Ein YouTube-Video und seine Folgen
Rezo revisited. Eine Fallstudie

Rezo, Lisa Sophie Laurent und Stefan Schulz berichten, wie sie mit neuen Formaten politische Themen aufbereiten und ihre Zielgruppe für politische Themen begeistern.

    Die Aufnahme zeigt den Youtuber Rezo mit blauen Haaren und Baseballmütze.
    YouTuber Rezo: Sein CDU-kritisches Video sorgte für eine Debatte (dpa / Privat)
    Es wurde seit seiner Veröffentlichung im Mai über 16 Millionen mal betrachtet: das knapp einstündige Video "Die Zerstörung der CDU" des Aachener Videobloggers Rezo. Ein halbes Jahr später diskutierten die Youtuberin Lisa Sophie Laurent, der Soziologe und Podcaster Stefan Schulz auf der #Formate19-Konferenz mit ebendiesem Rezo über Differenzen und Perspektiven zwischen Journalismus und der Youtube-Welt.
    Rezo: Dachte nicht, "dass es so viele Leute gucken"
    Zunächst sprach Moderatorin Katharina Hamberger mit dem per Video zugeschalteten Rezo über die Genese seines aufsehenerregenden Films. Politisiert durch den Widerstand gegen die EU-Urheberrechtsreform habe Rezo diesen über Wochen mit losen Stichpunkten und Recherchen vorbereitet, aber auch mit Assistenz seines Cutters "TJ" und Hinweisen von Youtuber Tilo Jung. Aufgrund der hohen Informationsdichte habe Rezo nicht gedacht, "dass es so viele Leute gucken".
    Faktengesättigte Polemik oder pure Logik?
    Als Journalismus würde Rezo sein Video nicht bezeichnen, ebensowenig als "keinen Journalismus". Polemisch sei das Video aber nicht, sondern mit einer sinnvollen Argumentation geführt. Zwar hätten auch Polemiker im Netz eine hohe Reichweite, genauso wie unter Boulevardmedien, aber er selbst habe seine Reichweite "sinnvoll genutzt", so Rezo. Eine Partei wollte er damit nicht niedermachen oder zerstören, vielmehr seinen Eindruck schildern, dass sich die CDU selbst zerstöre. Die Kritik, dass es sich nach Hauptstadtpresse-Standards um eine einseitige, wenig journalistische Publikation handle, kann Rezo verstehen, aber er hätte darin klar mit Fakten und Argumenten hantiert und sei aufgrund seines Mathematikstudiums ohnehin "besser in Logik ausgebildet" als es Journalisten seien.
    Schwierig, die Neutralität aufrecht zu erhalten
    Lisa Sophia Laurent, die unter anderem für das Öffentlich-Rechtliche funk-Netzwerk Beiträge über Umwelt- und Digitalisierung und Bildungsthemen publiziert, sieht in der Youtube-Welt andere Regeln und Ansprechhaltungen. Um Reichweite zu erzielen, brauche es dort beispielsweise mehr Dramatik - Mainstream-Youtube sei vorwiegend ein Unterhaltungsangebot mit sporadischen Ausflügen in die Politik. Das läge auch daran, dass Politik-Videos dort oft "demonetarisiert" würden, also mangels Werbung keine für die Autoren nötigen Werbeeinnahmen erzielen. Und wenn sich die Youtuberin Diana zu Löwen für einen Tag mit CDU-Politiker Philipp Amthor treffe, oder wenn Influencer zu Parteitagen eingeladen würden, sei es für diese jungen Youtuber natürlich schwierig, die Neutralität aufrecht zu erhalten und mit umfangreichem politischem Wissen zu bestehen. Laurent sieht durchaus wachsende Bemühungen auf der Seite der traditionellen Medien, die Netz-Zielgruppen zu erreichen - auch wegen Rezo. Ein Dialog zwischen den beiden Welten sei sinnvoll - müsse aber gestaltet werden.
    Polemikvorwürfe sind falsch
    Stefan Schulz konsumiert und kommentiert in seinem Podcast öffentlich-rechtliche Abendnachrichten aus der Publikumsperspektive. Aus dieser, fast auch aus akademischer Sichtweise sei Rezos Video eine durchaus respektable, faktenbasierte Arbeit und mehr als private Meinungsäußerung. Nicht jeder, der politische Themen aufgreife oder öffentlich diskutiere, müsse gleich ein Journalist sein, Polemikvorwürfe seien insofern falsch. Wenn junge Menschen das Smartphone zeitintensiver nutzen, um sich über unterschiedlichste Youtube-Kanälen zu informieren als jemals über eine Zeitung, gelten die alten Zeitungs-Objektivitätsregeln weniger: da es so viele, pluralistische Netzpublikationen mit unterschiedlichen Blickwinkeln auf dieselben Themen und Personen gebe, um sich umfassend zu informieren.
    Gewisse Lernkurve bei den Parteien festzustellen
    "Die Zerstörung der CDU" habe mehrere Zielgruppen erreicht, so Schulz. Bei den Parteien stellt der ehemalige FAZ-Redakteur eine gewisse Lernkurve fest, die etwa in "auffällig peinliche" Entgegnungsversuche münde, oder in Influencer-Ecken auf Parteitagen. Auch der Journalismus müsse vom Netz lernen und als Ergänzung zu seinem klassischen Handwerk das Finden und Aufbauen von Reichweite studieren. Gerade der Öffentliche-Rundfunk solle aufhören mit dem "Gelächel" über Youtube, und stattdessen versuchen, das Netz praktisch und wissenschaftlich in Hinblick auf neue Formate und Prinzipien "auszubeuten": um selbst viele neue Formate und Prinzipien zu erproben.
    Die Teilnehmer:
    Rezo
    Der YouTuber Rezo
    Der YouTuber Rezo (Marc Walocha)
    Rezo studierte Informatik an der TU Dortmund und hat 2017 seinen Master abgeschlossen. Er ist seitdem als Webvideoproduzent, Informatiker und Musiker tätig. Mit dem Video „Die Zerstörung der CDU“ hat er irgendwie die Regierung angezündet. War aber nicht bös gemeint.
    Twitter: @rezomusik. YouTube: Rezo ja lol ey
    Stefan Schulz
    Stefan Schulz
    Stefan Schulz (Felix Kling)
    Stefan Schulz studierte Soziologie an der Universität Bielefeld. Gemeinsam mit Kommilitonen gründete er 2008 das Blog "Sozialtheoristen". Frank Schirrmacher holte ihn 2011 zur "FAZ", wo er bis zu Schirrmachers Tod schrieb. 2014 lernte Schulz bei einem Interview für die "FAZ" Tilo Jung kennen. Seit April 2015 produzieren beide den Podcast "Aufwachen!", in dem sie sich kritisch mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehnachrichten auseinandersetzen. 2015 erschien von ihm das Buch "Redaktionsschluss" im Carl Hanser Verlag, das mit einem Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik ausgezeichnet wurde. Derzeit arbeitet er an dem Buchprojekt "Rentnerrepublik". Twitter: @friiyo
    Lisa Sophie Laurent
    Lisa Sophie Laurent
    Lisa Sophie Laurent (Boris Lehnfeld)
    Lisa Sophie Laurent ist YouTuberin, Autorin, Journalistin und Moderatorin.
    Seit 2010 produziert sie Content auf ihrem YouTube-Kanal, in dem sie Themen wie Selbstexperimente, Minimalismus, Nachhaltigkeit, vegane Ernährung, Fair Fashion, Body Positivity und noch viele mehr behandelt. Neben ihrem eigenen YouTube-Kanal ist sie zudem noch Moderatorin des Rundfunkanstalten (ARD & ZDF) Kanals "Auf Klo" und studiert abseits der online Welt Psychologie und Politik. Twitter: @LisaSLaurent
    Katharina Hamberger
    Katharina Hamberger, Korrespondentin im Hauptstadtstudio des Deutschlandradios
    Katharina Hamberger, Korrespondentin im Hauptstadtstudio des Deutschlandradios (Deutschlandradio / Anja Schäfer)
    Katharina Hamberger berichtet seit August 2012 als Korrespondentin aus dem Hauptstadtstudio des Deutschlandradios. Ihre Themenschwerpunkte sind Innenpolitik, Migration und Integration sowie Landwirtschaftspolitik. Zudem beobachtet sie die CSU und CDU. Geboren ist Katharina Hamberger im bayerischen Altötting. Nach ihrem Bachelorstudium in Regensburg (Medienwissenschaft und Politikwissenschaft), zog Katharina Hamberger nach Hamburg und machte dort ihren Master in Journalismus an der Hamburg Media School. Nach ihrem Abschluss volontierte sie beim Deutschlandradio. Twitter: @Nirthak