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Ein Roboter für Fische

Studenten der FU Berlin haben einen künstlichen Fisch entwickelt, der mit Stichlingen interagiert. Dadurch erhoffen sich die Forscher hautnahe Einblicke in das Schwarmverhalten der Tiere.

Von Peggy Giertz | 23.04.2013
    Vier Studenten stehen um ein zweistöckiges Gestell. Auf der ersten Ebene kurvt ein circa handballgroßes Gefährt unter einem flachen Wasserbecken herum. Die vier jungen Männer studieren an der Freien Universität Berlin und am Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Das kleine Gefährt ist ihr Werk und eines der neusten Hilfsmittel in der Verhaltensforschung: Ein Roboter, der mit Tieren interagiert. In diesem Fall mit Fischen; also ein Robofish.

    Der Roboter ist dabei nur der Antrieb einer kleinen Fischattrappe. Sie wird mittels eines Magneten in dem Becken über ihm durch das Wasser bewegt. Das circa vier Zentimeter lange Silikonfischchen sieht recht künstlich aus. Zwar erkennt man an der Form und den großen Augen eindeutig den Fisch, aber es ist fraglich, ob diese Nachbildung von echten Fischen – hier sind es Stichlinge - wirklich als Artgenosse erkannt wird.

    "Das war relativ einfach, weil Stichlinge auf sehr einfache Attrappen reagieren",

    erklärt Jens Krause. Er ist Professor am Leibnitz-Institut und leitet die Versuche mit Robofish. Schwarmforschung ist einer seiner Forschungsschwerpunkte und wie ein Schwarm funktioniert, die übergeordnete Frage.

    Einfache Versuche könnten Vieles beantworten. Doch die Möglichkeiten des Menschen, das Verhalten eines Fischschwarms zu testen, sind naturgemäß stark begrenzt. Man müsste einzelne Schwarmmitglieder für sich arbeiten lassen können.

    "Und das ist natürlich mit lebenden Fischen gar nicht zu machen. Man könnte versuchen, die zu trainieren. Aber dann weiß man nie genau, wann der was macht und ob er das dann so macht, wie man ihm das einzeln antrainiert hat. Wenn er im Schwarm ist, verhält er sich dann doch wieder anders. Mit einem Roboter wüsste man ganz genau, wann man einen standardisierten Reiz setzen kann."

    Deshalb entwickelte ein Team von Ingenieuren und Biologen den Robofish.

    Nach ersten Tests zeigte sich, dass die Fische den Roboter problemlos akzeptierten und auch der Magnet keinen Einfluss auf sie hatte.
    Also setzten die Wissenschaftler Robofish und einige echte Fische in das Wasserbecken. Robofish schwamm zunächst mit den anderen mit und machte dann eine abrupte Kurve. Und siehe da, alle Fische folgten ihm.

    "Durch diese entschlossenen Bewegungen zeigt der Roboterfisch an, dass er die Umgebung bereits kennt, und dass sie jemandem folgen können, der lokale Informationen besitzt. Sind die Fische aber schon länger in dem Becken drin, dann folgen die dem Roboterfisch kaum noch, weil sie bereits ihre eigenen Informationen über die Umwelt gesammelt haben."

    In einem zweiten Experiment sollte Robofish andere Fische an einem Räuber vorbeiführen. Die Antworten waren nun differenzierter:

    "Ein Einzelfisch schwimmt mit dem Roboterfisch mit und kopiert das Verhalten, auch wenn es sehr risikoreich ist. Aber der Schwarm macht das nicht. Das heißt, dass der Schwarm in diesen Situationen sich unabhängig von dem Roboter macht und fällt seine eigene Entscheidung."

    In den ersten Versuchen mit Robofish wurden nur sehr einfache lineare Reiz-Reaktions-Versuche gemacht. Die Wissenschaftler arbeiten jedoch bereits an einer verbesserten Version des Roboters – Robofish 2. Dieser wird dann sogar Augen haben: Mittels einer Kamera über dem Becken wird Robofish das Verhalten der Fische verfolgen und autark darauf reagieren können. Und so

    "... können wir eben auch ganze Verhaltensketten untersuchen. Es ist ja nicht nur so, dass man irgendeinen Reiz hat und dann ein Verhalten und dann bedingt das aber manchmal wiederum etwas und so gibt es eine ganze Verkettung von Reizen und Reaktionen und das kann man natürlich sehr schön mit interaktiven Robotern abtesten."

    Zukünftig werden Roboter eine immer größere Rolle in der Verhaltensforschung spielen. Schon heute hat Robofish zahlreiche Kollegen. Interaktive Roboter ermöglichen es, verschiedenste komplexe Systeme von innen heraus zu untersuchen. Und das selbst in Bereichen, wo neugierige Menschen einfach nicht hingelangen können.