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Ein Jahr nach Zyklon "Idai"
Sturmsicheres Bauen in Mosambik

Ein Jahr nach dem verheerenden Zyklon Idai geht es in Mosambik vor allem um widerstandsfähiges Bauen. Über eine halbe Milliarde Euro Hilfsgelder für Sanierungen sind zugesagt - das reicht aber nicht für alle beschädigten Häuser. Viele Menschen schlafen immer noch unter Plastiktüten.

Von Stefan Ehlert | 14.03.2020
Szene in Beira, Mosambik, ein Jahr nach dem verheerenden Zyklon Idai
In Beira, Mosambik, wird auch ein Jahr nach dem Sturm noch viel gebaut (Deutschlandradio / Stefan Ehlert)
Kinder spielen Fußball auf einer der wenigen Flächen, die gerade nicht von Wasser oder Müll bedeckt sind. Ihr Viertel, Munhava, gehört zu den ärmsten der Stadt Beira und steht regelmäßig unter Wasser. Hier gab es nach dem Zyklon "Idai" vor einem Jahr die ersten Cholerafälle.
Seine Hütte sei eingestürzt im Wirbelsturm, sagt der 71-jährige Manuel Mutizo Nhongo. Er habe alles verloren. Das Wasser stand mir bis zum Gürtel, erinnert sich der alte Mann. Und was da alles im Wasser schwamm, darüber redet er lieber nicht.
Sturmfeste Latrinen sind Seuchenschutz
Auch heute wieder stinkt das Viertel nach Exkrementen. Das Hochwasser dringt in die Latrinen ein und schwemmt den Inhalt an die Oberfläche. Wer eine Stadt sturmfest bauen will, der muss auch daran denken, wie er die sanitären Einrichtungen schützt, die freistehenden Plumpsklos. Die Organisation Johanniter International aus Deutschland hat eine Lösung gefunden, erklärt derTechniker Américo Camixete in Beira:
"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir die Sockel der Latrinen höher setzen müssen, damit, wenn es regnet, das Wasser nicht die Latrine überflutet und alles rausschwemmt."
Der Sockel ist jetzt gut 60 Zentimeter hoch, abgerundet und verschließbar, außerdem – Luxus pur – gibt es ein Abluftrohr. Chalota, Ort der Erleichterung nennen die Einheimischen diese Lösung. In einer ersten Projektphase bauen und verschenken die Johanniter das Modell 250 Mal. Die Blechwände der Superklos sehen noch nicht unbedingt so aus, als würden sie einem Orkan standhalten. Aber immerhin, ein Anfang ist gemacht.
"Konstruktion muss den Stürmen angepasst sein"
Técnica resiliente – das ist ein viel benutzter Ausdruck derzeit in Mosambik, stabil Bauen. Gesucht sind widerstandsfähige Lösungen für Häuser, Schulen und auch Lehmhütten. Die Architektin Silvia Scholl ist dafür zuständig beim UN-Siedlungsprogramm Habitat und zeigt eines ihrer Pilotprojekte, eine Steinruine ohne Dach, die jetzt mit Geldern der UN saniert wird:
"Die Konstruktion muss den Stürmen angepasst sein. Die Struktur ist wie in einer Familie, alles muss zusammenpassen, wir sprechen von Harmonie."
Sprich: Die Stärke der Mauern muss der Größe des Daches entsprechen. Verstärkte Säulen, verstärkte Winkel, ein stabiles Fundament – das, so sagt die engagierte Architektin, funktioniere sogar für Lehmhütten.
Auch bei 200 Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit? Hausbesitzer Bile Malessane ist davon überzeugt, obwohl er vor einem Jahr erst miterlebt hat, wie ihm die Bleche vom Dach flogen:
"Die Stabilität ist jetzt ganz anders, sehr gut, das hält sicher, die Träger haben wir verschoben, das Dach würde selbst ein Zyklon wie Idai nicht mehr abreißen können."
Der 23-jährige Bile Malessane muss selbst den Bau durchführen, unter Anleitung. Er kann sein Glück gar nicht fassen, dass er das Material umsonst bekommt. Aber weil seine Eltern gestorben sind und er allein sieben jüngere Brüder durchbringen muss, wurde er von seiner Gemeinde für dieses unbürokratische UN-Bauvorhaben vorgeschlagen.
"Haus der Liebe Gottes" hat er sein Zuhause genannt. In wenigen Tagen will er endlich wieder einziehen.
Besonders wichtig sind stabile Schulbauten
Nach einem Jahr in Ruinen, dem Regen ausgesetzt und immer in Angst, Malaria zu bekommen oder Durchfall, ist es wichtig, dass es vorangeht mit dem Wiederaufbau in Beira und Umgebung. Die Menschen sind geschwächt, oft deprimiert. Vor allem die Kinder, das haben Untersuchungen ergeben, leben in ständiger Angst vor der nächsten Katastrophe, dem nächsten Zyklon. Umso wichtiger sind stabile Schulbauten.
Leuchtend gelbe Mauern, grünes Blechdach – die Kinder dieser Grundschule in Beira blicken mit einiger Zuversicht in die Zukunft. Denn ihre neuen Klassenräume sollen der Gemeinde beim nächsten Zyklon sogar als sichere Zufluchtstätte dienen. Der Wiederaufbau von Tausenden zerstörten Schulgebäuden hat für Regierung und Vereinte Nationen Vorrang. Jedes Jahr sollen mindestens 300 sturmfeste Klassenzimmer entstehen, und auch in diesem Fall hat Habitat-Architektin Silvia Scholl das Rezept für resilientes Bauen ersonnen:
"Diese Schule hält viel mehr aus als die alte. Die Investition am Anfang ist größer, aber dafür müssten wir bei einem weniger stabilen Gebäude viel mehr Geld in Reparaturen stecken."
Kinder in Muhava - große Teile ihres Viertels sind überschwemmt
Kinder in Muhava - große Teile ihres Viertels sind überschwemmt (Deutschlandradio / Stefan Ehlert)
Die Dachsparren, sagt Silvia Scholl, dürfen nie mehr als zwei Meter voneinander entfernt sein; die Dachbleche werden in engeren Abständen verschraubt als früher. Das Vordach hat eine ganz eigene Verstrebung, sodass der Wind nicht so viel Druck auf das Hauptgebäude ausüben kann. Dazu kommt: Die Fenster haben Streben, die der Wind nicht eindrücken kann. Und außerdem steht das Ganze auf einem Sockel, so dass die Brühe vor der Tür bei Überflutung nicht eindringen kann. Eine solche Schule vermittelt den Kindern möglicherweise sogar ein Gefühl von Sicherheit.
Stadtteile müssen komplett umgesiedelt werden
Doch längst sind nicht alle Schulen repariert, und in den Armenvierteln nächtigen noch immer viele unter Plastiktüten. Oder sie schlafen gar nicht, wenn es regnet. Die Menschen werden ungeduldig, es häufen sich die Beschwerden:
Was ist mit unserer Kirche, die hat kein Dach, was ist mit meinem Haus, das hat auch kein Dach, fragen sie. Doch die Vereinten Nationen sagen, dass sie Prioritäten setzen müssten. Und der Bürgermeister von Beira, Daviz Simango sagt ganz klar, dass er Privatleuten kein Geld für ihre Dächer geben könne. Und – auch das ruft Widerstand hervor – dass einige Stadtteile in Beira komplett umgesiedelt werden müssten, weil sie nicht zu retten seien vor Sturm und Hochwasser:
"Wir als Manager der Kommune müssen die kollektiven Interessen berücksichtigen. Die Infrastrukturen zum Küstenschutz müssen in Stand gesetzt, repariert und stabilisiert werden. Und ich bin zuversichtlich, denn es waren schon Investoren in Beira. Das ist schon abgemacht, 65 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung."
Für Wellenbrecher, für Betonpalisaden, Fundamente, Deiche, Mangroven. Plus 150 Millionen für neue Hochwasserkanäle, um die Fluten aus der Stadt zu leiten – bezahlt von Weltbank, Deutschland und den Niederlanden. Insgesamt wurde Mosambik mehr als eine Milliarde Euro an Unterstützung zugesagt, um sich von den Folgen zweiter Zyklone vergangenes Jahr zu erholen.
Werden die Versprechen umgesetzt, dann wäre das ein Konjunkturprogramm für die schwächelnde Wirtschaft. Voraussetzung dafür ist aber: dass weitere Katastrophen ausbleiben.