergebung und nicht von Vergeltung" die Rede gewesen.
Mehr Muslimen eine Stimme
Muslime hätten immer mehr eine Stimme bekommen, so Richter. Man sehe immer mehr in öffentlichen Ämtern, in der Stadtverwaltung – das habe es vorher nicht gegeben. Zudem gebe es ein höheres Bewusstein für Alltagsrassismus in der Bevölkerung.
Zuvor habe die Gesellschaft "den Rechtsextremismus übersehen". Ermittler wären fixiert auf politischen, auch islamistichen Extremismus, oder auf Linksradikale. Dabei seien auch Hakenkreuze gang und gäbe, in Neuseeland gäbe es seit 50 Jahren Rechtsextremismus.
Auf Terror mit mehr Mitgefühl und Liebe reagiert
Nach dem Anschlag habe es ein Aufwachen gegeben, so Richter. Eine Erkenntnis, nicht alles hinzunehmen als weiße Mehrheit im Lande. "Man ist sensibler geworden. Auf Terror wurde mit mehr Mitgefühl und Liebe reagiert – und dennoch ist jetzt die Unschuld vorbei. Man kann nicht mehr wegschauen, dass so etwas aus der Mitte der Gesellschaft kommen könnte."
Im Juni wird dem Attentäter der Prozess gemacht. "Er hat auf nicht schuldig plädiert. Der Prozess wird noch einmal das Land aufwühlen, vor allem die Angehörigen", so Richter.