Gerhards: Guten Morgen Frau Sanders.
Sanders: Erst sah es aus wie eine Drohung von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Dann kam gestern schnell die Richtigstellung, auch durch den Bundeskanzler persönlich. Er sagte, daß die Förderung der neuen Länder - Zitat - in angemessener Weise - Zitat Ende - fortgesetzt werden würde. Was heißt denn aus Ihrer Sicht in angemessener Art und Weise?
Gerhards: Ich will einmal so sagen: Unser gegenwärtiges Fördervolumen, was wir vom Solidarpakt bekommen, macht etwa ein Viertel unseres Landeshaushaltes aus. Das ist schon seit einigen Jahren so. Wir haben in den letzten Jahren Haushalte von rund 20 Milliarden plus/minus ein paar Millionen und werden das auch weiter so haben. Wir haben gegenwärtig aus den verschiedenen Töpfen, die mit dem Solidarpakt zusammenhängen, rund vier Milliarden, die wir vom Bund bekommen. Ohne dieses Geld wären wir nicht in der Lage gewesen und werden es in den nächsten Jahren auch nicht sein, den Nachholbedarf, den wir noch haben, um endlich auf ein halbwegs vernünftiges westdeutsches Niveau zu kommen, hinzukriegen. Das heißt, wir brauchen auch in den nächsten Jahren noch Transfers in etwa dieser Höhe.
Sanders: Was glauben Sie denn, wieviel Jahre dieser Nachholbedarf noch vorhanden sein wird?
Gerhards: Jedenfalls geht er deutlich über 2004 hinaus, und dann endet ja zunächst einmal das, was im Solidarpakt festgelegt worden ist. Wir werden Anschlußregelungen brauchen für noch eine weitere längere Periode. Der Solidarpakt hat eine Laufzeit von zehn Jahren gehabt. Es sind sich alle einig, daß die Voraussetzungen schlechter sind als wir es 1995 gedacht haben. Die wesentlichen Regelungen des Solidarpaktes sind - das ist so vereinbart worden - im vergangenen Jahr von allen Ländern und vom Bund überprüft worden. Dabei ist gemeinsam festgestellt worden, daß man die Leistungen nicht etwa schon reduzieren kann, wie das ursprünglich mal gedacht worden ist, sondern daß wir sie auf absehbare Zeit noch weiterführen müssen. Vielleicht nicht im gleichen Umfang - und damit rechnen wir im Ernst nicht -, und man wird auch nicht davon ausgehen können, daß alles genauso weitergeführt wird wie bisher. Man muß sich vielleicht stärker konzentrieren. Man muß es vielleicht auch regional sorgfältiger aufgliedern und sehen, wo in den verschiedenen ostdeutschen Ländern die unterschiedlichen Probleme sind. Wir werden einstweilen aber nicht auf die Transfers verzichten können.
Sanders: Sie haben es gerade angesprochen. Sie glauben nicht, daß die Förderung im selben Umfang weitergehen könnte. Auf wieviel Geld könnte denn Ihr Land verzichten?
Gerhards: Wenn man über so etwas verhandelt, wird man nicht vorher schon sagen, wo der Endpunkt sein kann. Das müssen Sie verstehen.
Sanders: Ihr Ministerpräsident, Herr Höppner, hat sich völlig zufrieden mit dem Sparpaket der Bundesregierung gezeigt. Sie auch?
Gerhards: Ich weiß ja, was er gesagt hat, und ich weiß, was nicht herübergekommen ist. Wir sind zufrieden damit, daß der Bund nun endlich mit dem Sparpaket anfängt, seine Finanzen zu sanieren, so wie wir das hier im Lande auch getan haben. Denn das ist richtig - insofern hat Hans Eichel auch ganz Recht mit seiner Verknüpfung -, es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang. Gerade wenn wir in den nächsten Jahren den Solidarpakt fortführen wollen, geht das im wesentlichen mit Mitteln des Bundes. Das was wir von den anderen Ländern bisher und künftig über Länderfinanzausgleich und andere Regelungen bekommen wird nicht ausreichen. Wir sind in Ostdeutschland im wesentlichen darauf angewiesen, daß der Bund seine Leistungen fortsetzt, und das kann er nun mal nur, wenn er endlich anfängt, seine Finanzen zu sanieren. Ohne einen starken Bund haben wir gar keinen Partner, der uns helfen kann. Deshalb sind wir zufrieden damit und finden es auch richtig, daß Hans Eichel mit dem 30-Milliarden-Paket nun endlich damit anfängt. Allerdings muß ich sagen - und das haben wir immer deutlich gemacht und werden das auch weiterhin tun, aber darüber reden wir zunächst einmal miteinander und nicht übereinander -, allerdings gibt es eine Reihe von Punkten. Über die wird man diskutieren müssen, und die werden sicherlich nicht alle am Ende so durchgehen, wie das jetzt im Paket enthalten ist.
Sanders: Ist der Osten genügend berücksichtigt in diesem Sparpaket?
Gerhards: Ja!
Sanders: Ganz und gar?
Gerhards: Wissen Sie, es gibt ein paar Punkte, die tun allen Ländern weh. Das sind eine Reihe von Verschiebungen, wo der Bund sich auf Kosten der Länder und insbesondere der Kommunen Luft verschafft. Das tut uns im Osten hier und da besonders weh. Ich habe aber etwas dagegen, daß man immer auf irgendwelche Reflexe sofort losschimpft und sagt, das ist Erpressung, das ist Sauerei und die Renten sind alle miserabel finanziert. Das ist nicht so, wenn man sich das näher anguckt. Es ist richtig, daß der Aufholprozeß schwierig ist, aber gerade bei dem Rententhema, von dem immer wieder manche Leute so gerne reden, muß man sich die Situation der Rentner heute und wie sie in DDR-Zeiten war und die Situation der Beschäftigten heute und der Beschäftigten zu DDR-Zeiten anschauen. Da muß man sagen, daß die Rentner trotz aller Einschränkungen, die ihnen vielleicht zugemutet werden, die Bevölkerungsgruppe sind, der es inzwischen relativ am besten geht.
Sanders: Sie haben sich vor gar nicht allzu langer Zeit für eine Vermögenssteuer und auch eine Novellierung der Erbschaftssteuer eingesetzt. Also sehen Sie offenbar doch ein Gerechtigkeitsdefizit im Sparpaket?
Gerhards: Wir haben hier im Landtag, als der Haushalt für das laufende Jahr 1999 verabschiedet worden ist, eine gemeinsame Entschließung mit Landtagsmehrheit hinbekommen, will ich mal sagen, in der als einer der Punkte, die zu machen sind, SPD und PDS vereinbart haben, daß eine Vermögensbesteuerung erfolgen soll, aktiviert werden soll, daß es dazu auch eine Initiative des Landes und der Landesregierung geben soll. Das werden wir auch angehen. Vermögensbesteuerung heißt nicht unbedingt Vermögenssteuer. Es kann auch heißen, daß man bei der Erbschaftssteuer nun ein oder zwei Schritte nach vorne geht.
Sanders: Herr Gerhards, Sie waren - ich habe es eingangs gesagt - ehemals stellvertretender Bundesgeschäftsführer der SPD. Es gibt Spekulationen, daß Franz Müntefering wieder an die Spitze der Parteizentrale zurückkehren soll. Sie waren damals auch im Team. Würden Sie auch wieder ins Team zurückgehen wollen?
Gerhards: Nein. Ich habe eine ganz andere Aufgabe. Das war für eine begrenzte Zeit eine Aufgabe, die ich übernommen habe. Ich bin jetzt hier seit anderthalb Jahren in meiner jetzigen Funktion und habe auch nicht die Absicht, hier schnell wieder aufzuhören.
Sanders: Sind Sie denn mit der Arbeit des Bundesgeschäftsführers Ottmar Schreiner zufrieden?
Gerhards: Was ich da höre, das ist ein bißchen ungerecht. Das geht, glaube ich, weniger gegen Ottmar Schreiner, oder da dürfte es weniger gegen Ottmar Schreiner gehen, sondern es geht - und das muß man nach vorne bringen - darum, wie die SPD ihre Arbeit vernünftig organisiert. Dann ist allerdings das, was ich höre, der richtige Schritt. Die SPD leidet strukturell an einem Fehler in ihrer Satzung. Der Bundesvorstand der SPD ist organisiert wie ein kleiner Ortsverein. Das heißt, man traut eigentlich keinem außer dem Schatzmeister oder im Ortsverein dem Kassierer. Der hat im Zweifel immer ein Vetorecht. So können sie einen kleinen Ortsverein führen; so können sie aber nicht eine Partei mit fast über einer Million Mitglieder führen. Das ist inzwischen ein professioneller Verein. Da muß man jemanden an der Spitze haben, der auch unabhängig von Finanzfragen die Richtung vorgibt, die von allen festgelegt worden ist. Dann ist der Schritt zur Einstellung eines Generalsekretärs der richtige Weg, und ich hoffe, daß das auch der Weg ist, der begangen wird. Das hat mit der Person noch gar nichts zu tun.
Sanders: Das war Wolfgang Gerhards, der Finanzminister von Sachsen-Anhalt und Sozialdemokrat. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Sanders: Erst sah es aus wie eine Drohung von Bundesfinanzminister Hans Eichel. Dann kam gestern schnell die Richtigstellung, auch durch den Bundeskanzler persönlich. Er sagte, daß die Förderung der neuen Länder - Zitat - in angemessener Weise - Zitat Ende - fortgesetzt werden würde. Was heißt denn aus Ihrer Sicht in angemessener Art und Weise?
Gerhards: Ich will einmal so sagen: Unser gegenwärtiges Fördervolumen, was wir vom Solidarpakt bekommen, macht etwa ein Viertel unseres Landeshaushaltes aus. Das ist schon seit einigen Jahren so. Wir haben in den letzten Jahren Haushalte von rund 20 Milliarden plus/minus ein paar Millionen und werden das auch weiter so haben. Wir haben gegenwärtig aus den verschiedenen Töpfen, die mit dem Solidarpakt zusammenhängen, rund vier Milliarden, die wir vom Bund bekommen. Ohne dieses Geld wären wir nicht in der Lage gewesen und werden es in den nächsten Jahren auch nicht sein, den Nachholbedarf, den wir noch haben, um endlich auf ein halbwegs vernünftiges westdeutsches Niveau zu kommen, hinzukriegen. Das heißt, wir brauchen auch in den nächsten Jahren noch Transfers in etwa dieser Höhe.
Sanders: Was glauben Sie denn, wieviel Jahre dieser Nachholbedarf noch vorhanden sein wird?
Gerhards: Jedenfalls geht er deutlich über 2004 hinaus, und dann endet ja zunächst einmal das, was im Solidarpakt festgelegt worden ist. Wir werden Anschlußregelungen brauchen für noch eine weitere längere Periode. Der Solidarpakt hat eine Laufzeit von zehn Jahren gehabt. Es sind sich alle einig, daß die Voraussetzungen schlechter sind als wir es 1995 gedacht haben. Die wesentlichen Regelungen des Solidarpaktes sind - das ist so vereinbart worden - im vergangenen Jahr von allen Ländern und vom Bund überprüft worden. Dabei ist gemeinsam festgestellt worden, daß man die Leistungen nicht etwa schon reduzieren kann, wie das ursprünglich mal gedacht worden ist, sondern daß wir sie auf absehbare Zeit noch weiterführen müssen. Vielleicht nicht im gleichen Umfang - und damit rechnen wir im Ernst nicht -, und man wird auch nicht davon ausgehen können, daß alles genauso weitergeführt wird wie bisher. Man muß sich vielleicht stärker konzentrieren. Man muß es vielleicht auch regional sorgfältiger aufgliedern und sehen, wo in den verschiedenen ostdeutschen Ländern die unterschiedlichen Probleme sind. Wir werden einstweilen aber nicht auf die Transfers verzichten können.
Sanders: Sie haben es gerade angesprochen. Sie glauben nicht, daß die Förderung im selben Umfang weitergehen könnte. Auf wieviel Geld könnte denn Ihr Land verzichten?
Gerhards: Wenn man über so etwas verhandelt, wird man nicht vorher schon sagen, wo der Endpunkt sein kann. Das müssen Sie verstehen.
Sanders: Ihr Ministerpräsident, Herr Höppner, hat sich völlig zufrieden mit dem Sparpaket der Bundesregierung gezeigt. Sie auch?
Gerhards: Ich weiß ja, was er gesagt hat, und ich weiß, was nicht herübergekommen ist. Wir sind zufrieden damit, daß der Bund nun endlich mit dem Sparpaket anfängt, seine Finanzen zu sanieren, so wie wir das hier im Lande auch getan haben. Denn das ist richtig - insofern hat Hans Eichel auch ganz Recht mit seiner Verknüpfung -, es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang. Gerade wenn wir in den nächsten Jahren den Solidarpakt fortführen wollen, geht das im wesentlichen mit Mitteln des Bundes. Das was wir von den anderen Ländern bisher und künftig über Länderfinanzausgleich und andere Regelungen bekommen wird nicht ausreichen. Wir sind in Ostdeutschland im wesentlichen darauf angewiesen, daß der Bund seine Leistungen fortsetzt, und das kann er nun mal nur, wenn er endlich anfängt, seine Finanzen zu sanieren. Ohne einen starken Bund haben wir gar keinen Partner, der uns helfen kann. Deshalb sind wir zufrieden damit und finden es auch richtig, daß Hans Eichel mit dem 30-Milliarden-Paket nun endlich damit anfängt. Allerdings muß ich sagen - und das haben wir immer deutlich gemacht und werden das auch weiterhin tun, aber darüber reden wir zunächst einmal miteinander und nicht übereinander -, allerdings gibt es eine Reihe von Punkten. Über die wird man diskutieren müssen, und die werden sicherlich nicht alle am Ende so durchgehen, wie das jetzt im Paket enthalten ist.
Sanders: Ist der Osten genügend berücksichtigt in diesem Sparpaket?
Gerhards: Ja!
Sanders: Ganz und gar?
Gerhards: Wissen Sie, es gibt ein paar Punkte, die tun allen Ländern weh. Das sind eine Reihe von Verschiebungen, wo der Bund sich auf Kosten der Länder und insbesondere der Kommunen Luft verschafft. Das tut uns im Osten hier und da besonders weh. Ich habe aber etwas dagegen, daß man immer auf irgendwelche Reflexe sofort losschimpft und sagt, das ist Erpressung, das ist Sauerei und die Renten sind alle miserabel finanziert. Das ist nicht so, wenn man sich das näher anguckt. Es ist richtig, daß der Aufholprozeß schwierig ist, aber gerade bei dem Rententhema, von dem immer wieder manche Leute so gerne reden, muß man sich die Situation der Rentner heute und wie sie in DDR-Zeiten war und die Situation der Beschäftigten heute und der Beschäftigten zu DDR-Zeiten anschauen. Da muß man sagen, daß die Rentner trotz aller Einschränkungen, die ihnen vielleicht zugemutet werden, die Bevölkerungsgruppe sind, der es inzwischen relativ am besten geht.
Sanders: Sie haben sich vor gar nicht allzu langer Zeit für eine Vermögenssteuer und auch eine Novellierung der Erbschaftssteuer eingesetzt. Also sehen Sie offenbar doch ein Gerechtigkeitsdefizit im Sparpaket?
Gerhards: Wir haben hier im Landtag, als der Haushalt für das laufende Jahr 1999 verabschiedet worden ist, eine gemeinsame Entschließung mit Landtagsmehrheit hinbekommen, will ich mal sagen, in der als einer der Punkte, die zu machen sind, SPD und PDS vereinbart haben, daß eine Vermögensbesteuerung erfolgen soll, aktiviert werden soll, daß es dazu auch eine Initiative des Landes und der Landesregierung geben soll. Das werden wir auch angehen. Vermögensbesteuerung heißt nicht unbedingt Vermögenssteuer. Es kann auch heißen, daß man bei der Erbschaftssteuer nun ein oder zwei Schritte nach vorne geht.
Sanders: Herr Gerhards, Sie waren - ich habe es eingangs gesagt - ehemals stellvertretender Bundesgeschäftsführer der SPD. Es gibt Spekulationen, daß Franz Müntefering wieder an die Spitze der Parteizentrale zurückkehren soll. Sie waren damals auch im Team. Würden Sie auch wieder ins Team zurückgehen wollen?
Gerhards: Nein. Ich habe eine ganz andere Aufgabe. Das war für eine begrenzte Zeit eine Aufgabe, die ich übernommen habe. Ich bin jetzt hier seit anderthalb Jahren in meiner jetzigen Funktion und habe auch nicht die Absicht, hier schnell wieder aufzuhören.
Sanders: Sind Sie denn mit der Arbeit des Bundesgeschäftsführers Ottmar Schreiner zufrieden?
Gerhards: Was ich da höre, das ist ein bißchen ungerecht. Das geht, glaube ich, weniger gegen Ottmar Schreiner, oder da dürfte es weniger gegen Ottmar Schreiner gehen, sondern es geht - und das muß man nach vorne bringen - darum, wie die SPD ihre Arbeit vernünftig organisiert. Dann ist allerdings das, was ich höre, der richtige Schritt. Die SPD leidet strukturell an einem Fehler in ihrer Satzung. Der Bundesvorstand der SPD ist organisiert wie ein kleiner Ortsverein. Das heißt, man traut eigentlich keinem außer dem Schatzmeister oder im Ortsverein dem Kassierer. Der hat im Zweifel immer ein Vetorecht. So können sie einen kleinen Ortsverein führen; so können sie aber nicht eine Partei mit fast über einer Million Mitglieder führen. Das ist inzwischen ein professioneller Verein. Da muß man jemanden an der Spitze haben, der auch unabhängig von Finanzfragen die Richtung vorgibt, die von allen festgelegt worden ist. Dann ist der Schritt zur Einstellung eines Generalsekretärs der richtige Weg, und ich hoffe, daß das auch der Weg ist, der begangen wird. Das hat mit der Person noch gar nichts zu tun.
Sanders: Das war Wolfgang Gerhards, der Finanzminister von Sachsen-Anhalt und Sozialdemokrat. Ich danke Ihnen für das Gespräch.