Friedbert Meurer: Bei Mercedes sollen 8500 Stellen abgebaut werden. Schon vor einem Jahr hatte Wolfgang Bernhard, der jetzt bei Volkswagen ist, gewarnt, bei Mercedes werde Blut fließen müssen. Bernhard wurde dann doch nicht Mercedes-Chef und der Betriebsrat atmete auf, vielleicht zu früh.
Von 94.000 Mercedes Beschäftigten in Deutschland sollen 8500 gehen, allerdings freiwillig mit Hilfe von Abfindungen oder anderen Modellen. Denn vor einem Jahr war ein so genannter Beschäftigungssicherungspakt geschlossen worden, danach darf bei Mercedes bis 2012 niemand entlassen werden. Am Telefon begrüße ich Paul Russmann, er ist Sprecher der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre bei Daimler Chrysler. Guten Morgen, Herr Russmann.
Paul Russmann: Guten Morgen.
Meurer: Die Börse reagiert ja eigentlich positiv auf den geplanten Stellenabbau. Warum sprechen Sie als Aktionär von einem schwarzen Tag für Mercedes?
Russmann: Ja, wir sprechen als einen schwarzen Tag für die Marke Mercedes deshalb, weil mit dem angekündigten Stellenabbau von 8500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen diese das langjährige Missmanagement der Konzernspitze ausbaden müssen, die wo Milliarden in Chrysler, Mitsubishi und in den Dinosaurier Maybach versenkt worden sind unter der Regie von Jürgen Schrempp. Gleichzeitig wurden zukünftige Entwicklungen, wie die Einführung des Rußpartikelfilters und des Hybridantriebs, verschlafen.
Jetzt kann man natürlich sagen, gut, Kursgewinne wunderbar, einige Aktionäre freuen sich auch darüber. Aber es sind natürlich Kursgewinne auf dem Rücken der MitarbeiterInnen. Und wir teilen diese Freude auch deshalb nicht, weil wenn man auch mal unter der langfristigen Perspektive des Aktienengagements sich das anguckt, es zwar kurzfristige Mitnahmeeffekte gibt, aber eine langfristige Qualitäts- und nachhaltige Standortsicherung mit der demotivierenden Stellenstreichung verhindert wird.
Und zwar deshalb auch, weil wie soll mit immer weniger Leuten, mit immer weniger Manpower, immer mehr Mercedes-Fahrzeuge hergestellt werden, wo jetzt schon bei den jetzigen Situationen auch erhebliche Qualitätsmängel bei der E-Klasse gewesen sind, die natürlich, wenn noch weniger Leute da sind, wie soll die Qualität dieser Standards gesichert werden?
Meurer: Also lautet Ihre Forderung: Verzicht auf den Stellenabbau?
Russmann: Man kann natürlich sagen, es gibt sicherlich vielleicht auch Zeiten, wo die Aufträge natürlich schlechter sind. Aber die Frage ist, ob es nicht besser ist, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, wo man sagt, für eine bestimmte Zeit werden die Arbeitnehmer meinetwegen auf 90 Prozent oder 87,5 Prozent zurückgefahren, auch ohne Lohnausgleich. Aber alle können an Bord des Schiffes Mercedes bleiben.
Und je nach dem, wenn dann mehr Arbeit anfällt, dass man dann auch wieder bis auf die 100 Prozent gehen kann. Ich glaube, das ist sicherlich motivierender als jetzt die Strategie von Herrn Zetsche, das Schiff Daimler zu übernehmen, indem man jedes zehnte Besatzungsmitglied über Bord schmeißt.
Meurer: Ist andererseits ein harter Schnitt irgendwann an einer bestimmten Stelle nicht besser, als das Problem auf die lange Bank zu schieben?
Russmann: Ja, die andere Frage ist noch, dass im Prinzip mit jedem Mercedes trotzdem im Moment auch noch 1000 Euro praktisch Gewinne gemacht werden.
Meurer: Mit jedem BMW über 3000 Euro.
Russmann: Mit BMW über 3000. Aber die Frage natürlich ist, muss man jedes Jahr 3000 Euro mit jedem Wagen verdienen? Werden die Margen nicht immer höher gesetzt und geht das nicht letzten Endes auf die Frage der Qualität? Und steckt da nicht auch etwas anderes dahinter? Die Frage ist auch, was bisher ja auch die Gewerkschaften kritisieren, ist die Frage, warum werden 8500 Leute gestrichen? Es war lange Zeit von 5000 Arbeitsplätzen die Rede.
Geht es auch darum, gibt es nicht auch einen Interessenkonflikt des Managements, nämlich zu sagen, wir wollen, dass der Kurs möglichst hoch steigt, weil damit auch zum Beispiel auch der Aktienoptionsplan von 2004 ab dem Jahr 2006 verwirklicht werden kann - das heißt, wo wieder das oberste Management relativ viel Geld durch die Aktienoptionen einstreichen kann.
Meurer: Wie wahrscheinlich ist es, dass abgesahnt werden kann von Managern?
Russmann: Der Kurs jetzt für den Aktienoptionsplan 2004 ist erreicht, also mit den 44 Euro, wo der Kurs gerade steht. Das heißt, dieser Aktienoptionsplan, wenn der Kurs sich auf diesem Niveau hält, tritt am 1. Januar 2006 in Kraft.
Meurer: Auf der anderen Seite, Herr Russmann, liegt Mercedes nicht einfach im Trend? Volkwagen, Opel, andere bauen auch Personal ab.
Russmann: Sie bauen Personal ab. Das ist aber, denke ich, eine Strategie, die eher dazu führen wird, dass die Kaufkraft in unserem Land noch mehr sinken wird, weil immer noch mehr Leute verunsichert sind, weil die Arbeitsplätze abgebaut werden. Und die Unternehmensberatungen, die es ja immer empfehlen, Arbeitsplätze abzubauen, eigentlich eine mangelnde Kreativität nach anderen Arbeitszeitmodellen entwickeln, wirklich auch zu sagen, ob es nicht sinnvoller ist, wirklich Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich.
Damit könnten auch eventuell die Arbeitskosten und die Sozialabgaben gesenkt werden, weil damit auch nicht so viele Leute in der Arbeitslosigkeit unterhalten werden müssen. Diese sozialen Folgen kommen natürlich jetzt auch wieder für die Unternehmer, für die Gesellschaft auf uns zu mit diesen 8500 Stellen.
Meurer: Offenbar wollen aber die Gewerkschaften an die Gesamtbetriebszeit, nicht dieses Modell Arbeitszeitverkürzungen.
Russmann: Ja, das ist auch etwas, was wir auch neben der Unternehmensleitung auch die Gewerkschaften kritisieren, weil die Gewerkschaften natürlich auch immer im Prinzip sehr betriebswirtschaftlich auf den einzelnen Konzern denken und viel zu wenig gesamt- und volkswirtschaftlich.
Meurer: Denken die Gewerkschaften vielleicht auch an die Abfindungen, die ja zwischen 100.000 oder sogar über 200.000 Euro liegen können? Wie komfortabel sind Ihrer Meinung nach solche Abfindungen?
Russmann: Das kommt ja im Prinzip immer darauf an. Also, es gibt ja diejenigen, die noch nicht solange da sind, bekommen ja kleinere Abfindungen. Das geht wohl hin bis zu 250.000 Euro für bestimmte Leute. Und da ist natürlich auch die Frage, das sind natürlich die Leute, die sehr lange da sind oder in hohen Positionen sind und möglicherweise auch eher die treuesten Gewerkschaftsmitglieder. Und natürlich bedient auch der Betriebsrat die Gewerkschaftsmitglieder, die sicherlich am treuesten dastehen.
Meurer: Es gibt ja Behauptungen, die sagen oder Beobachter, die sagen, Daimler Benz ist ins Visier der Hedge-Fonds geraten. Kann man da sagen, ein hoher Aktienkurs kann das verhindern, eine feindliche Übernahme?
Russmann: Könnte vielleicht eine feindliche Übernahme insgesamt verhindern. Nur die Frage ist, ob nicht auch durch den Rückzug der Deutschen Bank - und die Deutsche Bank natürlich will ja auch noch weiterhin ihre letzten Anteile auch noch verkaufen und ist daran sicherlich auch an einem hohen Kurs interessiert - dass natürlich der Einfluss von Hedge-Fonds zunehmen wird. Ich glaube auch nicht, dass man deshalb den ganzen Konzern übernehmen muss.
Aber es reicht ja auch schon aus, dass wenn jetzt so 20 Prozent, was man ja vermutet, der Investoreneinfluss, der Aktien (...) von Hedge-Fonds sind und die natürlich auch Einfluss auf die Konzernspitze haben, auch in der Personalpolitik oder in der Unternehmensstrategie. Da brauchen wir uns nichts vormachen, die Hedge-Fonds haben die Möglichkeit, Leute in den Aufsichtsrat zu schicken - da Daimler sich ja in der Hand sehr vieler kleiner Aktionäre und kleinerer Investmentfonds befindet - und natürlich dadurch auch über den Aufsichtsrat einen neuen Vorstand zu bestimmen, der in ihre Richtung geht. Dafür braucht man keine Übernahme.
Meurer: Die Situation bei Mercedes und der geplante Stellenabbau. Das war Paul Russmann, Sprecher der Kritischen Aktionäre Daimler Chrysler. Herr Russmann, besten Dank und auf Wiederhören.
Russmann: Wiederhören.
Von 94.000 Mercedes Beschäftigten in Deutschland sollen 8500 gehen, allerdings freiwillig mit Hilfe von Abfindungen oder anderen Modellen. Denn vor einem Jahr war ein so genannter Beschäftigungssicherungspakt geschlossen worden, danach darf bei Mercedes bis 2012 niemand entlassen werden. Am Telefon begrüße ich Paul Russmann, er ist Sprecher der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre bei Daimler Chrysler. Guten Morgen, Herr Russmann.
Paul Russmann: Guten Morgen.
Meurer: Die Börse reagiert ja eigentlich positiv auf den geplanten Stellenabbau. Warum sprechen Sie als Aktionär von einem schwarzen Tag für Mercedes?
Russmann: Ja, wir sprechen als einen schwarzen Tag für die Marke Mercedes deshalb, weil mit dem angekündigten Stellenabbau von 8500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen diese das langjährige Missmanagement der Konzernspitze ausbaden müssen, die wo Milliarden in Chrysler, Mitsubishi und in den Dinosaurier Maybach versenkt worden sind unter der Regie von Jürgen Schrempp. Gleichzeitig wurden zukünftige Entwicklungen, wie die Einführung des Rußpartikelfilters und des Hybridantriebs, verschlafen.
Jetzt kann man natürlich sagen, gut, Kursgewinne wunderbar, einige Aktionäre freuen sich auch darüber. Aber es sind natürlich Kursgewinne auf dem Rücken der MitarbeiterInnen. Und wir teilen diese Freude auch deshalb nicht, weil wenn man auch mal unter der langfristigen Perspektive des Aktienengagements sich das anguckt, es zwar kurzfristige Mitnahmeeffekte gibt, aber eine langfristige Qualitäts- und nachhaltige Standortsicherung mit der demotivierenden Stellenstreichung verhindert wird.
Und zwar deshalb auch, weil wie soll mit immer weniger Leuten, mit immer weniger Manpower, immer mehr Mercedes-Fahrzeuge hergestellt werden, wo jetzt schon bei den jetzigen Situationen auch erhebliche Qualitätsmängel bei der E-Klasse gewesen sind, die natürlich, wenn noch weniger Leute da sind, wie soll die Qualität dieser Standards gesichert werden?
Meurer: Also lautet Ihre Forderung: Verzicht auf den Stellenabbau?
Russmann: Man kann natürlich sagen, es gibt sicherlich vielleicht auch Zeiten, wo die Aufträge natürlich schlechter sind. Aber die Frage ist, ob es nicht besser ist, Arbeitszeitmodelle zu entwickeln, wo man sagt, für eine bestimmte Zeit werden die Arbeitnehmer meinetwegen auf 90 Prozent oder 87,5 Prozent zurückgefahren, auch ohne Lohnausgleich. Aber alle können an Bord des Schiffes Mercedes bleiben.
Und je nach dem, wenn dann mehr Arbeit anfällt, dass man dann auch wieder bis auf die 100 Prozent gehen kann. Ich glaube, das ist sicherlich motivierender als jetzt die Strategie von Herrn Zetsche, das Schiff Daimler zu übernehmen, indem man jedes zehnte Besatzungsmitglied über Bord schmeißt.
Meurer: Ist andererseits ein harter Schnitt irgendwann an einer bestimmten Stelle nicht besser, als das Problem auf die lange Bank zu schieben?
Russmann: Ja, die andere Frage ist noch, dass im Prinzip mit jedem Mercedes trotzdem im Moment auch noch 1000 Euro praktisch Gewinne gemacht werden.
Meurer: Mit jedem BMW über 3000 Euro.
Russmann: Mit BMW über 3000. Aber die Frage natürlich ist, muss man jedes Jahr 3000 Euro mit jedem Wagen verdienen? Werden die Margen nicht immer höher gesetzt und geht das nicht letzten Endes auf die Frage der Qualität? Und steckt da nicht auch etwas anderes dahinter? Die Frage ist auch, was bisher ja auch die Gewerkschaften kritisieren, ist die Frage, warum werden 8500 Leute gestrichen? Es war lange Zeit von 5000 Arbeitsplätzen die Rede.
Geht es auch darum, gibt es nicht auch einen Interessenkonflikt des Managements, nämlich zu sagen, wir wollen, dass der Kurs möglichst hoch steigt, weil damit auch zum Beispiel auch der Aktienoptionsplan von 2004 ab dem Jahr 2006 verwirklicht werden kann - das heißt, wo wieder das oberste Management relativ viel Geld durch die Aktienoptionen einstreichen kann.
Meurer: Wie wahrscheinlich ist es, dass abgesahnt werden kann von Managern?
Russmann: Der Kurs jetzt für den Aktienoptionsplan 2004 ist erreicht, also mit den 44 Euro, wo der Kurs gerade steht. Das heißt, dieser Aktienoptionsplan, wenn der Kurs sich auf diesem Niveau hält, tritt am 1. Januar 2006 in Kraft.
Meurer: Auf der anderen Seite, Herr Russmann, liegt Mercedes nicht einfach im Trend? Volkwagen, Opel, andere bauen auch Personal ab.
Russmann: Sie bauen Personal ab. Das ist aber, denke ich, eine Strategie, die eher dazu führen wird, dass die Kaufkraft in unserem Land noch mehr sinken wird, weil immer noch mehr Leute verunsichert sind, weil die Arbeitsplätze abgebaut werden. Und die Unternehmensberatungen, die es ja immer empfehlen, Arbeitsplätze abzubauen, eigentlich eine mangelnde Kreativität nach anderen Arbeitszeitmodellen entwickeln, wirklich auch zu sagen, ob es nicht sinnvoller ist, wirklich Vier-Tage-Woche ohne Lohnausgleich.
Damit könnten auch eventuell die Arbeitskosten und die Sozialabgaben gesenkt werden, weil damit auch nicht so viele Leute in der Arbeitslosigkeit unterhalten werden müssen. Diese sozialen Folgen kommen natürlich jetzt auch wieder für die Unternehmer, für die Gesellschaft auf uns zu mit diesen 8500 Stellen.
Meurer: Offenbar wollen aber die Gewerkschaften an die Gesamtbetriebszeit, nicht dieses Modell Arbeitszeitverkürzungen.
Russmann: Ja, das ist auch etwas, was wir auch neben der Unternehmensleitung auch die Gewerkschaften kritisieren, weil die Gewerkschaften natürlich auch immer im Prinzip sehr betriebswirtschaftlich auf den einzelnen Konzern denken und viel zu wenig gesamt- und volkswirtschaftlich.
Meurer: Denken die Gewerkschaften vielleicht auch an die Abfindungen, die ja zwischen 100.000 oder sogar über 200.000 Euro liegen können? Wie komfortabel sind Ihrer Meinung nach solche Abfindungen?
Russmann: Das kommt ja im Prinzip immer darauf an. Also, es gibt ja diejenigen, die noch nicht solange da sind, bekommen ja kleinere Abfindungen. Das geht wohl hin bis zu 250.000 Euro für bestimmte Leute. Und da ist natürlich auch die Frage, das sind natürlich die Leute, die sehr lange da sind oder in hohen Positionen sind und möglicherweise auch eher die treuesten Gewerkschaftsmitglieder. Und natürlich bedient auch der Betriebsrat die Gewerkschaftsmitglieder, die sicherlich am treuesten dastehen.
Meurer: Es gibt ja Behauptungen, die sagen oder Beobachter, die sagen, Daimler Benz ist ins Visier der Hedge-Fonds geraten. Kann man da sagen, ein hoher Aktienkurs kann das verhindern, eine feindliche Übernahme?
Russmann: Könnte vielleicht eine feindliche Übernahme insgesamt verhindern. Nur die Frage ist, ob nicht auch durch den Rückzug der Deutschen Bank - und die Deutsche Bank natürlich will ja auch noch weiterhin ihre letzten Anteile auch noch verkaufen und ist daran sicherlich auch an einem hohen Kurs interessiert - dass natürlich der Einfluss von Hedge-Fonds zunehmen wird. Ich glaube auch nicht, dass man deshalb den ganzen Konzern übernehmen muss.
Aber es reicht ja auch schon aus, dass wenn jetzt so 20 Prozent, was man ja vermutet, der Investoreneinfluss, der Aktien (...) von Hedge-Fonds sind und die natürlich auch Einfluss auf die Konzernspitze haben, auch in der Personalpolitik oder in der Unternehmensstrategie. Da brauchen wir uns nichts vormachen, die Hedge-Fonds haben die Möglichkeit, Leute in den Aufsichtsrat zu schicken - da Daimler sich ja in der Hand sehr vieler kleiner Aktionäre und kleinerer Investmentfonds befindet - und natürlich dadurch auch über den Aufsichtsrat einen neuen Vorstand zu bestimmen, der in ihre Richtung geht. Dafür braucht man keine Übernahme.
Meurer: Die Situation bei Mercedes und der geplante Stellenabbau. Das war Paul Russmann, Sprecher der Kritischen Aktionäre Daimler Chrysler. Herr Russmann, besten Dank und auf Wiederhören.
Russmann: Wiederhören.