Müller: Der Trend geht nach unten, deutlich nach unten, auch im November. Das ist neu. Ein positiver Trend. Die Arbeitslosenzahlen sind weiter gesunken. Sie haben die magische Marke von vier Millionen unterschritten.
In Berlin ist nun am Telefon Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Guten Tag!
Schäfer: Guten Tag!
Müller: Herr Schäfer, ein positiver Trend nach unten. Wie groß ist der Anteil der Politik?
Schäfer: Zum größten Teil dürfte der Rückgang, den wir jetzt beobachten können, wohl auf konjunkturelle Faktoren zurückzuführen sein, das heißt den konjunkturellen Aufschwung. Der wiederum hat recht wenig mit der Politik der Bundesregierung zu tun, sondern das rührt hauptsächlich von außenwirtschaftlichen Impulsen her, also dem Export. Wir sehen vielleicht eine kleine Reformrendite in den jüngsten Arbeitslosenzahlen schon drin. Das ist dann allerdings weniger ein Verdienst der aktuellen, als vielmehr ein Verdienst der vorherigen Bundesregierung, die ja immerhin so einige Reformen auf den Weg gebracht hat.
Müller: Franz Müntefering hat jetzt gesagt, der ja nun der neuen Bundesregierung angehört, es ist in erster Linie ein Verdienst der neuen Regierung. Hat er die Dinge da falsch verstanden?
Schäfer: Ich teile diese Auffassung nicht, weil die neue Regierung im Grunde genommen überhaupt keine substanziellen Reformen auf dem Arbeitsmarkt gemacht hat. Wir haben im Wesentlichen zwei Reformen, die zu mehr Beschäftigung und zu weniger Arbeitslosigkeit beitragen können. Das ist zum einen die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, die ja jetzt erst im Februar dieses Jahres voll wirksam geworden ist, und zum zweiten die Hartz-IV-Reform. Das sind beides Reformen, die die alte Regierung noch auf den Weg gebracht hat.
Müller: Schröder war also für die Wirtschaft nicht so schlecht, wie viele immer behauptet haben?
Schäfer: Zumindest was den Bereich der Arbeitsmarktpolitik betrifft, ist die Reformbilanz der Schröder-Regierung bislang besser als die der aktuellen Regierung.
Müller: Was kann, was soll die neue Regierung machen?
Schäfer: Sie muss gar nicht so sehr viel machen. Sie müsste aber doch zusehen, dass sie im Bereich von Hartz IV, also eigentlich unserer größten Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt, nachsteuert, damit diese Reform, die im Grundsatz richtig ist, dann auch voll wirksam werden kann. Dazu gehört zum Beispiel, die Frage der Zuständigkeit zu klären, die ja im Moment noch sehr unglücklich geteilt ist zwischen den Arbeitsagenturen und den Kommunen, und dazu gehört sicherlich auch die Frage, wie der Kombilohn, der ja im Arbeitslosengeld II implizit drin ist, ausgestaltet sein soll.
Müller: Herr Schäfer, gehen wir auf Ihr ursprünglich wichtigstes Argument ein für diesen Aufschwung beziehungsweise für den Abbau der Arbeitslosigkeit. Das ist die Konjunktur. Ist die Bundesregierung schädlich für die konjunkturelle Entwicklung?
Schäfer: Nein, sie ist nicht schädlich für die konjunkturelle Entwicklung. Es ist natürlich schon so, dass wir im nächsten Jahr dank der fiskalischen Maßnahmen, also der Mehrwertsteuererhöhung, schon mit ein paar Bremsspuren bei der Konjunktur werden rechnen müssen. Wir halten den Aufschwung allerdings für stabil genug, dass er auch trägt bis ins nächste Jahr. Das heißt es gibt eine leichte Bremsung, aber es gibt kein Anhalten der wirtschaftlichen Expansion. Wir rechnen auch im nächsten Jahr mit etwa eineinhalb Prozent Wachstum und da der Arbeitsmarkt auch immer ein bisschen mit Verzögerung auf konjunkturelle Impulse reagiert, können wir davon ausgehen, dass wir auch noch bis weit ins nächste Jahr positive Nachrichten vom Arbeitsmarkt hören werden.
Müller: Herr Schäfer, könnte es demnach doch richtig gewesen sein, aus Sicht der Bundesregierung zu sagen, wir haben die Konsolidierung des Haushaltes, also die Sanierung des Haushaltes, in erster Linie im Blick und aufgrund dessen machen wir diese Mehrwertsteuererhöhung?
Schäfer: Die Konsolidierung des Haushaltes ist natürlich richtig, weil sie dadurch künftigen Generationen wirklich auch Zukunftschancen einräumen. Allerdings ist die spannende Frage ja nicht, ob wir konsolidieren sollen, sondern die spannende Frage ist, wie wir konsolidieren und da gibt es sicherlich auch Alternativen zu einer Steuererhöhung. Da könnte man auch darüber nachdenken, ob man nicht auf der Ausgabenseite konsolidiert.
Müller: Was fällt Ihnen da konkret ein?
Schäfer: Man könnte ja zum Beispiel vermeiden, einfach neue Ausgabenprogramme zu machen, wie das mit dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist, was meiner Ansicht nach überhaupt keinen Einfluss auf die Konjunktur haben wird, aber dennoch einige Milliarden kosten wird. Darauf könnte man zum Beispiel gut verzichten. Dann hätte man schon einigen Spielraum gewonnen.
Müller: Aber es sind auch einige Milliarden in diesem Konjunkturprogramm, die dann in die Wirtschaft fließen. Warum hat das keinen Effekt?
Schäfer: Das hat keinen Effekt, weil sie diese Milliarden ja vorher jemandem weggenommen haben. Die fallen ja nicht wie Manna vom Himmel, sondern die haben sie ja vorher durch Steuern erst mal eingesammelt, oder sie haben Schulden dafür gemacht. Das heißt später muss jemand Steuern dafür zahlen, um diese Schulden wieder zurückzahlen zu können. Das merken natürlich die Leute und stellen sich dementsprechend darauf ein. Das heißt, dass letztendlich dadurch kein langfristig tragfähiger Impuls ausgelöst werden kann.
Müller: In dem Korrespondentenbericht aus Nürnberg ist das Stichwort gefallen, was ja derzeit auch in den Fraktionen sehr umstritten ist, nämlich diese Altersteilzeit. Ist das tatsächlich so, dass man das so sagen kann: es ist zunächst mal für die Bilanz ganz schön, Arbeitnehmer ab 55 frühzeitig in diesen Vorruhestand beziehungsweise in die Altersteilzeit zu schicken, aber bezahlen müssen es diejenigen, die arbeiten.
Schäfer: Ja, das ist so. Ich halte das für ein fatales Signal, jetzt die Altersteilzeit noch einmal zu fördern. Wir haben Anreize mit der Altersteilzeit, aber auch mit anderen Instrumenten Anreize gesetzt, dass sich ältere Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsmarkt verabschieden. Auf der anderen Seite werden aber große Anstrengungen unternommen mit vielfältigen Fördermöglichkeiten, ältere Arbeitnehmer im Arbeitsleben zu halten. Das ist einfach völlig widersprüchlich.
Müller: Und die Rente mit 67. Das passt irgendwie nicht zusammen?
Schäfer: Ja, gut. Die Rente mit 67 - das muss man sehen - kommt ja auch erst in vielen Jahren. Das läuft ja erst sehr langsam an. Wir haben im Moment ja eher das Problem, dass das effektive Rentenzugangsalter noch deutlich unterhalb der 65 liegt, die wir dort im Moment haben. Im Moment geht es eher darum, tatsächlich die Möglichkeiten auch auszuschöpfen die wir haben.
Müller: Ist es denn so, Herr Schäfer, dass diejenigen, die jetzt in Altersteilzeit gehen, in Altersteilzeit kommen, keine realistischen Möglichkeiten auf dem Markt mehr haben, aus eigener Kraft zu bestehen?
Schäfer: Das glaube ich nicht! - Das glaube ich nicht! - Ich glaube, dass ein großer Teil der Beschäftigungsprobleme Älterer, die wir zweifellos sehen, auch daher kommt, weil ältere relativ starke Anreize haben, sich zurückzuziehen vom Arbeitsmarkt. Die haben wir damals eingerichtet in der Hoffnung, dass dafür Arbeitsplätze für Jüngere frei werden. Das ist aber ein Trugschluss. Das funktioniert so nicht. Ein funktionierender Arbeitsmarkt bietet Arbeitsplätze für Jüngere und Ältere gleichermaßen.
Müller: Holger Schäfer war das vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!
Schäfer: Bitte!
In Berlin ist nun am Telefon Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Guten Tag!
Schäfer: Guten Tag!
Müller: Herr Schäfer, ein positiver Trend nach unten. Wie groß ist der Anteil der Politik?
Schäfer: Zum größten Teil dürfte der Rückgang, den wir jetzt beobachten können, wohl auf konjunkturelle Faktoren zurückzuführen sein, das heißt den konjunkturellen Aufschwung. Der wiederum hat recht wenig mit der Politik der Bundesregierung zu tun, sondern das rührt hauptsächlich von außenwirtschaftlichen Impulsen her, also dem Export. Wir sehen vielleicht eine kleine Reformrendite in den jüngsten Arbeitslosenzahlen schon drin. Das ist dann allerdings weniger ein Verdienst der aktuellen, als vielmehr ein Verdienst der vorherigen Bundesregierung, die ja immerhin so einige Reformen auf den Weg gebracht hat.
Müller: Franz Müntefering hat jetzt gesagt, der ja nun der neuen Bundesregierung angehört, es ist in erster Linie ein Verdienst der neuen Regierung. Hat er die Dinge da falsch verstanden?
Schäfer: Ich teile diese Auffassung nicht, weil die neue Regierung im Grunde genommen überhaupt keine substanziellen Reformen auf dem Arbeitsmarkt gemacht hat. Wir haben im Wesentlichen zwei Reformen, die zu mehr Beschäftigung und zu weniger Arbeitslosigkeit beitragen können. Das ist zum einen die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, die ja jetzt erst im Februar dieses Jahres voll wirksam geworden ist, und zum zweiten die Hartz-IV-Reform. Das sind beides Reformen, die die alte Regierung noch auf den Weg gebracht hat.
Müller: Schröder war also für die Wirtschaft nicht so schlecht, wie viele immer behauptet haben?
Schäfer: Zumindest was den Bereich der Arbeitsmarktpolitik betrifft, ist die Reformbilanz der Schröder-Regierung bislang besser als die der aktuellen Regierung.
Müller: Was kann, was soll die neue Regierung machen?
Schäfer: Sie muss gar nicht so sehr viel machen. Sie müsste aber doch zusehen, dass sie im Bereich von Hartz IV, also eigentlich unserer größten Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt, nachsteuert, damit diese Reform, die im Grundsatz richtig ist, dann auch voll wirksam werden kann. Dazu gehört zum Beispiel, die Frage der Zuständigkeit zu klären, die ja im Moment noch sehr unglücklich geteilt ist zwischen den Arbeitsagenturen und den Kommunen, und dazu gehört sicherlich auch die Frage, wie der Kombilohn, der ja im Arbeitslosengeld II implizit drin ist, ausgestaltet sein soll.
Müller: Herr Schäfer, gehen wir auf Ihr ursprünglich wichtigstes Argument ein für diesen Aufschwung beziehungsweise für den Abbau der Arbeitslosigkeit. Das ist die Konjunktur. Ist die Bundesregierung schädlich für die konjunkturelle Entwicklung?
Schäfer: Nein, sie ist nicht schädlich für die konjunkturelle Entwicklung. Es ist natürlich schon so, dass wir im nächsten Jahr dank der fiskalischen Maßnahmen, also der Mehrwertsteuererhöhung, schon mit ein paar Bremsspuren bei der Konjunktur werden rechnen müssen. Wir halten den Aufschwung allerdings für stabil genug, dass er auch trägt bis ins nächste Jahr. Das heißt es gibt eine leichte Bremsung, aber es gibt kein Anhalten der wirtschaftlichen Expansion. Wir rechnen auch im nächsten Jahr mit etwa eineinhalb Prozent Wachstum und da der Arbeitsmarkt auch immer ein bisschen mit Verzögerung auf konjunkturelle Impulse reagiert, können wir davon ausgehen, dass wir auch noch bis weit ins nächste Jahr positive Nachrichten vom Arbeitsmarkt hören werden.
Müller: Herr Schäfer, könnte es demnach doch richtig gewesen sein, aus Sicht der Bundesregierung zu sagen, wir haben die Konsolidierung des Haushaltes, also die Sanierung des Haushaltes, in erster Linie im Blick und aufgrund dessen machen wir diese Mehrwertsteuererhöhung?
Schäfer: Die Konsolidierung des Haushaltes ist natürlich richtig, weil sie dadurch künftigen Generationen wirklich auch Zukunftschancen einräumen. Allerdings ist die spannende Frage ja nicht, ob wir konsolidieren sollen, sondern die spannende Frage ist, wie wir konsolidieren und da gibt es sicherlich auch Alternativen zu einer Steuererhöhung. Da könnte man auch darüber nachdenken, ob man nicht auf der Ausgabenseite konsolidiert.
Müller: Was fällt Ihnen da konkret ein?
Schäfer: Man könnte ja zum Beispiel vermeiden, einfach neue Ausgabenprogramme zu machen, wie das mit dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist, was meiner Ansicht nach überhaupt keinen Einfluss auf die Konjunktur haben wird, aber dennoch einige Milliarden kosten wird. Darauf könnte man zum Beispiel gut verzichten. Dann hätte man schon einigen Spielraum gewonnen.
Müller: Aber es sind auch einige Milliarden in diesem Konjunkturprogramm, die dann in die Wirtschaft fließen. Warum hat das keinen Effekt?
Schäfer: Das hat keinen Effekt, weil sie diese Milliarden ja vorher jemandem weggenommen haben. Die fallen ja nicht wie Manna vom Himmel, sondern die haben sie ja vorher durch Steuern erst mal eingesammelt, oder sie haben Schulden dafür gemacht. Das heißt später muss jemand Steuern dafür zahlen, um diese Schulden wieder zurückzahlen zu können. Das merken natürlich die Leute und stellen sich dementsprechend darauf ein. Das heißt, dass letztendlich dadurch kein langfristig tragfähiger Impuls ausgelöst werden kann.
Müller: In dem Korrespondentenbericht aus Nürnberg ist das Stichwort gefallen, was ja derzeit auch in den Fraktionen sehr umstritten ist, nämlich diese Altersteilzeit. Ist das tatsächlich so, dass man das so sagen kann: es ist zunächst mal für die Bilanz ganz schön, Arbeitnehmer ab 55 frühzeitig in diesen Vorruhestand beziehungsweise in die Altersteilzeit zu schicken, aber bezahlen müssen es diejenigen, die arbeiten.
Schäfer: Ja, das ist so. Ich halte das für ein fatales Signal, jetzt die Altersteilzeit noch einmal zu fördern. Wir haben Anreize mit der Altersteilzeit, aber auch mit anderen Instrumenten Anreize gesetzt, dass sich ältere Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Arbeitsmarkt verabschieden. Auf der anderen Seite werden aber große Anstrengungen unternommen mit vielfältigen Fördermöglichkeiten, ältere Arbeitnehmer im Arbeitsleben zu halten. Das ist einfach völlig widersprüchlich.
Müller: Und die Rente mit 67. Das passt irgendwie nicht zusammen?
Schäfer: Ja, gut. Die Rente mit 67 - das muss man sehen - kommt ja auch erst in vielen Jahren. Das läuft ja erst sehr langsam an. Wir haben im Moment ja eher das Problem, dass das effektive Rentenzugangsalter noch deutlich unterhalb der 65 liegt, die wir dort im Moment haben. Im Moment geht es eher darum, tatsächlich die Möglichkeiten auch auszuschöpfen die wir haben.
Müller: Ist es denn so, Herr Schäfer, dass diejenigen, die jetzt in Altersteilzeit gehen, in Altersteilzeit kommen, keine realistischen Möglichkeiten auf dem Markt mehr haben, aus eigener Kraft zu bestehen?
Schäfer: Das glaube ich nicht! - Das glaube ich nicht! - Ich glaube, dass ein großer Teil der Beschäftigungsprobleme Älterer, die wir zweifellos sehen, auch daher kommt, weil ältere relativ starke Anreize haben, sich zurückzuziehen vom Arbeitsmarkt. Die haben wir damals eingerichtet in der Hoffnung, dass dafür Arbeitsplätze für Jüngere frei werden. Das ist aber ein Trugschluss. Das funktioniert so nicht. Ein funktionierender Arbeitsmarkt bietet Arbeitsplätze für Jüngere und Ältere gleichermaßen.
Müller: Holger Schäfer war das vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!
Schäfer: Bitte!