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"Ein Nazi-Bildhauer ersten Ranges"

Frank Zöllner, Professor für Kunstgeschichte an der Uni Leipzig, hat die Idee, ein 1944/45 fertiggestelltes Denkmal des Komponisten Richard Wagner wiederaufzustellen, abgelehnt. Der Bildhauer Emil Hipp habe der Nazi-Ideologie sehr nahe gestanden. Deshalb sei diese Ästhetik auch in dem Werk deutlich zu erkennen.

Der Historiker Dr. Frank Zöllner im Gespräch |
    Stefan Koldehoff: Leipzig, nicht eben arm an Bau und anderen Denkmalen, plant nun trotzdem noch ein weiteres. Gewidmet sein soll es dem Komponisten Richard Wagner, der hier 1813 geboren wurde und die 21 ersten Lebensjahre verbrachte, bis er dann Musikdirektor am Theater Magdeburg wurde. Ein anderes Denkmal übrigens für Karl Marx, ebenfalls sehr massiv und zu DDR-Zeiten entstanden, wurde gerade an den Rand der Stadt abgeschoben, aufs Gelände der Sportwissenschaftlichen Fakultät. Und selbst, ob es dort stehen darf, ist noch nicht letztlich geklärt. Wagner hingegen soll prominent auf ein Gelände an die Elbe, und auch darum gibt es nun Streit. Frage an Frank Zöllner, Professor für Kunstgeschichte an der Uni Leipzig: Warum denn ein Denkmal für einen großen Komponisten? Ist doch grundsätzlich erst mal eine feine Sache.

    Frank Zöllner: Es ist ein Vorschlag von einigen Privatpersonen, die gerne möchten, dass ein 1944/45, zum Kriegsende größtenteils fertiggestelltes Leipziger Wagner-Denkmal des Bildhauers Emil Hipp jetzt doch aufgestellt werden solle. Und Teile dieses Denkmales, die befinden sich über die Bundesrepublik verstreut. Die sind nach 45 verkauft worden, weil 1945 es niemand aufstellen wollte.

    Koldehoff: Wollte oder konnte, wegen des Krieges nicht mehr aufstellen konnte, oder weil man dann irgendwann politisch dagegen war, als der Krieg zu Ende war?

    Zöllner: Man war politisch dagegen. Das ist es die Zeit der sowjetischen Besatzungszone, der SBZ. Man hat halt gesagt, wir wollen von einem Bildhauer diese Epoche des Nationalsozialismus und auch von einem Künstler wie Wagner, der eben auch als Lieblingsmusiker Hitlers galt und eben auch aufgrund seines Antisemitismus keinen guten Ruf hatte, aufgrund dieser Tatsachen wollte man einfach dieses Denkmal, das so gut wie fertig war, nicht aufstellen.

    Koldehoff: Nun sagt einer der oberen Denkmalpfleger, das sei doch alles gar nicht schlimm, das sei ein fantasievoller, allegorischer Bildhauerentwurf von zeitloser Ästhetik. Sie sehen das anders, oder?

    Zöllner: Ja, ich bin nicht sicher, ob man das so ernst nehmen muss. Die Denkmalpflege in Leipzig ist ja eigentlich ein Ruhmesblatt, 8.000 Denkmale, die wir hier haben, sind ja vor allen Dingen größtenteils Gebäude, ganz hervorragend saniert worden. Und die Denkmalpflege macht in Leipzig wirklich einen sehr, sehr guten Job. Das ist absolut vorbildlich. Ich denke, das ist eine Privatmeinung, dass man nun sagt, das ist ein ganz stilvolles, zeitlos ästhetisch befriedigendes Werk. Das halte ich nun für doch etwas übertrieben.

    Und man kann dieses Denkmal eben auch sehr kritisch sehen, wenn man sich einmal vor Augen führt, wer der Bildhauer war. Das ist ein Herr Emil Hipp gewesen. Emil Hipp ist 1936 zu einer Kunstprofessur an der Staatlichen Kunsthochschule in Weimar gelangt. Wir wissen alle, dass 1936 nur bestimmte Leute, nämlich die politisch entweder völlig unverdächtig oder Nationalsozialisten waren, in Hochschulämter kamen. Er ist berufen worden durch Paul Schulze-Naumburg, eine bestimmte Gestalt, die bekannt ist zum Beispiel für sein Engagement für die Aktion "entartete Kunst". Und Schulze-Naumburg ist auch hervorgetreten durch seine Schrift "Kunst und Rasse". Der ist bis 1940 doch so ein Ideologe des NS-Staates gewesen. Und last, not least, das ist auch stilkritisch betrachtet ein Nazi-Bildhauer ersten Ranges.

    Koldehoff: Der was genau getan hat? Der versucht hat, die Wagner-Figuren oder Wagner selbst zum nationalistischen Vorbild an Rasse, an Ästhetik, an Kraft, an Selbstbewusstsein zu stilisieren?

    Zöllner: Ja, so ganz krass kann man es sicherlich nicht sagen. Aber es ist eine Stilisierung der Wagner’schen Gestalten, der Heldengestalten aus den Wagner-Opern. Die sind eben ähnlich wie bei dem nationalsozialistischen Bildhauer Arno Breker in so einer Art sehr bombastischen Art gestaltet, diese stählernen Leiber, durchtrainierte, junge Männer und junge Frauen mit straffen Brüsten usw. Diese Ästhetik, die wir von der Nazi-Bildhauerei kennen, das macht auch Emil Hipp in seinem Werk, wenn man das aus stilkritischen Gesichtspunkten betrachtet, ist das ganz klar Nazi-Bildhauerei. Und deswegen, wie gesagt, ich kann das nicht so ganz ernst nehmen, dass man das aufstellen möchte.

    Koldehoff: Da kann man natürlich nachvollziehen, dass das 45 in der SBZ keine so große Zukunft mehr gehabt hat, und dann in Einzelteilen quer über die Republik verteilt verkauft wurde. Man sollte aber doch eigentlich erwarten, dass diejenigen, die heute in Leipzig für die Kunst im öffentlichen Raum verantwortlich sind, sich kundig machen und herausfinden, wer dieser Emil Hipp war und auch mit Fachleuten wie Ihnen vielleicht diskutieren, was da stilkritisch zu zu sagen ist. Findet das denn statt?

    Zöllner: Ach, wissen Sie, wenn es um Kunst geht, ist es ja ähnlich wie beim Fußball zu Zeiten der Weltmeisterschaft. Dann gibt es plötzlich 40 Millionen Bundestrainer, und bei der Kunst ist da ja ähnlich. Wenn es irgendein Thema gibt, was jemanden interessiert, ist jeder sich selbst als Experte genug, und so ist das auch hier. Denkmäler sind nun mal Dinge, die im öffentlichen Raum sich befinden, und deswegen darf man auch niemanden das Recht absprechen, da drüber was zu sagen. Gleichwohl haben Sie natürlich recht, man kann schon mal etwas genauer draufschauen. Ich meine, Emil Hipp hat auch für Baldur von Schirach gearbeitet, hat die künstlerische Kaminausstattung des Führerhauses in München gefertigt und dergleichen mehr. Es ist natürlich richtig, man muss natürlich sich schon mal ein bisschen erkundigen.

    Koldehoff: Der Kunsthistoriker Frank Zöllner zur Debatte um ein geplantes Wagner-Denkmal in Leipzig.