Archiv


"Ein unübersehbares finanzielles Risiko"

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Werner Langen, hat sich gegen ein europäisches Rettungspaket für das angeschlagene Bankensystem ausgesprochen. Mit einem solchen Fonds würden die nationalen Anstrengungen zur Bewältigung der Krise zurückgestellt, sagte Langen. Für die Finanzwirtschaft wäre dies ein unübersehbares Risiko.

Werner Langen im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Nach der deutschen Beruhigungspille für die Sparer verschreibt sich nun auch Europa eine Therapie, um das angeschlagene Vertrauen in die Finanzmärkte wieder herzustellen. Brüssel verbürgt sich für den Erhalt aller wichtigen europäischen Banken und will private Spareinlagen besser schützen. So der Beschluss der europäischen Finanzminister gestern in Luxemburg. Doch der von vielen Seiten geforderte europäische Rettungsfonds nach amerikanischem Vorbild wird nicht kommen. Vor allem Deutschland stellt sich quer. Rezepte gegen die Finanzkrise. Am Telefon nun der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Werner Langen. Guten Morgen!

    Werner Langen: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Herr Langen, wir verhindern große Bankenpleiten und sichern die Spareinlagen. Sind Sie stolz auf die europäischen Finanzminister? Endlich ein großer Beschluss in dieser großen Krise?

    Langen: Dazu gibt es überhaupt keinen Anlass, weil es heute in Europa die ausreichende Koordinierung und Harmonisierung nicht gibt. Das Parlament hat seit langem entsprechende Forderungen erhoben. Bisher haben nationale Egoismen und nationale Aufsichtssysteme das verhindert. Jetzt holt man eigentlich das nach, was seit Jahren notwendig ist: eine gemeinsame Aufsicht, gemeinsame bessere Bilanzierungsregeln und einheitliche Einlagensicherungssysteme und vieles, vieles andere, was trotz vielfältiger Forderungen aus dem Europäischen Parlament bisher weder von der Kommission vorgeschlagen, noch vom Ministerrat mitgetragen wurde.

    Heinlein: Sind Sie denn zuversichtlich, dass unter dem Eindruck dieser Krise diese von Ihnen geforderten Maßnahmen jetzt tatsächlich europaweit kommen werden?

    Langen: Es ist leider in der Politik häufig so, dass erst etwas passieren muss, bevor die notwendige Reaktionsschwelle erreicht ist. Ich glaube, dass wir einvernehmlich vernünftige Lösungen finden können, die allerdings nicht verkennen dürfen, dass die Verantwortung für die Haushaltssteuer und Finanzpolitik in der Europäischen Union nach wie vor dezentral ist, in nationaler Verantwortung. Deshalb ist ein europäischer Fonds nicht geeignet, die Probleme zu lösen.

    Heinlein: Welche Nachteile hätte denn ein europäischer Rettungsfonds nach amerikanischem Vorbild? Dieser wird ja von verschiedenen nationalen EU-Regierungen gefordert.

    Langen: Die nationale Verantwortung für die schon genannte Haushalts- und Finanzpolitik würde dadurch unterlaufen. Man würde die eigenen Anstrengungen zurückstellen. Es gäbe ein unübersehbares finanzielles Risiko. Und da Deutschland in der Europäischen Union der 27 erhebliches Gewicht hat, wirtschaftlich und politisch, würde auf Deutschland ein Mindestanteil von 20 bis 25 Prozent zukommen, auch für Krisen und Hilfsmaßnahmen, die etwa in Großbritannien und Irland notwendig werden, die eine ganz andere, nämlich eine amerikanisch dominierte Philosophie im Bankensektor verfolgt haben. Das kann nicht richtig sein, dass diejenigen, die in den letzten Jahren Harmonisierung verhindert haben, jetzt in der Krise nach der Hilfe der anderen europäischen Staaten rufen und deren finanzielle Kraft beanspruchen wollen. Es ist richtig, dass die Lösungen national gemacht werden, dass sie punktuell gemacht werden, dass es zwar gemeinsame Maßnahmen gibt, um den Gesamtsektor zu stützen. Dass aber alle Fehlentwicklungen - angefangen von den Besoldungssystemen im Bankensektor bis zur mangelnden Transparenz, bis zu der ungeheuer dominierenden Rolle der Rating-Agenturen - jetzt auf Kosten des europäischen Steuerzahlers und damit nicht der Großen, sondern der normalen Menschen gelöst werden sollen, das kann nicht richtig sein.

    Heinlein: Hat denn, Herr Langen, auch die Bundesregierung in der Vergangenheit das Gemeinschaftliche, das von Ihnen geforderte gemeinschaftliche Vorgehen verhindert? Denn gerade die Kanzlerin ist ja jetzt durchaus in der Kritik von den anderen europäischen Regierungen.

    Langen: Wenn man sich das Gerangel anschaut, wer in Deutschland die Verantwortung für die Aufsicht hat, Bundesbank, Bundesfinanzministerium oder die dafür eigentlich eingerichtete BaFin, dann kann man nicht sagen, dass in Deutschland alles zum besten läuft. Es sind viele Fragen, die ungelöst waren. Die Europäische Kommission hat sich seit Jahren geweigert, entsprechende Vorschläge zu machen. Jetzt wo die Krise so gewaltig ist - sie war eigentlich in dieser Dimension vielleicht nicht, aber in der Höhe zu erwarten; die Gier im Bankensektor war größer als die Angst vor Verlusten. Es hat überhaupt keine Transparenz stattgefunden und hohe Renditen mit kurzfristiger Zielsetzung waren die Maßgabe. Hier war zu erwarten, wie es in vielen anderen aufgeblasenen Märkten in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war, dass irgendwann etwas passieren würde. Dass man jetzt so tut, als ob nichts geschehen sei und nichts besonderes möglich sei, das ist weit über die Verantwortung hinaus.

    Heinlein: Herr Langen, ich habe nach Ihrer Meinung als Europaparlamentarier zum Verhalten der Bundesregierung in dieser Krise gefragt. Macht die Kanzlerin in diesen Tagen alles richtig?

    Langen: Die Kanzlerin hat mit dem Finanzminister eine Art politische Garantieerklärung für Spareinlagen abgegeben. Das war wohl in Anbetracht der Unsicherheit, die herrscht, politisch richtig. Gesetzlich muss das ja ohnehin noch verankert werden, wenn es greifen soll. Ich glaube, dass die Bundesregierung hier besonnen gehandelt hat und keine Allgemeingarantien wie etwa in Irland auch für künftige Kredite abgegeben hat, wo diese Garantien das Doppelte des Sozialprodukts der Republik Irland umfassen. Das ist in Deutschland nicht gemacht worden und deshalb war es verantwortungsvoll und richtig, so zu handeln, wie das bisher gemacht wurde.

    Heinlein: Aber dennoch ist das Verhalten der Bundesregierung nicht ein Paradebeispiel für nationale Egoismen, die Sie gerade beklagt haben?

    Langen: Ja, gut. Der Rettungsplan, in dem die Verantwortung auf alle verteilt werden sollte, ohne dass es einheitliche Finanzmarktregeln, einheitliche Aufsichtsregeln gibt, das ist der Anlass für die Kritik, weil Deutschland diesen Plan abgelehnt hat. Aber es ist viel vernünftiger, die nationale Verantwortung zu belassen, koordiniert vorzugehen und die Regeln etwa in der Bilanzierung, in der Eigenkapitalsicherung europaweit endlich anzupassen und eine europäische Finanzmarktaufsicht möglicherweise unter Führung der Europäischen Zentralbank einzurichten. Das ist der vernünftige Weg, aber nicht das Abdrücken der Verantwortung auf eine europäische Ebene, die dafür weder die Finanzmittel noch die entsprechende Finanzmarktverfassung hat.

    Heinlein: Kommen wir, Herr Langen, noch einmal zurück auf die Beschlüsse der europäischen Finanzminister von gestern. Gerettet werden sollen ja, wenn es so kommt, systemrelevante Finanzinstitute. Ist das auch die Kreissparkasse um die Ecke?

    Langen: Ich glaube, dass die deutschen Bankensektoren - wir haben ja ein Drei-Säulen-Modell: die Sparkassen auf der einen Seite, die Raiffeisenbanken auf der anderen, die Privatbanken als dritte Säule -, dass diese deutschen vorsichtigen Bilanzierungsregeln, die Eigenkapitalvorschriften, die Aufsichtsregeln viel besser geeignet sind als die Systeme in anderen Staaten, um den Sparkassensektor von dieser Krise weitestgehend fern zu halten. Nun haben auch Sparkassen Papiere gekauft, deren Inhalt sie nicht exakt wissen. Deshalb sind die Auswirkungen nicht völlig abzuhalten. Aber ich glaube, es gibt überhaupt keinen Grund, das relativ sichere stabile Sparkassen- und Volksbankensystem in Deutschland in Frage zu stellen.

    Heinlein: Aber mit dem Begriff "systemrelevantes Finanzinstitut" können Sie so richtig auch nichts anfangen?

    Langen: Das ist bisher nicht definiert, aber es kann sicher nicht um die Sparkasse um die Ecke gehen.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Werner Langen. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Brüssel.