Christiane Kaess: Bis zum Jahr 2050 wollen die acht wichtigsten Industriestaaten den CO2-Ausstoß um 50 Prozent reduzieren. Darauf haben sie sich auf dem G8-Gipfel in Japan geeinigt. Es ist eine Erweiterung der Vereinbarung von Heiligendamm, wo man dieses Ziel lediglich in Erwägung zog. Jetzt soll es zu einer festeren Formulierung kommen. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland auf dem G8-Gipfel mit seiner Haltung zum Atomausstieg ziemlich allein dasteht, bekommt die Diskussion hierzulande immer neue Nahrung. Zwei grobe Linien gibt es. Stimmen in der Union fordern angesichts steigender Energiepreise und mit Blick auf den Bundestagswahlkampf nicht mehr nur längere Laufzeiten bestehender Atommeiler, sondern auch eine Diskussion über den Bau neuer Kernkraftwerke in Deutschland. In der SPD wächst mittlerweile die Bereitschaft für längere Laufzeiten von modernen Atomkraftwerken, allerdings unter strikten Bedingungen, nämlich nur dann, wenn ältere Atommeiler abgeschaltet würden und der Atomausstieg im Grundgesetz festgeschrieben würde. Am Telefon ist jetzt Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Guten Tag!
Ottmar Edenhofer: Guten Tag!
Kaess: Herr Edenhofer, die Beschlüsse des G8-Treffens - schauen wir erst mal auf die. Den CO2-Ausstoß bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren, ist das ein guter und glaubhafter Beschluss?
Edenhofer: Es ist auf jeden Fall ein sehr guter Beschluss, denn jetzt wird nicht mehr einfach nur erwogen, sondern es gibt jetzt eine Verpflichtung. Der Beschluss ist aus meiner Sicht auch glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit wird dann verstärkt werden, wenn 2009 die Verhandlungen in Kopenhagen geführt werden. Aus meiner Sicht ist es ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.
Kaess: Überraschend ist ja, dass sich die USA bewegt hat. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Edenhofer: Auch die USA können sich dem Thema des Klimawandels und des Klimaschutzes nicht mehr verweigern. Auch die innenpolitische Lage in den Vereinigten Staaten hat sich verändert und es gibt in der Zwischenzeit eine breite Übereinstimmung dazu, dass man auch einen Emissionshandel einführen will, dass man die Emissionen reduziert. Das wollen beide Präsidentschaftskandidaten. Das ist aus meiner Sicht keine so große Überraschung. Ich würde sogar sagen die Möglichkeit, dass wir jetzt den europäischen Emissionshandel verknüpfen und verbinden mit einem entstehenden US-amerikanischen, ist dadurch gewachsen, so dass wir einen transatlantischen Kohlenstoffmarkt bekommen könnten und das wäre aus meiner Sicht ein wichtiges und bedeutsames Signal für die internationalen Klimaverhandlungen, aber eben auch für die Schwellenländer.
Kaess: Bei allem Lob, es gibt natürlich auf der anderen Seite auch Kritik. Wir haben das in dem Beitrag vorhin gehört, vor allem von Nichtregierungsorganisationen. Da heißt es, das ist ein lauwarmes Klimaziel. Es gibt keine mittelfristigen Ziele zur Verringerung der Treibhausgase und kein Ausgangsjahr für die Halbierung wird genannt. Um die katastrophalen Konsequenzen durch die Erderwärmung zu verhindern, müssten die Treibhausgase bis 2020 um mindestens 25 bis 40 Prozent unter das Niveau von 1990 fallen. Bis 2050 sei dann eine Reduzierung um mindestens 80 Prozent nötig. Ist das eine berechtigte Kritik?
Edenhofer: Die Kritik ist natürlich insofern berechtigt, als das Basisjahr verschwiegen wird, und es ist auch richtig, dass die langfristigen Ziele, die Sie genannt haben, natürlich notwendige Ziele sind. Andererseits ist es so, dass es schon ein großer Durchbruch ist, dass sich die G8-Staaten jetzt auf ein langfristiges Ziel geeinigt haben. Das ist mir sehr wichtig - langfristig- , denn es muss ein klares Signal an die internationalen Investoren ausgehen, dass wir nach 2020 die Emissionen noch mal deutlich reduzieren. Natürlich besteht Politik immer in Kompromissen und dieser Kompromiss ist sicherlich nicht das Maximum, was man sich hätte vorstellen können. Aber dass das Ziel jetzt langfristig festgelegt ist, dass man sich im Rahmen der G8 darauf verpflichtet und dass wir jetzt die Chance bekommen, langfristig verbindliche Ziele festgeschrieben zu haben, ist aus meiner Sicht doch ein wichtiger Schritt. Insofern würde ich mich der harschen Kritik der Nichtregierungsorganisationen nicht anschließen.
Kaess: Herr Edenhofer, sind die Verpflichtungen, die Deutschland dabei eingegangen ist, zu erreichen, ohne den Atomausstieg rückgängig zu machen?
Edenhofer: Ich finde über die ganze Kernenergie-Diskussion müssen zwei Ebenen strikt unterschieden werden. Die erste Ebene: Ist die Kernenergie im globalen Maßstab eine wichtige Option für den Klimaschutz? Und die andere Frage, die eher innenpolitische Frage: Ist die Verlängerung der Laufzeiten sinnvoll? Im großen Maßstab glaube ich, dass die Kernenergie einen Beitrag haben wird in der Größenordnung vielleicht von 17 bis 25 Prozent am heutigen Strommix. Das heißt aber auch, dass der Rest von den anderen Primärenergieträgern Kohle, Öl, Gas und natürlich auch den erneuerbaren erbracht werden muss. Und die Frage muss man schon beantworten, wie der Rest erbracht werden soll. Deswegen ist mir ganz wichtig darauf hinzuweisen: Es gibt nicht eine einzige Technologie, die das Problem lösen kann, sondern es kann einen Mix geben.
Kaess: Das heißt, Herr Edenhofer, auch wir würden das Risiko einer Energielücke haben, wenn wir nicht mehr auf Atomkraft setzen?
Edenhofer: Die Frage glaube ich nicht. Ich denke die Laufzeitverlängerung kann ein politischer Kompromiss sein. Der Kompromiss kann sinnvoll sein, wenn die dabei entstehenden Gewinne zur Erforschung und zur Markteinführung der erneuerbaren Energieträger genutzt werden, weil es muss ganz klar sein, dass wir unseren Optionenfächer deutlich erweitern müssen, dass wir im Augenblick viel zu wenig Optionen zur Verfügung haben, um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. Vor dem Hintergrund geht es darum, die Optionen zu erweitern, und in diesem Zusammenhang kann eine Laufzeitverlängerung sinnvoll sein. Ich glaube, dass die Frage der Stromlücke noch weiterer Forschung bedarf und da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Stromlücke entstammt einem einzigen Szenario, das mit ganz bestimmten Annahmen arbeitet. Andere Szenarien legen eine Stromlücke nicht nahe. Hier wäre mein Vorschlag, dass man im Rahmen einer vernünftigen Kommission das mal durchexploriert. Ich glaube nicht, dass eine Verlängerung der Laufzeiten dringend geboten ist, aber die Verlängerung der Laufzeiten kann sicherlich helfen, hier einen vernünftigen Energiekompromiss zu finden.
Kaess: Und diese Verlängerung der Laufzeiten würde dann bedeuten, diese Strommengen von älteren Meilern auf modernere Anlagen zu übertragen?
Edenhofer: Zum Beispiel und die daraus entstehenden Gewinne könnten dann dazu genutzt werden, um eben die erneuerbaren Energieträger zu fördern.
Kaess: Noch kurz zum Schluss. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt laut Umfragen. Mehr Menschen sind wieder für die Atomenergie mit Blick auf die hohen Energiepreise. Ist dieser Zusammenhang richtig?
Edenhofer: Aus meiner Sicht ist der Zusammenhang über sehr vermittelte Wege richtig. Zunächst mal hat der hohe Ölpreis eine eigene innere Logik. Der hohe Ölpreis führt international vor allem dazu, dass mehr Kohle in der Verstromung eingesetzt wird, und aus meiner Sicht ist das wirklich große Problem aus klimapolitischer Sicht die Kohlefrage. Das ist die entscheidende Frage des 21. Jahrhunderts und hier muss man sich etwas einfallen lassen, wie man China und Indien dazu überreden kann, die Kohle CO2-arm zu nutzen. Das gleiche gilt auch für Europa und die Vereinigten Staaten. Natürlich gibt es auch einen Zusammenhang zwischen dem Ölpreis und der Kernenergie-Diskussion. Das ist aber kein unmittelbarer Zusammenhang und ich denke, dass die Stimmung in der Bevölkerung eines ist. Wenn wir dann irgendwann wieder mal kleinere Unfälle haben, dann kann die Stimmung auch wieder ins Gegenteil kippen. Also ich glaube wir sollten langfristige energiepolitische Entscheidungen nicht zu sehr von Stimmungen abhängig machen.
Kaess: Ottmar Edenhofer war das. Er ist stellvertretender Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Vielen Dank für das Gespräch.
Ottmar Edenhofer: Guten Tag!
Kaess: Herr Edenhofer, die Beschlüsse des G8-Treffens - schauen wir erst mal auf die. Den CO2-Ausstoß bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren, ist das ein guter und glaubhafter Beschluss?
Edenhofer: Es ist auf jeden Fall ein sehr guter Beschluss, denn jetzt wird nicht mehr einfach nur erwogen, sondern es gibt jetzt eine Verpflichtung. Der Beschluss ist aus meiner Sicht auch glaubhaft. Die Glaubhaftigkeit wird dann verstärkt werden, wenn 2009 die Verhandlungen in Kopenhagen geführt werden. Aus meiner Sicht ist es ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.
Kaess: Überraschend ist ja, dass sich die USA bewegt hat. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Edenhofer: Auch die USA können sich dem Thema des Klimawandels und des Klimaschutzes nicht mehr verweigern. Auch die innenpolitische Lage in den Vereinigten Staaten hat sich verändert und es gibt in der Zwischenzeit eine breite Übereinstimmung dazu, dass man auch einen Emissionshandel einführen will, dass man die Emissionen reduziert. Das wollen beide Präsidentschaftskandidaten. Das ist aus meiner Sicht keine so große Überraschung. Ich würde sogar sagen die Möglichkeit, dass wir jetzt den europäischen Emissionshandel verknüpfen und verbinden mit einem entstehenden US-amerikanischen, ist dadurch gewachsen, so dass wir einen transatlantischen Kohlenstoffmarkt bekommen könnten und das wäre aus meiner Sicht ein wichtiges und bedeutsames Signal für die internationalen Klimaverhandlungen, aber eben auch für die Schwellenländer.
Kaess: Bei allem Lob, es gibt natürlich auf der anderen Seite auch Kritik. Wir haben das in dem Beitrag vorhin gehört, vor allem von Nichtregierungsorganisationen. Da heißt es, das ist ein lauwarmes Klimaziel. Es gibt keine mittelfristigen Ziele zur Verringerung der Treibhausgase und kein Ausgangsjahr für die Halbierung wird genannt. Um die katastrophalen Konsequenzen durch die Erderwärmung zu verhindern, müssten die Treibhausgase bis 2020 um mindestens 25 bis 40 Prozent unter das Niveau von 1990 fallen. Bis 2050 sei dann eine Reduzierung um mindestens 80 Prozent nötig. Ist das eine berechtigte Kritik?
Edenhofer: Die Kritik ist natürlich insofern berechtigt, als das Basisjahr verschwiegen wird, und es ist auch richtig, dass die langfristigen Ziele, die Sie genannt haben, natürlich notwendige Ziele sind. Andererseits ist es so, dass es schon ein großer Durchbruch ist, dass sich die G8-Staaten jetzt auf ein langfristiges Ziel geeinigt haben. Das ist mir sehr wichtig - langfristig- , denn es muss ein klares Signal an die internationalen Investoren ausgehen, dass wir nach 2020 die Emissionen noch mal deutlich reduzieren. Natürlich besteht Politik immer in Kompromissen und dieser Kompromiss ist sicherlich nicht das Maximum, was man sich hätte vorstellen können. Aber dass das Ziel jetzt langfristig festgelegt ist, dass man sich im Rahmen der G8 darauf verpflichtet und dass wir jetzt die Chance bekommen, langfristig verbindliche Ziele festgeschrieben zu haben, ist aus meiner Sicht doch ein wichtiger Schritt. Insofern würde ich mich der harschen Kritik der Nichtregierungsorganisationen nicht anschließen.
Kaess: Herr Edenhofer, sind die Verpflichtungen, die Deutschland dabei eingegangen ist, zu erreichen, ohne den Atomausstieg rückgängig zu machen?
Edenhofer: Ich finde über die ganze Kernenergie-Diskussion müssen zwei Ebenen strikt unterschieden werden. Die erste Ebene: Ist die Kernenergie im globalen Maßstab eine wichtige Option für den Klimaschutz? Und die andere Frage, die eher innenpolitische Frage: Ist die Verlängerung der Laufzeiten sinnvoll? Im großen Maßstab glaube ich, dass die Kernenergie einen Beitrag haben wird in der Größenordnung vielleicht von 17 bis 25 Prozent am heutigen Strommix. Das heißt aber auch, dass der Rest von den anderen Primärenergieträgern Kohle, Öl, Gas und natürlich auch den erneuerbaren erbracht werden muss. Und die Frage muss man schon beantworten, wie der Rest erbracht werden soll. Deswegen ist mir ganz wichtig darauf hinzuweisen: Es gibt nicht eine einzige Technologie, die das Problem lösen kann, sondern es kann einen Mix geben.
Kaess: Das heißt, Herr Edenhofer, auch wir würden das Risiko einer Energielücke haben, wenn wir nicht mehr auf Atomkraft setzen?
Edenhofer: Die Frage glaube ich nicht. Ich denke die Laufzeitverlängerung kann ein politischer Kompromiss sein. Der Kompromiss kann sinnvoll sein, wenn die dabei entstehenden Gewinne zur Erforschung und zur Markteinführung der erneuerbaren Energieträger genutzt werden, weil es muss ganz klar sein, dass wir unseren Optionenfächer deutlich erweitern müssen, dass wir im Augenblick viel zu wenig Optionen zur Verfügung haben, um die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. Vor dem Hintergrund geht es darum, die Optionen zu erweitern, und in diesem Zusammenhang kann eine Laufzeitverlängerung sinnvoll sein. Ich glaube, dass die Frage der Stromlücke noch weiterer Forschung bedarf und da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die Stromlücke entstammt einem einzigen Szenario, das mit ganz bestimmten Annahmen arbeitet. Andere Szenarien legen eine Stromlücke nicht nahe. Hier wäre mein Vorschlag, dass man im Rahmen einer vernünftigen Kommission das mal durchexploriert. Ich glaube nicht, dass eine Verlängerung der Laufzeiten dringend geboten ist, aber die Verlängerung der Laufzeiten kann sicherlich helfen, hier einen vernünftigen Energiekompromiss zu finden.
Kaess: Und diese Verlängerung der Laufzeiten würde dann bedeuten, diese Strommengen von älteren Meilern auf modernere Anlagen zu übertragen?
Edenhofer: Zum Beispiel und die daraus entstehenden Gewinne könnten dann dazu genutzt werden, um eben die erneuerbaren Energieträger zu fördern.
Kaess: Noch kurz zum Schluss. Die Stimmung in der Bevölkerung kippt laut Umfragen. Mehr Menschen sind wieder für die Atomenergie mit Blick auf die hohen Energiepreise. Ist dieser Zusammenhang richtig?
Edenhofer: Aus meiner Sicht ist der Zusammenhang über sehr vermittelte Wege richtig. Zunächst mal hat der hohe Ölpreis eine eigene innere Logik. Der hohe Ölpreis führt international vor allem dazu, dass mehr Kohle in der Verstromung eingesetzt wird, und aus meiner Sicht ist das wirklich große Problem aus klimapolitischer Sicht die Kohlefrage. Das ist die entscheidende Frage des 21. Jahrhunderts und hier muss man sich etwas einfallen lassen, wie man China und Indien dazu überreden kann, die Kohle CO2-arm zu nutzen. Das gleiche gilt auch für Europa und die Vereinigten Staaten. Natürlich gibt es auch einen Zusammenhang zwischen dem Ölpreis und der Kernenergie-Diskussion. Das ist aber kein unmittelbarer Zusammenhang und ich denke, dass die Stimmung in der Bevölkerung eines ist. Wenn wir dann irgendwann wieder mal kleinere Unfälle haben, dann kann die Stimmung auch wieder ins Gegenteil kippen. Also ich glaube wir sollten langfristige energiepolitische Entscheidungen nicht zu sehr von Stimmungen abhängig machen.
Kaess: Ottmar Edenhofer war das. Er ist stellvertretender Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Vielen Dank für das Gespräch.