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"Eine arrangierte Wahl"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz, kritisierte die aktuelle Präsidentschaftswahl im Iran als undemokratisch und arrangiert. Schon im Vorfeld habe der iranische Wächterrat zahlreiche Kandidaten nicht zugelassen, sagte der CDU-Politiker. Amtsinhaber Ahmadinedschad könne sich zudem sehr viel stärker in den Medien präsentieren als seine Herausforderer.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Ulrich Pick berichtete über die Präsidentenwahlen im Iran, die am Morgen begonnen haben. Erst im April hatte Ahmadinedschad für einen Eklat auf der Anti-Rassismus-Konferenz der UNO in Genf gesorgt: Er griff dort westliche Staaten, die UNO und Israel an.

    Ahmadinedschad: "Sie haben geholfen, [und] - unter dem Vorwand des jüdischen Leides - das grausamste und rassistischste Regime überhaupt in Palästina an die Macht zu bringen. Der Sicherheitsrat hat geholfen, dieses Besatzungsregime zu stabilisieren, hat ihnen freie Hand gegeben, ihre Verbrechen fortzusetzen."

    Engels: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Antiisraelische Äußerungen wie diese hatten zur Isolierung des Irans in den vergangenen vier Jahren beigetragen. Vertreter der Bundesregierung waren auch deshalb der Konferenz in Genf ferngeblieben. Langjähriger Irankenner und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag ist Ruprecht Polenz, CDU. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Polenz!

    Ruprecht Polenz: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Wenn Sie solche Äußerungen hören - können Sie sich vorstellen, vier weitere Jahre mit einem Präsidenten Ahmadinedschad irgendwie eine Arbeitsebene zu finden?

    Polenz: Ich hoffe, dass wir das nicht müssen, aber die Entscheidung ist schwer vorherzusagen und es ist wohl im Augenblick eher so etwas wie ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ahmadinedschad und Mussawi. Aber der Iran ist immer schon bei solchen Entscheidungen für manche Überraschung gut gewesen und am Samstag wissen wir mehr.

    Aber ich hoffe natürlich schon, dass wir diese unerträglichen Provokationen - und Sie haben ja nur ein Beispiel gezeigt - in der Zukunft von einem iranischen Präsidenten nicht mehr hören müssen.

    Engels: Wir haben ja einen sehr hart geführten Wahlkampf zwischen Präsident Ahmadinedschad und Herausforderer Mussawi gesehen; er ähnelte zwischenzeitlich einer Schlammschlacht. Sind denn die Gräben im Iran tatsächlich so tief, wie die Formulierungen der Spitzenkandidaten vermuten lassen?

    Polenz: Ich glaube schon, dass es inzwischen eine gewisse Polarisierung gibt, sonst wäre auch die Mobilisierung im Wahlkampf nicht so erkennbar, wie wir sie über Fernsehbilder aus dem Iran miterleben können.

    Mussawi ist es gelungen, vor allen Dingen auch jüngere Wähler und vor allen Dingen auch Wählerinnen zu mobilisieren. Das liegt auch daran, dass ihm seine Frau sichtbar im Wahlkampf mithilft. Das ist etwas Neues im Iran. Aber wir sollten eins nicht vergessen: Es ist nicht unbedingt so etwas, was man eine demokratische Wahl nennen könnte. Ich würde es eine arrangierte Wahl nennen, was dort jetzt stattfindet.

    Engels: Die Medien berichten vor allem über den Amtsinhaber. Sie sprechen von einer Art arrangierten Wahl. Woran machen Sie das fest? Kann man angesichts dieser Vorfestlegung, die tendenziell schon für Ahmadinedschad sprach, überhaupt von einem fairen Wahlkampf sprechen?

    Polenz: Zunächst einmal hat der Wächterrat - Sie haben es in dem Vorbericht gesagt - die allermeisten Kandidaten gar nicht zur Wahl zugelassen. Vor allen Dingen auch aus den Reihen der Frauen durfte niemand kandidieren, obwohl das die iranische Verfassung natürlich zulässt.

    Nach welchen Kriterien der Wächterrat hier entschieden hat, bleibt völlig im Dunkeln; und es sind eben nun vier, die ins Rennen gehen durften. Das ist nicht demokratisch, das sollten wir festhalten. Das Zweite: Wir haben einen ungleichen Zugang zu den Medien, insbesondere zu den elektronischen Medien, die ganz klar den Amtsinhaber bevorzugen. Auch das ist wenig demokratisch.

    Auf der anderen Seite gibt es schon die Möglichkeit, jetzt zu entscheiden zwischen verschiedenen Kandidaten; und so sehen es offensichtlich auch die Iraner, denn es wird mit einer vergleichsweise hohen Wahlbeteiligung gerechnet.

    Engels: Zumindest gab es Fernsehdebatten zwischen den Kandidaten. Das ist etwas Neues für den Iran. Zeigt es auf der anderen Seite trotz der Beeinträchtigungen, dass die individuelle Freiheit in der islamischen Republik Iran in den letzten Jahren soweit gewachsen ist, dass man diesen Prozess nicht mehr zurückdrehen kann?

    Polenz: Es zeigt zunächst vor allem einmal, dass man bestimmte Elemente, die die Iraner über das Fernsehen etwa vom amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf mitbekommen haben, dass man die auch zu Hause vorführen will und damit natürlich dieser arrangierten Wahl, ich sage es noch mal so, den Anschein einer demokratischen Wahl geben will.

    Zum Zweiten: Ja, es wäre im Iran sicherlich nicht möglich, dass man nur einen Kandidaten etwa präsentiert bekäme oder daneben nur jemanden, der beim besten Willen überhaupt nicht wählbar ist, und wo das Ergebnis von vornherein feststeht.

    Aber eins sollten wir über all dem auch nicht vergessen: Es wird nicht über den mächtigsten Menschen im Iran heute abgestimmt - beziehungsweise, wer das werden soll. Das ist und bleibt der geistige Führer und der zieht die Fäden.

    Engels: Bislang hat ja auch keiner der chancenreichen Präsidentschaftskandidaten im Iran erkennen lassen, dass er bei dem Hauptkonfliktthema mit dem Westen, nämlich beim Atomprogramm, irgendwie bereit wäre nachzugeben. Bleibt hier also auch nach der Wahl die Lage so festgefahren wie bisher?

    Polenz: Das glaube ich aus einem anderen Grunde nicht, denn es liegt ja das Gesprächsangebot der Amerikaner auf dem Tisch. Und jeder geht eigentlich davon aus, dass nach den Präsidentschaftswahlen auch eine iranische Antwort erfolgen wird.

    Und wenn die USA und der Iran in direkte Gespräche kommen - was sie seit über drei Jahrzehnten nicht sind -, dann kann daraus eine Bewegung auch im Nuklearkonflikt erfolgen, aber Sie haben recht, die vier Kandidaten haben sich jetzt im Wahlkampf nicht in irgendeiner Weise geäußert, die hier auf eine Kursänderung von vornherein hindeuten würde.

    Aber ich glaube, wegen der offensichtlichen Belastung, die aus den Hassreden Ahmadinedschads für Gespräche mit einer Regierung unter seiner Präsidentschaft resultieren, wären wahrscheinlich die Gespräche mit einem Mussawi als Präsidenten atmosphärisch leichter zu führen. Ob sie es in der Substanz sind, muss man sehen.

    Engels: Keine Bewegung vielleicht beim Atomprogramm, aber atmosphärisch - für welche anderen möglichen Bewegungen steht denn ein möglicher Präsident Mussawi?

    Polenz: Er bündelt jetzt Hoffnung, die sich einst mit dem Präsidenten Khatami verbunden haben bei jungen Menschen, bei Frauen. Allerdings wurden sie von Khatami enttäuscht. Und wer sich an die Zeit seiner Präsidentschaft erinnert, der weiß auch, dass gerade ihm gegenüber Chamenei, der geistige Führer, Reformanstrengungen immer wieder konterkariert hat; Beispiel Pressefreiheit: Wenn Khatami hier großzügiger war, hat Chamenei die Zeitung schließen lassen. Khatami hat dann wieder dafür gesorgt, dass sie unter einem anderen Namen wieder eröffnet werden konnte.

    Das ist dann unter Ahmadinedschad unterblieben, insofern auch zu Ihrer vorigen Frage: Die Freiheit im Iran hat in den letzten vier Jahren nicht zugenommen.

    Engels: Ruprecht Polenz, CDU, er ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, vielen Dank für das Gespräch!

    Polenz: Bitte schön, Frau Engels!