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Ein Jahr Teilhabechancengesetz
Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot

Im vergangenen Jahr waren mehr als 727.000 Menschen langzeitarbeitslos. Per Teilhabechancengesetz wollte die Bundesregierung 150.000 eine neue Perspektive geben und zahlt für Menschen, die länger als zwei Jahre arbeitslos sind, 75 Prozent der Lohnkosten. Die Deutsche Bahn hat einige von ihnen eingestellt.

Von Volker Finthammer | 21.01.2020
Reinigungskraft der MVG Münchner Verkehrsgesellschaft reinigt die U Bahn Station Marienplatz in München
Die Programme zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen werden von der Arbeitsagentur vermittelt (imago/Ralph Peters)
Berlin Ostbahnhof. Auf dem Bahnsteig an Gleis sieben steht Mike Jordan mit zwei Kollegen und einem Besen in der Hand. Jordan ist 47 Jahre alt und alleinerziehender Vater einer Tochter, die heute elf Jahre alt wird. Fünf Jahre war er arbeitslos, nachdem er wegen einer Krankheit seine Arbeit als Maurer verloren hatte. Seit vergangenem November hat er wieder einen Job als Reinigungskraft bei der Deutschen Bahn zu dem er über das im vergangenen Jahr gestartete Programm zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen von der Arbeitsagentur vermittelt wurde.
"Also, die Maßnahme begann im September letzten Jahres mit Schulung, da hat die Bahn schon aussortiert, wer so passt und wer nicht und dadurch, dass ich aber eben vorher schon eine Schulung als Gebäudereiniger beruflich umorientiert hatte. Da hat die Bahn gesagt, können sie auch der in die Richtung machen. Ich sage ja, kein Problem, würde ich auch machen, Hauptsache ich bin wieder in Lohn und Brot."
Hoffnung auf die Zeit nach der Bewährungsfrist
Normalerweise beginnt Mike Jordan morgens um sechs am Bahnhof Friedrichstrasse, aber heute ist Arbeitsminister Hubertus Heil zu Besuch. Deshalb sind er und seine Kollegen, die über das Teilhabechancengesetz eine Beschäftigung gefunden haben, extra zum Ostbahnhof gekommen, um die Fragen des Ministers und der Journalisten beantworten zu können:
"Es ist erst einmal momentan befristet, aber eben die Option, dass man dann doch – die Bahn sucht ja eigentlich Mitarbeiter - und wenn ich mich halt gut bewähre in der Zeit, jetzt die nächsten zwei Jahre sozusagen, dass die mich auch denn fest übernehmen. Also die Hoffnung habe ich und die möchte ich auch gerne wahrnehmen", betont Jordan, der einer von 17 Langzeitarbeitslosen ist, die die Deutsche Bahn seit Inkrafttreten des Teilhabechancengesetzes vor einem Jahr angestellt hat, um sie über umfangreiche Zuschüsse aus der Langzeitarbeitslosigkeit zu holen.
"Ich habe ein paar kennenlernen dürfen. Das ist ermutigend und wenn man erlebt, dass das das Selbstbewusstsein von Menschen stärkt, dass es sinnvolle Arbeit ist ein ordentlicher Arbeitsvertrag. Dann wissen wir, wir sind auf dem richtigen Weg, weil es das Leben von Menschen positiv beeinflusst", sagt Arbeitsminister Hubertus Heil.
Vier Milliarden Euro von der Bundesregierung
Im vergangenen Jahr waren mehr als 727.000 Menschen langzeitarbeitslos und die Bundesregierung wollte mit dem Teilhabechancengesetz insgesamt 150.000 davon eine neue Perspektive ermöglichen. Für Menschen die länger als zwei Jahre arbeitslos sind, werden 75 Prozent der Lohnkosten gezahlt. Und bei einer Dauer von mehr als sechs Jahren sogar hundert Prozent. Bis zum Jahr 2022 stehen dafür und weitere Instrumente insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung. Im ersten Jahr konnten so 42.000 Langzeitarbeitslose wieder eine Arbeit aufnehmen, der eine umfangreiche Betreuung und Schulung durch die Jobcenter vorangeht.
"Wir sind an einem Punkt wo wir, glaube ich, mit den Jobcentern erstmals Menschen eine Hilfe geben können, die wir in der Art und Weise einfach bislang nicht hatten. Das ist ein teures Instrument, aber es ist extrem viel nachhaltiger. Investieren in Menschen, als dauerhaft Arbeitslosigkeit zu finanzieren."
Brücken in den Arbeitsmarkt bauen
Betont Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit. Tatsächlich haben alle neuen Mitarbeiter die sich an diesem Morgen vorstellen die Hoffnung, später einmal in dem Job bleiben zu können. Bislang hat die Bahn das erst neun der 17 Langzeitarbeitslosen in Aussicht gestellt, aber das soll nicht das letzte Wort gewesen sein, sagt Bahn-Vorstand Martin Seiler.
"Und wir sehen auch hier als erste Zwischenbilanz, dass es erfolgreich läuft und wir sind bereit, in diesem Programm weiter zu machen und auch größere Zahlen dann zur Verfügung zu stellen."
70 Prozent der neuen Jobs sind in der Privatwirtschaft entstanden, der Rest im öffentlichen Sektor. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände spricht davon, das sich ein Umstellungsprozess nicht auf Knopfdruck bewerkstelligen, sondern auch eine gewisse Anpassungszeit brauche. Aber am Ende müsse es gelingen, tatsächlich Brücken in den regulären Arbeitsmarkt zu bauen und die Menschen nicht im sozialen Arbeitsmarkt verharren zu lassen. Darauf hofft auch Mike Jordan:
"Man fühlt sich wesentlich besser. Also, da ist ein ganz anderes Gefühl, wenn man wieder gebraucht wird, wenn man was machen kann."