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Nothilfe für Mosambik
Korruption belastet Wiederaufbau

Die Nothilfe in Mosambik kommt langsam in Gang. Vor allem viele afrikanische Staaten haben schnell reagiert – und in Mosambik selbst ist die Unterstützung durch Privatpersonen groß. Doch langfristig, so der Journalist Johannes Beck, droht die Korruption den Wiederaufbau zu belasten.

Johannes Beck im Gespräch mit Andreas Noll | 30.03.2019
Rettungskräfte sind vor einem Hubschrauber zu sehen, die tragen einen großen weißen Sack.
Vor allem Hubschrauber werden benötigt, um Hilfslieferungen in die überschwemmten Gebiete zu bringen (Tsvangirayi Mukwazhi/AP/dpa)
Andreas Noll: Gut zwei Wochen ist es jetzt her, dass der Zyklon "Idai" über die Küste Mosambiks mit bis 170 Kilometern pro Stunde und starken Regenfällen hinweggefegt ist. Mehr als 700 Tote haben die Behörden bislang gezählt – aber noch immer werden unzählige Menschen vermisst. Und wie so häufig bei Naturkatastrophen folgen mit einiger Verspätung auch Seuchen – die Zahl der Cholera-Kranken ist zuletzt drastisch gestiegen. Für das portugiesischsprachige Land sind das dramatische Nachrichten, denn der 30-Millionen-Einwohner-Staaten gilt als Armenhaus des afrikanischen Kontinentes.
Johannes Beck leitet bei der Deutschen Welle die Redaktion Portugiesisch für Afrika.
Herr Beck, in welchem Umfang ist der Staat in der Lage, Nothilfe für die Opfer der Naturkatastrophe zu organisieren?
Johannes Beck: Also nicht in einem allzu großen Umfang. Mosambik ist ganz eindeutig auf die Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Das hat der Staatspräsident auch ganz kurz nach den Fluten schon klar zum Ausdruck gebracht, als er in Beira war, nachdem der Zyklon über die Stadt hinweg gezogen ist. Beira ist die größte Stadt in Zentralmosambik und die zweitgrößte Stadt des Landes.
Es sind sehr, sehr wenige Helikopter beispielsweise in Mosambik zur Verfügung gewesen, um die Leute zu retten, die auf den Dächern oder in Bäumen ausgeharrt hatten. Es gibt in Mosambik zwar ein nationales Katastropheninstitut, das in den letzten Jahren auch mit viel Hilfe aus dem Ausland unter anderem von der GIZ teilweise sehr stark verbessert wurde, aber das Land ist sehr, sehr groß und sehr, sehr arm und hat sehr wenige Straßenverbindungen, die gut ausgebaut sind. Das heißt: Genau in diesem Moment, wo es sehr viel regnet, wo es stürmt, kommt man nur sehr schwer in die Dörfer ohne Luftunterstützung - zumindest in den ersten Tagen. Dann waren teilweise sogar ganze Nationaltrassen weggespült. Das heißt: Man brauchte Hilfe aus dem Ausland.
"Im Moment fehlt es vor allem an Wasseraufbereitung"
Noll: Sie haben gesagt, es fehlt an Helikoptern im Land. Woran mangelt es noch?
Beck: Im Moment fehlt es vor allem an Wasseraufbereitung. Es ist so, dass in den ersten Tagen die Rettung der Menschen aus den gefährlichen Gebieten im Vordergrund stand. Das ist meines Erachtens inzwischen fast komplett abgeschlossen. Danach war es wichtig, die Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Jetzt ist die große Herausforderung, frisches, sauberes Wasser zu bekommen. In den meisten Orten gibt es nicht so etwas, wie eine klassische Wasserversorgung über Rohre, da müssen sich die Leute das Wasser aus nahegelegenen Flüssen oder Teichen holen.
Wenn man dann noch weiß, dass das Zentralkrankenhaus in Beira auch selbst jetzt, zwei Wochen nach dem Zyklon, immer noch nicht komplett wieder mit normalen Kapazitäten arbeiten kann, weil so viele Schäden durch den Zyklon verursacht wurden, dann kann man sich vorstellen, dass es auf den kleinen Dörfern auf dem Land teilweise noch viel schlimmer aussieht.
Noll: Mosambik ist abhängig von der Unterstützung aus dem Ausland. Wie groß ist diese Unterstützung durch die Nachbarländer oder auch von afrikanischen Organisationen?
Beck: Ich glaube, es ist eine ganz, ganz große Hilfsbereitschaft diesmal gewesen, die auch teilweise sehr schnell mobilisiert wurde. Interessanterweise vieles aus dem Süden, nicht so wie früher nur aus dem entwickelten Norden. Die indische Marine war zufällig auf dem Weg nach Durban in Südafrika und hat dann direkt mit mehreren Schiffen in Beira einen ganz großen Teil der aktuellen Nothilfe geleistet. Es gab Länder in Afrika, von denen man es überhaupt nicht vermutet hätte, dass sie Geld gespendet haben. Zum Beispiel Guinea-Bissau, auch ein portugiesischsprachiges Land, und über die gemeinsame Geschichte des Befreiungskampfes gegen die portugiesischen Kolonisatoren mit Mosambik gut verbunden, hat beispielsweise 100.000 US-Dollar gespendet. Das ist für Guinea-Bissau eine ganze Menge Geld. Angola hat 50 Tonnen Medikamente nach Mosambik geschickt, ebenso auch Sicherheitspersonal.
Ich persönlich bin sehr überrascht, wie viel Hilfe auch selbst aus Mosambik von Privatpersonen kommt. Es gab in Maputo eine riesige Sammlung von Tonnen an Nahrungsmitteln, an Kleidern, die nachher mit einem Schiff nach Beira gebracht wurden. Es wird in den nächsten Tagen in einigen Orten in Mosambik weitere Aktionen geben. Manche Menschen haben angefangen, einen Teil ihres Lohnes zu spenden, andere organisieren Solidaritätskonzerte. Da passiert sehr viel inzwischen - auch im Land selber. Das ist ein großer Unterschied zum Beispiel zu den letzten Fluten im Jahr 2000.
"Es entsteht da kein Mehrwert"
Noll: Mosambik zählt zu den ärmsten Ländern der Welt gleichzeitig ist der Staat durchaus Rohstoffbereich. Es gibt große Kohle und neu entdeckte Gasvorkommen im Norden des Landes. Es gibt auch große Edelstein-Vorkommen. Warum ist das Land trotzdem in einer Dauerkrise gefangen?
Beck: Es gibt ein ganz großes Problem, dass diese Rohstoff-Ökonomie nicht bei den einfachen Menschen ankommt. Das ist nichts, was auf Mosambik beschränkt ist. Aber wir erleben es, wenn zum Beispiel Kohleabbau stattfindet in Tete, das ist auch eine Region in der Mitte Mosambiks, die vom Zyklon betroffen worden ist, dann ist das sehr kapitalintensiv. Da stehen riesige Maschinen, und ein paar wenige Spezialisten aus dem Ausland bedienen die. Dann wird die Kohle mit Zügen an den Hafen gebracht in Beira oder in Nacala im Norden des Landes und dann verschifft. Und das war's dann. Es entsteht da kein Mehrwert.
Mit dem Gas wird es ähnlich sein im Norden des Landes oder es ist jetzt auch schon so. Im Süden des Landes gibt es eine Gaspipeline von der Provinz Inhambane nach Südafrika - von der südafrikanischen Firma Sasol. Da haben Studien nachgewiesen, dass ein Großteil des Gewinnes in Südafrika anfällt, weil das Gas zu sehr niedrigen Preisen von Mosambik nach Südafrika verkauft wird. Die Firma Sasol streicht dann einen Großteil des Gewinnes in Südafrika ein. Das heißt für Mosambik sind die Steuereinnahmen selbst sehr niedrig. Dann haben die ein paar Schulen gebaut, ein paar lokale Infrastrukturmaßnahmen gemacht, aber an und für sich keine Jobs geschaffen.
Ich bin da auch schon durch diese Orte durchgefahren. Man merkt eigentlich fast nichts von dem Reichtum, der dort produziert wird.
Noll:Wie sehr belastet die Korruption die Entwicklung des Landes?
Beck: Das ist mit Sicherheit einer der maßgeblichen Faktoren, warum es nicht vorankommt - zusammen mit der fehlenden Bildung und der fehlenden Gesundheit. Wobei viele auch sagen, dass sowohl im Bildungs- als auch im Gesundheitsbereich die Korruption mit am gravierendsten ist und deswegen auch dafür verantwortlich ist, dass es nicht weitergeht. So zum Beispiel ist es sehr üblich in Mosambik, dass Lehrer teilweise gute Noten gegen sexuelle Gefälligkeiten vergeben. Im Gesundheitsbereich kommt es oft vor, dass in Gesundheitszentren Medikamente verschwinden, die dann nachher in privaten Apotheken verkauft werden, obwohl sie eigentlich kostenlos den Menschen zur Verfügung gestellt werden müssten. Das ist aber jetzt mal der Bodensatz der Korruption.
Ein ganz, ganz großes Problem der letzten Jahre war, das auch seitens der Regierung riesige Korruptionsfälle passiert sind. Zwischen 2013 und 2016 zum Beispiel hat die Regierung mithilfe von drei staatlichen Firmen MAM, EMATUM und Proindicus zwei Milliarden US-Dollar an Schulden aufgenommen und das ohne Zustimmung und ohne Kenntnis des Parlaments. Diese Schulden sind nach Ansicht vieler Beobachter völlig illegal, werden aber bis heute zurückbezahlt oder zumindest versucht die Regierung, die zurückzubezahlen. Der jetzige Präsident war damals Verteidigungsminister. Es gibt viele, die sagen, dass er nicht unbehelligt gewesen sein kann von dieser Schuldenaffäre. Der Finanzminister des Landes Manuel Chang ist derzeit in Südafrika in Haft, weil die USA ein Auslieferungsbegehren gestellt haben.
Ein Großteil dieser zwei Milliarden US-Dollar ist verschwunden. Man weiß bis heute nicht, wofür dieses Geld eingesetzt wurde. Sollten Schiffe, Marine Wartungsbasen und ähnliches Material gekauft werden. Die internationalen Geber haben teilweise daraufhin auch ihre Zahlungen an Mosambik ausgesetzt. Das hat das Land in eine schwere Wirtschaftskrise geschickt und ist auch letzten Endes wahrscheinlich dafür verantwortlich, dass Mosambik zahlungsunfähig ist. Der Internationale Währungsfonds überlegt derzeit, ob sie Mosambik wieder helfen, nach dem Zyklon. Zumindest gibt es erste Anzeichen, dass das passieren könnte.
Aber die Glaubwürdigkeit der Regierung und auch die Glaubwürdigkeit, jetzt neues Geld zu bekommen, um beispielsweise die dringenden Investitionen für die Reparatur der Infrastruktur, die bei dem Sturm kaputtgegangen ist, zu machen, die hat auf jeden Fall durch diesen Skandal gelitten.
"Es gibt sicher auch Bereiche die nicht korrupt sind"
Noll: Mosambik wird seit seit dem Unabhängigkeitskrieg vor vier Jahrzehnten von der Befreiungsfront Frelimo autoritär regiert wird. Ist das womöglich auch ein wichtiger Faktor, dass es hier nicht zum kontinuierlichen Wechsel zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien gekommen ist?
Beck: Ich denke mal, auf jeden Fall. Immer dann, wenn sich Machtstrukturen verselbständigen und es keine ausreichende demokratische Kontrolle gibt, ist es natürlich besonders, leicht Korruption umzusetzen. Es gibt sicher auch Bereiche in der Frelimo - große Bereiche wahrscheinlich-, die nicht korrupt sind. Es gibt auch Strukturen im Land, beispielsweise gibt es einzelne Provinzen im Norden und im Zentrum des Landes, in denen man als Privatfirma so gut wie keine Investitionen größerer Art tätigen kann, wenn man nicht ein Joint Venture, ein Gemeinschaftsunternehmen, mit einem der dort ansässigen einflussreichen Militärs und ehemaligen Unabhängigkeitskämpfer der Frelimo schließt.
Noll:Glauben Sie, dass diese Naturkatastrophe eine Chance sein für Veränderungen im Land ist oder werden die Strukturen weiter zementiert?
Beck: Wenn es überhaupt einen Einfluss hat, dann mit Sicherheit einen negativen. Leider hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass durch diese große Abhängigkeit Mosambiks von der Entwicklungshilfe gleichzeitig auch die regierende Partei gestärkt wurde. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick paradox, aber letzten Endes verschiebt es die Machtbalance in dem Land.
Es gab Zeiten, in denen Mosambik 50 Prozent des nationalen Haushaltes von den Gebern bekommen hat. Also bilaterale Geber wie Deutschland oder multilaterale Geber wie die Weltbank oder beispielsweise die Europäische Union. Das führt dann dazu, dass die Regierungen nicht mehr dem Parlament und auch der dortigen Opposition rechenschaftspflichtig ist, sondern letzten Endes eigentlich nur noch mit den Gebern verhandelt.
Und die mosambikanischen Regierung war sehr geschickt in den letzten Jahrzehnten. Sie hat es immer verstanden, sich auf die aktuellen entwicklungspolitischen Trends einzulassen, den aktuellen entwicklungspolitischen Diskurs zu sprechen. Wenn Mikrofinanzen "in" waren, dann hat man halt was zu Mikrofinanzen gemacht. Ging es um Frauenstärkung, dann war das im Fokus.
Und so hat man es beispielsweise auch geschafft, dass Deutschland zu Zeiten der Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul Mosambik als Musterland präsentiert hat. Mosambik war damals eines der ersten Länder, in das Deutschland sogenannte Budgethilfe gesteckt hat. Das heißt, man hat direkt den Haushalt des Landes finanziert und nicht einzelne Projekte.
Das gilt heute als völlig gescheitert, auch im Hinblick auf diesen großen Korruptionsskandal und würde wahrscheinlich auch sicher nicht nochmal wiederholt werden, aber zeigt auch ein bisschen, wie weit wir uns im Norden, als Geber auch gerne haben täuschen lassen. Denn es ist, glaube ich, wenn man ehrlich ist, in Afrika schwierig, Regierungen zu finden, die man vorbehaltlos unterstützen kann. Und das sind dann meistens auch Regierungen der Länder, die eher schon weiterentwickelt sind.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.