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Ein pompöser Friedhof für Russlands Helden

Um sicherzustellen, dass auch die politischen und militärischen Helden der Gegenwart weit über ihren Tod hinaus verehrt werden, sorgt der Kreml derzeit vor: Für rund 615 Millionen Euro wird in Moskau gerade ein pompöser Ehrenfriedhof gebaut, der in seinem Baustil sehr an Sowjetzeiten erinnert.

Von Mareike Aden | 15.12.2008
    Vorbei rasende Autos übertönen den Lärm der Großbaustelle, die an einer Hauptstraße, rund 40 Kilometer außerhalb von Moskau, liegt. Zwischen den Dörfern Skonniki und Chrovrena entsteht derzeit das Prestigeprojekt des Kreml: ein gigantischer Ehrenfriedhof für Helden aus der ganzen Russischer Föderation. Bisher ragen nur Rohbauten aus dem Boden, aber im Mai 2010 werden hier rot-schwarze Granitsäulen, ein riesiges Panteon, ein Gedenksaal mit Heldenmosaiken und eine Allee aus Bronze-Soldaten stehen. Auf dem 53 Hektar großen Gelände ist Platz für 32.000 Gräber. Doch nicht für jeden, sagt der russische Nationalkünstler, Sergej Gorjaev, der das Projekt leitet.

    "Der Friedhof ist für die besten Menschen unseres Landes gedacht. Dort kann ein junger Soldat begraben werden, der im heldenhaften Kampf zur Verteidigung Russlands gefallen ist. Aber andererseits auch ein Mensch, der sein ganzes Leben lang seinem Land gedient hat. Auch die politische Elite könnte dort bestattet werden, zum Beispiel die Präsidenten, wenn das der politische Wille des Kremls ist. Wir schaffen zumindest die Möglichkeiten dafür."

    Über Gorjaevs Schreibtisch hängt ein großes Foto. Darauf ist er mit Wladimir Putin zu sehen. Der damalige Präsident Putin unterschrieb 2001 einen Erlass, der die Planung für das Mega-Projekt in Gang setzte. Vor sechs Monaten wurden die ersten Fundamente gelegt und trotz der Krise fließt das Geld aus dem Staatsbudget auch unter Präsident Medwedew weiter. Zum 65. Jahrestag des Sieges gegen den Faschismus am 9. Mai 2010 soll und werde alles fertig sein, so Gorjaev. Es gibt in Russland Stimmen zwar Stimmen, die in der pompösen Gestaltung der Stätte kitschigen Pathos und Sowjetnostalgie sehen, doch stärker ist die Zustimmung: Besonders Veteranenverbände loben das Projekt - und an sie hat Gorjaev bei der Gestaltung auch gedacht.

    "Ich bin kein Anhänger der Sowjetzeiten, aber in diese Periode fielen viele wichtige Ereignisse für das Land, zum Beispiel der Sieg im Zweiten Weltkrieg - man kann diese Zeit nicht übergehen oder ignorieren. Vor allem deshalb nicht, weil, viele der Menschen, die künftig auf dem Friedhof beigesetzt werden, in dieser Zeit gelebt und gedient haben. Deshalb haben wir Stilelemente genutzt, die Sowjetzeit erinnern."

    Zu Zeiten der Sowjetunion wurde die verstorbene Elite direkt an der Moskauer Kremlmauer, hinter dem Lenin-Mausoleum, bestattet. Auch der Revolutionsführer selbst könnte auf den neuen Friedhof umgebettet werden - wenn die Kreml-Führung und die Kommunistische Partei dies veranlassen. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen. Doch unabhängig davon, ob nun mit oder ohne Lenin: Dem Ehrenfriedhofs stehen die meisten Russen positiv gegenüber - trotz der hohen Kosten. So zum Beispiel die 53 Jahre alte Alla Muratowa aus Wolgograd, die vor dem Lenin-Mausoleum steht.

    "Ich weiß nicht, wie das im Westen ist, aber in unserem Land sind Kriegshelden sehr wichtig und sie werden verehrt. Sie sind unsere Vergangenheit. Ich selbst wertschätze die einfachen Leute, die für das Land kämpfen, mehr als die Regierungen. Indem wir diese Menschen ehren, geben wie ihr Vermächtnis an unsere Kinder und Enkel weiter."

    Und ihre 22 Jahre alte Tochter Ekatarina fügt hinzu:

    "Ein Heldenfriedhof wie dieser setzt ein Zeichen, dass die Gesellschaft Soldaten nicht in der letzten Reihe sieht. Es zeigt, dass wir ihnen auch nach ihrem Tod Respekt und Anerkennung entgegenbringen und sie nicht vergessen. Vielleicht ist das eine Motivation für junge Menschen, zur Armee zu gehen."

    Die Anwohner des Ehrenfriedhofes jedenfalls sind froh darüber, dass ausgerechnet ihre abgelegene Region ausgesucht wurde für das Millionen-Projekt - und sehen das ganze pragmatisch.

    "Jetzt bekommen wir wenigstens vernünftige Straßen und Ordnung hier, deshalb ist niemand gegen den Friedhof - im Moment müssen wir noch durch den Dreck gehen, das ist doch schrecklich."

    sagt Svetlana Iwanowa, die im Dorf Chrovrena eine Datscha bewohnt. Sie freut sich auf die Eröffnung des Ehrenfriedhofs im Mai 2010 und hofft, dass die Besucher in Strömen in ihr Dorf kommen. Denn sie will ihnen dann am Straßenrand Brot und Blumen verkaufen.