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Einblicke in dunkle Kapitel

Der Herbst ist bekanntermaßen die Zeit für die Literatur: Für die kürzeren und frostigeren Tage lohnt es sich zu schauen, was die Verlage an Neuerscheinungen bereithalten und in Frankfurt auf der Buchmesse präsentieren. Im Bereich der Sportliteratur wurde noch nie so eindringlich und lautstark über den Zusammenhang von Depression und Leistungsdruck veröffentlicht.

Von Jessica Sturmberg |
    Die wohl größte Aufmerksamkeit der sportliterarischen Werke dieses Herbstes erhält das Buch von Ronald Reng: "Robert Enke - Ein allzu kurzes Leben". Der Journalist hatte sich mit dem früheren Nationaltorhüter und seiner Familie angefreundet, dadurch Einblicke und Dokumente erhalten, die er nun in seinem Buch verwertet. Es ist nicht nur eine Biografie über Robert Enke, sondern zugleich die Dokumentation seiner Depressionserkrankung, die mit dem Suizid vor gut einem Jahr endete.

    Dem Zusammenhang zwischen Leistungsdruck und Depression geht die frühere Weltklassesprinterin und Dopinggeschädigte Ines Geipel in ihrem Buch "Seelenriss" auf den Grund. Auch sie beschäftigt sich mit Enkes Tod, nimmt diesen aber zum Ausgangspunkt einer ausführlichen Analyse der gesellschaftlichen Umstände, die dazu führen, dass Depression ein immer häufigeres Krankheitsbild ist.

    Nachdenklich stimmt auch die Lektüre des Werks der beiden österreichischen Autoren Erich Vogl und Norbert Bachl "Der Mensch von morgen". In fiktiven Geschichten wird beschrieben, welche verheerenden Folgen leistungssteigernde Pharmamittel haben und welche Geschäfte sich zudem im Hintergrund dabei abspielen. Ausgangspunkt ist die Affäre um die Wiener Blutbank Humanplasma.

    Die medizinischen Ausführungen im Buch sind zwar teilweise schwere Kost, doch gewinnt der Leser einen guten Einblick in die dunklen Machenschaften. Gerade im Zuge der gerade aufkochenden Affäre um dubiose Finanzgebaren bei der Salzburger Olympiabewerbung interessierten sich immer mehr Menschen für diese Recherchen, auch wenn diese gar nicht im Buch thematisiert sind, sagt Melchior Müller, Programmleiter beim herausgebenden Verlag Ueberreuter. Das habe sich aber erst nach und nach so entwickelt, ...

    " ... weil Sport in Österreich heilig ist und hier natürlich Denkmäler angegriffen werden, die für manche Leute unvorstellbar sind, dass die irgendetwas Verbotenes tun würden."

    Ein komplettes Kontrastprogramm ist das Buch von Rolf Töpperwien zum Ende seiner Karriere als ZDF-Fußballreporter. Der mittlerweile 60jährige Pensionär erzählt in seiner Autobiografie "Von Braunschweig bis Hannover" seine Laufbahn nach. Geschrieben ganz im Stil seiner Reportagen, die sich dadurch auszeichneten, so Lektor Florian Legner vom Rotbuch-Verlag, ...

    " ... dass er versucht hat, seine Leidenschaft für den Fußball als Fan den Zuschauern und Zuhörern zu vermitteln. Das ist natürlich der Streit möchte ich mal sagen, der Rolf Töpperwien Zeit seiner Karriere begleitet der Vorwurf der mangelnden Distanz und darüber äußert er sich auch im Buch."

    Indem er argumentiert, dass schließlich auch seine Kritiker Zitate von Spielern verwendet hätten, die er eingefangen habe. Bereits im Vorwort stellt er klar, dass der "Habitus des grundsätzlich kritisch eingestellten Reporters ihm während seiner ganzen Karriere fremd geblieben" sei.

    Zündstoff enthält das zweibändige Werk von Bayern-Trainer Louis Van Gaal. Band 1 ist seine Biographie, Band 2 enthält seine Vision. Die deutsche Übersetzung des niederländischen Originals ist um zwei Kapitel erweitert, mit kritischen Äußerungen über die Vereinskultur des FC Bayern:

    "Ich bin immer offen, an meinem Gesicht kann man ablesen, wie ich mich fühle, ich sage, was ich denke und den nächsten Tag weiß ich noch exakt, was ich gesagt habe."
    Und so scheut der 59-Jährige sich auch nicht zu monieren, dass die Meinungen von Ex-Spielern im Bayern-Vorstand zu viel Gewicht hätten.

    Für die Freunde der Fußball-Nostalgie gibt es ein neues Nachschlagewerk: Die 100 wichtigsten Tore der Welt, inklusive einem Tor, das nicht zählte, aber ganz deutlich eines war.

    "Unter der Überschrift fast das 2:2 in der 38. Spielminute im WM-Achtelfinale Deutschland -England, das 4:1. Das Tor ist natürlich auch drin, wird beschrieben und es ist bildlich auch dargestellt."

    erläutert Christian Ludewig vom Verlag Delius Klasing.

    Legenden eignen sich immer für Hochglanzwerke. Fritz Walter wäre Ende des Monats 90 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass bringt der Werkstatt-Verlag unter dem Titel "Fritz Walter. Kapitän für Deutschland", eine großformatige Festschrift, heraus.

    Ein Überblick über die Bücher:

    Ronald Reng: Robert Enke. Ein allzu kurzes Leben
    Piper Verlag, München 2010, 427 Seiten, 19,95 Euro

    Ines Geipel: Seelenriss. Depression und Leistungsdruck
    Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010, 238 Seiten, 18,95 Euro

    Norbert Bachl / Erich Vogl. Der Mensch von morgen
    Carl Ueberreuter Verlag, Wien 2010, 192 Seiten , 19,95 Euro

    Rolf Töpperwien. Von Braunschweig bis Johannesburg
    Rotbuch Verlag, Berlin 2010, 272 Seiten, 19,95 Euro

    Louis Van Gaal. Biographie und Vision
    Visie Sport, Dresden 2010, 280 und 168 Seiten sowie DVD, 49,95 Euro

    Thomas Lötz, Reinaldo Coddou H., Die 100 wichtigsten Tore der Welt
    Delius Klasing, Bielefeld 2010, 144 Seiten, 106 Fotos, 19,90 Euro

    Fritz Walter. Kapitän für Deutschland
    1.FC Kaiserslautern, DFB, Fritz-Walter-Stiftung (Hrsg.)
    Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2010, 208 Seiten, 29,90 Euro.