Doris Simon: Herr Laschet, löst dieser neue Dachverband das Problem des fehlenden Ansprechpartners?
Armin Laschet: Ich denke, ja. Er löst es jedenfalls so, dass die Verbände nicht mehr untereinander mit unterschiedlichen Stimmen sprechen und der Staat jetzt weiß, mit wem kann man denn über die wichtigen, den Islam betreffenden Fragen sprechen, und da der Vorsitz auch jedes halbe Jahr wechselt, gibt es da auch eine Kontinuität, so dass ich denke, dass war ein wichtiger Tag für den Dialog mit dem Islam in Deutschland.
Simon: Diese vier Organisationen repräsentieren aber nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland. Außerdem gehören alle vier eher dem traditionell bis sehr konservativen Spektrum an. Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass Sie, dass die deutsche Öffentlichkeit da künftig etwas für repräsentativ hält, was nur für eine Minderheit spricht?
Laschet: Na ja, das Grundproblem natürlich, dass der Islam als solcher nicht verfasst ist wie die Kirchen, die wir bei uns kennen, wo man Mitglied einer Kirche ist oder auch austreten kann, und dann weiß man, für was diese Kirche steht. Der Islam kennt das nicht. Die Verbände sind eigentlich auch nur eine Form, die so in Deutschland gewählt ist. Man hat eher das umgekehrte Problem: Viele gehen in die Moscheegemeinde, aber sie sind nicht Mitglied in einem Verband. Nur: Andere Ansprechpartner gibt es nicht. Es gibt drei Millionen Muslime in Deutschland, die sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sind. Es gibt auch viele säkulare Muslime, die nicht gläubig sind, die nicht in die Moschee gehen, aber sich trotzdem als Muslime verstehen, und da wird man nie einen Ansprechpartner finden, der für alle sprechen kann, und insofern muss der Staat eigentlich froh sein, dass die Verbände, die es gibt und die bisher sehr unterschiedlich auch gesprochen haben, nun wenigstens gemeinschaftlich auftreten. Aber Sie haben Recht, lösen wird das die Frage der Repräsentanz letztlich auch nicht, und deshalb ja Wolfgang Schäuble in der Islamkonferenz auch weiterhin vor, Muslime, die nicht diesen Verbänden angehören, ebenfalls zu beteiligen, um eine gewisse Vielfalt auch innerhalb des Islam mit aufnehmen zu können.
Simon: Sie sprachen die säkularen Muslime in Deutschland an. Es ist ja von der deutschen Politik immer wieder eine Säkularisierung des Islams hier gefordert worden. Diese vier Vereine, Organisationen in dem neuen Dachverband sind nun gerade das Gegenteil. Ist das ein Problem?
Laschet: Ich würde nicht sagen, sie sind das Gegenteil. Der Staat kann eigentlich nicht fordern, dass jemand säkularisiert ist und seinen Glauben nicht praktiziert, sondern der Staat kann fordern, dass der, der seinen Glauben leben will, ihn aber auf einer Basis lebt, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist, und insofern sind natürlich die vier Verbände eher die, die für einen sehr gläubigen, auch einen sehr konservativen, wie man sagen kann, Islam stehen. Aber das sind ja auch die, die dann über bestimmte Fragen mit dem Staat verhandeln wollen. Wem seine Religion nicht mehr wichtig ist, der wird wahrscheinlich auch nicht über die Frage des Religionsunterrichts sprechen wollen. Aber die, die einen Religionsunterricht beispielsweise einführen wollen, müssen sich ja irgendwie strukturieren, um mit dem Staat verhandeln zu können, und für die ist halt ein solcher Zusammenschluss wichtig.
Simon: Sie sagten, es wird auch weiterhin mit den nicht organisierten Muslimen gesprochen. Den Alleinvertretungsanspruch, den dieser neu gegründete Dachverband aufrechterhält, den sehen Sie nicht gegeben?
Laschet: Nein. Alleinvertretungsanspruch kann er nicht haben. Er ist vor allem - und das ist der Unterschied zu den Kirchen, und das ist rechtlich eine sehr komplizierte Sache, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist - nicht mitgliedschaftlich organisiert, also Sie können nicht eintreten oder austreten, sondern es ist lediglich ein Zusammenschluss von vier Verbänden. Das ist aber immerhin ein wichtiger Schritt, der es ermöglicht, weiterhin zu einer legitimen Vertretung der Muslime zu gehen. Wir haben beispielsweise hier in Nordrhein-Westfalen vor, in Köln und Duisburg in einem Modellversuch einmal eine örtliche Schura zu wählen, das heißt eine Vertretung der Muslime, die demokratisch legitimiert von unten gewachsen ist. In den Moscheegemeinden würden dann die Vertreter gewählt, die nachher für die Stadt, für die beiden Städte - in diesem Fall Duisburg und Köln - repräsentativ sprechen können. Das wäre ein weiterer Schritt, aber auch da haben Sie das Problem, wer nicht in die Moschee geht, wer nicht mit wählt, ist dann ebenfalls nicht erfasst. Und das ist natürlich das Problem bei jeder Institution, die nicht so fest organisiert ist wie unsere Kirche.
Simon: Das klingt aber aus Ihrem Mund, Herr Laschet, so ein bisschen, als sei das ein Problem, was sich auf absehbare Zeit nicht lösen lassen würde.
Laschet: Nein, das lässt sich nicht lösen, weil die drei Millionen Menschen, die man als Muslime rechnet, ganz unterschiedliche Menschen sind mit ganz unterschiedlicher Herkunft, zum Teil auch aus ganz unterschiedlichen Ländern. Nur: Dass wir jetzt wenigstens einen Ansprechpartner haben derer, die organisiert sind, ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt, und wir sind am Beginn eines Weges und noch lange nicht am Ende.
Simon: Ich sagte anfangs, es geht vor allem um traditionelle, aber eben auch konservative Organisationen, die zu diesem Dachverband gehören. Die Organisation Milli Görus wird ja vom Verfassungsschutz Ihres Bundeslandes Nordrhein-Westfalen beobachtet. Als Mitglied des Islamrates ist Milli Görus jetzt quasi über die Hintertür mit dabei im neuen Koordinierungsrat. Ist das für Sie ein Problem?
Laschet: Ja, aber sie sind nur sehr indirekt natürlich dabei. Als Institution wird Milli Görus in der Tat beobachtet, aber mit Vertretern ist sie beispielsweise auch an der Islamkonferenz beteiligt. Und man kann nicht sagen, jedes einzelne Mitglied von Milli Görus ist nun ein Verfassungsfeind. So einfach ist die Rechnung auch nicht. Indem man jemanden beobachtet, heißt es ja noch nicht, dass man mit ihm nicht spricht. Meines Wissens wird die PDS auch in manchen Bundesländern beobachtet, und trotzdem spricht man mit Herrn Lafontaine in Podiumsdiskussionen. Aber man muss diese Trenngrenze auch zu einem Islam, der mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, sehr sorgsam beobachten. Das ist bei dem Koordinierungsrat und den vier Verbänden kein Problem, aber bei der Islamkonferenz ist es eine ganz wichtige Frage, wie kann eine Religion ihre Religion ausüben auf der Basis des Grundgesetzes, wo jeder akzeptieren muss, das Grundgesetzt ist die höchste Instanz und nicht die eigene Religion. Und da, denke ich, haben wir auch noch ebenfalls viele Jahre vor uns, um das abschließend zu klären.
Armin Laschet: Ich denke, ja. Er löst es jedenfalls so, dass die Verbände nicht mehr untereinander mit unterschiedlichen Stimmen sprechen und der Staat jetzt weiß, mit wem kann man denn über die wichtigen, den Islam betreffenden Fragen sprechen, und da der Vorsitz auch jedes halbe Jahr wechselt, gibt es da auch eine Kontinuität, so dass ich denke, dass war ein wichtiger Tag für den Dialog mit dem Islam in Deutschland.
Simon: Diese vier Organisationen repräsentieren aber nur einen Bruchteil der Muslime in Deutschland. Außerdem gehören alle vier eher dem traditionell bis sehr konservativen Spektrum an. Für wie groß halten Sie die Gefahr, dass Sie, dass die deutsche Öffentlichkeit da künftig etwas für repräsentativ hält, was nur für eine Minderheit spricht?
Laschet: Na ja, das Grundproblem natürlich, dass der Islam als solcher nicht verfasst ist wie die Kirchen, die wir bei uns kennen, wo man Mitglied einer Kirche ist oder auch austreten kann, und dann weiß man, für was diese Kirche steht. Der Islam kennt das nicht. Die Verbände sind eigentlich auch nur eine Form, die so in Deutschland gewählt ist. Man hat eher das umgekehrte Problem: Viele gehen in die Moscheegemeinde, aber sie sind nicht Mitglied in einem Verband. Nur: Andere Ansprechpartner gibt es nicht. Es gibt drei Millionen Muslime in Deutschland, die sehr unterschiedliche Persönlichkeiten sind. Es gibt auch viele säkulare Muslime, die nicht gläubig sind, die nicht in die Moschee gehen, aber sich trotzdem als Muslime verstehen, und da wird man nie einen Ansprechpartner finden, der für alle sprechen kann, und insofern muss der Staat eigentlich froh sein, dass die Verbände, die es gibt und die bisher sehr unterschiedlich auch gesprochen haben, nun wenigstens gemeinschaftlich auftreten. Aber Sie haben Recht, lösen wird das die Frage der Repräsentanz letztlich auch nicht, und deshalb ja Wolfgang Schäuble in der Islamkonferenz auch weiterhin vor, Muslime, die nicht diesen Verbänden angehören, ebenfalls zu beteiligen, um eine gewisse Vielfalt auch innerhalb des Islam mit aufnehmen zu können.
Simon: Sie sprachen die säkularen Muslime in Deutschland an. Es ist ja von der deutschen Politik immer wieder eine Säkularisierung des Islams hier gefordert worden. Diese vier Vereine, Organisationen in dem neuen Dachverband sind nun gerade das Gegenteil. Ist das ein Problem?
Laschet: Ich würde nicht sagen, sie sind das Gegenteil. Der Staat kann eigentlich nicht fordern, dass jemand säkularisiert ist und seinen Glauben nicht praktiziert, sondern der Staat kann fordern, dass der, der seinen Glauben leben will, ihn aber auf einer Basis lebt, die mit dem Grundgesetz vereinbar ist, und insofern sind natürlich die vier Verbände eher die, die für einen sehr gläubigen, auch einen sehr konservativen, wie man sagen kann, Islam stehen. Aber das sind ja auch die, die dann über bestimmte Fragen mit dem Staat verhandeln wollen. Wem seine Religion nicht mehr wichtig ist, der wird wahrscheinlich auch nicht über die Frage des Religionsunterrichts sprechen wollen. Aber die, die einen Religionsunterricht beispielsweise einführen wollen, müssen sich ja irgendwie strukturieren, um mit dem Staat verhandeln zu können, und für die ist halt ein solcher Zusammenschluss wichtig.
Simon: Sie sagten, es wird auch weiterhin mit den nicht organisierten Muslimen gesprochen. Den Alleinvertretungsanspruch, den dieser neu gegründete Dachverband aufrechterhält, den sehen Sie nicht gegeben?
Laschet: Nein. Alleinvertretungsanspruch kann er nicht haben. Er ist vor allem - und das ist der Unterschied zu den Kirchen, und das ist rechtlich eine sehr komplizierte Sache, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist - nicht mitgliedschaftlich organisiert, also Sie können nicht eintreten oder austreten, sondern es ist lediglich ein Zusammenschluss von vier Verbänden. Das ist aber immerhin ein wichtiger Schritt, der es ermöglicht, weiterhin zu einer legitimen Vertretung der Muslime zu gehen. Wir haben beispielsweise hier in Nordrhein-Westfalen vor, in Köln und Duisburg in einem Modellversuch einmal eine örtliche Schura zu wählen, das heißt eine Vertretung der Muslime, die demokratisch legitimiert von unten gewachsen ist. In den Moscheegemeinden würden dann die Vertreter gewählt, die nachher für die Stadt, für die beiden Städte - in diesem Fall Duisburg und Köln - repräsentativ sprechen können. Das wäre ein weiterer Schritt, aber auch da haben Sie das Problem, wer nicht in die Moschee geht, wer nicht mit wählt, ist dann ebenfalls nicht erfasst. Und das ist natürlich das Problem bei jeder Institution, die nicht so fest organisiert ist wie unsere Kirche.
Simon: Das klingt aber aus Ihrem Mund, Herr Laschet, so ein bisschen, als sei das ein Problem, was sich auf absehbare Zeit nicht lösen lassen würde.
Laschet: Nein, das lässt sich nicht lösen, weil die drei Millionen Menschen, die man als Muslime rechnet, ganz unterschiedliche Menschen sind mit ganz unterschiedlicher Herkunft, zum Teil auch aus ganz unterschiedlichen Ländern. Nur: Dass wir jetzt wenigstens einen Ansprechpartner haben derer, die organisiert sind, ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt, und wir sind am Beginn eines Weges und noch lange nicht am Ende.
Simon: Ich sagte anfangs, es geht vor allem um traditionelle, aber eben auch konservative Organisationen, die zu diesem Dachverband gehören. Die Organisation Milli Görus wird ja vom Verfassungsschutz Ihres Bundeslandes Nordrhein-Westfalen beobachtet. Als Mitglied des Islamrates ist Milli Görus jetzt quasi über die Hintertür mit dabei im neuen Koordinierungsrat. Ist das für Sie ein Problem?
Laschet: Ja, aber sie sind nur sehr indirekt natürlich dabei. Als Institution wird Milli Görus in der Tat beobachtet, aber mit Vertretern ist sie beispielsweise auch an der Islamkonferenz beteiligt. Und man kann nicht sagen, jedes einzelne Mitglied von Milli Görus ist nun ein Verfassungsfeind. So einfach ist die Rechnung auch nicht. Indem man jemanden beobachtet, heißt es ja noch nicht, dass man mit ihm nicht spricht. Meines Wissens wird die PDS auch in manchen Bundesländern beobachtet, und trotzdem spricht man mit Herrn Lafontaine in Podiumsdiskussionen. Aber man muss diese Trenngrenze auch zu einem Islam, der mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, sehr sorgsam beobachten. Das ist bei dem Koordinierungsrat und den vier Verbänden kein Problem, aber bei der Islamkonferenz ist es eine ganz wichtige Frage, wie kann eine Religion ihre Religion ausüben auf der Basis des Grundgesetzes, wo jeder akzeptieren muss, das Grundgesetzt ist die höchste Instanz und nicht die eigene Religion. Und da, denke ich, haben wir auch noch ebenfalls viele Jahre vor uns, um das abschließend zu klären.