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Ein Stück Deutschland im Iran

Städtepartnerschaften haben viele deutsche Kommunen. Aber nur Freiburg hat eine Partnerstadt im Iran. Allen Sanktionen und politischen Spannungen zum Trotz pflegt die badische Metropole einen regen Austausch mit der alten persischen Königsstadt Isfahan.

Von Jörg-Christian Schillmöller |
    Isfahan, nachmittags. Am Eingang des "Digar Kultur- und Kunstinstituts" warten Fereshteh Mehrabi und Fahimeh Aghili: Sie sind die guten Seelen des Austausches mit Freiburg, der im Jahr 2000 begann.
    Eine Treppe hinauf, oben ein kleiner Raum mit Tisch und Stühlen. Es gibt Saft und Gebäck, an den Wänden hängen Kinderzeichnungen vom Martinstor und vom Schwabentor. Unverkennbar: Das ist das Freiburg-Zimmer. Ein Stück Deutschland im Iran.

    "Ich war schon beim ersten Abkommen zwischen beiden Städten dabei, im Rathaus und dann im Jugendheim, das ich damals geleitet habe. Das erste Projekt war, mit jungen Leuten über die Sonnenenergie zu sprechen und wie man sie hier nutzen kann."

    Fahimeh Aghili ist eine zurückhaltende, freundliche Frau, die ihr Kopftuch aus Überzeugung trägt. Ebenso überzeugt ist sie vom Austausch mit Freiburg.

    "Freiburg ist bei uns bekannt, denn viele sind dorthin gereist. Später kamen auch Freiburger, die sich vorher nicht getraut haben. Wir kennen viele Menschen in Freiburg, die Leute erkennen uns auf der Straße und winken. Heute sind im Austausch junge Leute aktiv, Künstler, Frauen - und sie alle lieben Freiburg."

    Eine deutsch-iranische Städtepartnerschaft: Das ist immer auch ein Politikum. Die Stadt Freiburg hat den Austausch auf der offiziellen Ebene eingefroren – auf der Internetseite freiburg.de heißt es dazu:

    "Seit 2005 ist kein Besuch politischer Repräsentanten aus Freiburg im Iran und in Isfahan erfolgt als Ausdruck des Protestes gegen die Politik des iranischen Präsidenten."
    Genauso deutlich heißt es weiter unten, dass die Kontakte der Bürger lebendig sind, sozusagen unterhalb der Regime-Ebene. Fahimeh Aghilis Mann Hassan findet nicht, dass der Austausch unter der Politik leidet.

    "Eigentlich nicht. Die Beziehungen zwischen den Menschen sind keine politischen Beziehungen. Es ist eine Eigenschaft der Menschen, dass sie sich austauschen wollen. Die Regierungen kommen und gehen, aber die Menschen, die bleiben."

    Wir haben einiges zustande gebracht, sagt Herr Aghili. Wir - das ist ein Vierergespann: das Ehepaar Aghili, außerdem Mohammed Salawati, der seit den siebziger Jahren in Freiburg wohnt, und Fereshteh Mehrabi, die viel über die gegenseitige Wahrnehmung von Iranern und Deutschen nachdenkt.

    "Iraner haben auch nicht das richtige Bild von den Deutschen, sie kennen die Deutschen von der Nazi-Zeit und denken: Die sind grob und faschistisch. Aber wenn sie nach Deutschland kommen, dann lieben sie Deutschland und sehen, die Deutschen sind zuvorkommend und hilfsbereit, und wir haben ein positives Bild, wenn wir zurückkommen."

    Eine Einschränkung gibt es dennoch: Es ist der psychologische Effekt von Sanktionen und politischer Lage. Für die Isfahan-Reisen melden sich sonst 40 Personen, sagt Mohammed Salawati.

    "Nur die letzte Zeit, wo es diese Kriegsbedrohungen von Israel oder Amerika gab, da haben die Leute ein bisschen Angst gehabt, nach Isfahan zu kommen."
    Von der Theorie der Städtepartnerschaft zur Praxis. Im zweiten Stock des Digar-Kulturinstitutes warten zehn, fünfzehn Isfahaner, die gern erzählen möchten. Drei Musiker, die schon in Freiburg aufgetreten sind, haben ihre Instrumente mitgebracht.

    Was hat den Musikern an Freiburg gefallen? Die Natur und diese Reinheit – das ist, obwohl es in unseren Ohren wie ein Klischee klingt - in den Gesprächen oft zu hören. Aber die Musiker denken ebenso gern an ihre persönlichen Erlebnisse.

    "Wir hatten ein Konzert in einem Museum in Freiburg, und am nächsten Tag besuchten wir eine Kirche. Da kam ein Mann auf mich zu, umarmte mich und meinte: Du hast wunderbar gespielt gestern. Das war ein sehr schönes Erlebnis."

    Es folgen Interviews im Minutentakt: Frau Mehrabi stellt viele Isfahaner vor, die schon in Freiburg waren, die in Deutschland studieren wollen – und die ein bisschen Deutsch können.

    "Ich heiße Agin." Wann warst du in Freiburg? "Ich war zweimal in Freiburg, letzten Sommer und vor zwei Jahren." Und wie hast du dich mit den Freiburgern verstanden? "Ja, sehr gut. Wir haben viele Ähnlichkeiten entdeckt, zum Beispiel ich und meine Freunde, wir recordieren movies und films zusammen, über unsere Freundschaft und Isfahan und Freiburg, das war sehr schön."

    Nach Argin wartet schon Amir Hossein. Er gibt sich staatsmännisch.

    "Das Wichtigste, was wir haben, ist unsere Kultur, und die ist nicht in aller Welt bekannt. Darum ist das unser erstes Ziel: unsere Kultur den Menschen nahezubringen."

    Amir Hossein hat bereits große Pläne – nicht nur für das Studium, sondern gleich für das ganze Leben. Wohnen will er in Freiburg - aber erst, wenn er in Rente geht. Vorher will er noch studieren, erst in den USA, dann in Deutschland.

    So geht das noch ein Weilchen im Abendsonnenschein vor dem Digar-Kulturinstitut. Am Ende steht fest: Der Austausch lebt, und die Isfahaner kennen und mögen Freiburg sehr. Die schönste Geschichte erzählt Fahimeh Aghili, die gute Seele der Städtepartnerschaft.

    "Meine Tochter Ayeh lebte schon in Freiburg, und mit der Partnerschaft kam es dann zur ersten Ehe zwischen beiden Städten, denn meine Tochter heiratete den Deutschen Jakob Müller."

    Und Fahimeh Aghili sagt noch einen Satz – einen, der den Geist dieser deutsch-iranischen Städtepartnerschaft besonders treffend in Worte fasst.

    "Freiburg ist für mich ein Fenster, eine Öffnung, die für den Frieden und die Freundschaft zwischen den Menschen steht."
    Kinderzeichnungen aus Freiburg
    Kinderzeichnungen aus Freiburg (Dirk Gebhardt/laif)
    Das Freiburg-Zimmer im Digar-Kulturinstitut in Isfahan
    Das Freiburg-Zimmer im Digar-Kulturinstitut in Isfahan (Dirk Gebhardt/laif)
    Musiker in Isfahan
    Musiker in Isfahan (Dirk Gebhardt/laif)