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"Eine Art Weltmacht"

Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, macht die weltweite Konzentration in der Energiebranche für die vor Ostern drastisch gestiegenen Kraftstoffpreise an deutschen Tankstellen verantwortlich. Die Kette von Preiserhöhungen in den vergangenen Wochen sei kein Zufall. "Es ist eben so auf einem hochmonopolisierten Markt, auf dem der Wettbewerb fehlt", sagte der SPD-Politiker.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Alle Jahre mehrfach wieder: Die Ferienzeit naht, und die Benzinpreise gehen in die Höhe. Nur diesmal ist der Preissprung rekordverdächtig: um sieben Cent in den letzten zwei Tagen. Die Begründungen dafür sind vielfältig wie immer. Mal füllen die US-Amerikaner ihre strategischen Ölreserven auf, dann ist es der Atomkonflikt mit dem Iran, der Wirbelsturm Katrina, die Unruhen in Nigeria und vieles, vieles mehr. Das Ergebnis ist immer gleich: Der Autofahrer muss mehr zahlen.

    Am Telefon begrüße ich den SPD-Politiker Michael Müller. Er ist Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Guten Tag, Herr Müller!

    Michael Müller: Guten Tag!

    Breker:! Herr Müller glauben Sie an den Zufall, dass diese Preiserhöhungen immer in die Ferienzeit fallen?

    Müller: Die einzige Frage, die ich mir immer stelle: Ist es an Weihnachten, sind es die großen Ferien oder ist es Ostern. Aber man kann davon ausgehen: Wenn diese drei Daten anstehen, dann passiert immer etwas und meistens an den Tankstellen mit erheblichen Preissteigerungen.

    Breker: Das kann doch kein Zufall sein.

    Müller: Ich glaube, es geht einer voran und die anderen folgen. Das ist natürlich kein Zufall, aber es ist eben so auf einem hochmonopolisierten Markt, auf dem der Wettbewerb fehlt.

    Breker: Es werden eben halt von diesem monopolisierten Markt aber die Marktmechanismen immer zitiert, und zwar die, die gerade passen. Aber eines steht fest: Es geht nicht nach dem Prinzip Einkaufspreis plus Gewinnspanne, sondern es geht nach dem Prinzip, mal gucken, was der Markt hergibt.

    Müller: Das kann man ja auch an den Gewinnmargen dieser Unternehmen absehen. Es hat einen erheblichen Konzentrationsprozess gegeben, und es hat weit überdurchschnittliche Gewinnmargen gegeben. Es ist halt so: Energie- und vor allem Ölkonzerne, das ist eine Art Weltmacht, die auch bisher immer in der Lage ist, ihre Interessen durchzusetzen. Man muss schon sehen, als Nationalstaat gerät man da schnell an Grenzen. Die Frage ist aber und die ist dann auch wichtig, ob nicht die Europäische Union insgesamt ein Gegengewicht schaffen kann, zumal ja ein Großteil der Weltmacht Energie europäischen Ursprungs ist.

    Breker: Energie, Herr Müller, ist ein derartig wichtiges Gut, dass man angesichts dieser Preisspirale nach oben doch mal langsam fragen muss, kann man das eigentlich, die Energie, kann man die dem freien Markt überlassen?

    Müller: Das ist natürlich eine gewichtige Frage, vor allem vor dem Hintergrund von zunehmenden Knappheiten. Aber ich wüsste nicht, wie man das verändern kann. Das ist ja eines der Probleme, über das wir schon seit Jahren nachdenken und auch den intensiven Dialog mit den Unternehmen suchen. Denn das ist ja oft sehr kurzsichtig, was da gemacht wird.

    Ich stelle mir beispielsweise schon seit einiger Zeit die Frage was passiert, wenn die Ölquellen zur Neige gehen, vor allem dann auf dem Weltmarkt? Führt das zu Preisexplosionen oder führt das zum Übergang auf andere Energieträger? Aus meiner Sicht muss man aber die Warnsignale ernst nehmen. Das sind keine vorübergehenden Probleme, sondern wir müssen sehr viel klarer machen, was bedeutet beispielsweise eine Kraftstoffstrategie, die sehr viel mehr auf Biokraftstoffe setzt. Was bedeutet das beispielsweise für ein gemeinsames Vorgehen der EU? Wie sieht eine energiepolitische Strategie aus, die vor allem auch die Krisenregion im Nahen Osten entschärft, und vieles andere mehr.

    Breker: Das ist natürlich grundsätzlich richtig, Herr Müller. Wir müssen uns langfristig überlegen, welche anderen Energien wir nutzen können, und alternative Energien kommen da ins Spiel. Aber im Moment, derzeit hat man doch den Eindruck, die Energieversorger sind einfach nur auf Gewinne aus und so viel wie eben geht.

    Müller: Ja klar. Trotzdem ist das, was ich sage, nicht langfristig, sondern wir müssen aus meiner Sicht in diesem Jahrzehnt zu einer wirklich signifikanten, also sehr deutlichen Steigerung in einer industriellen Kraftstoffstrategie kommen. Also wir müssen den Beimischungsanteil stark nach oben bringen. Das ist keine langfristige Sache, das muss sehr schnell gehen. Das andere ist natürlich – ich sage es noch einmal – die Auseinandersetzung mit dieser Weltmacht Energie. Wir haben eben nicht nur Staaten, wir haben auch große Konzerne, die unheimliche Macht haben und die man einerseits im Dialog versuchen muss zu binden, aber auf der anderen Seite, wo man auf europäischer Ebene beispielsweise durch eine Veränderung der Bezahlung oder der Abrechnung von Öl, in der man der Frage des Kartellrechts, in der man auch der Frage, ob es nicht gemeinsame Effizienzstrategien gibt, entgegenwirken muss. Und da haben Sie völlig Recht: Da wird oft mehr darüber geredet als getan.

    Breker: Wir haben jetzt ja ein aktuelles Beispiel. Also im Interesse der Kyoto-Vereinbarung gibt es jetzt den Emissionsschutzhandel, und was ist das Ergebnis für den Verbraucher? Eigentlich immer das gleiche. Kaum werden die Ansprüche erhöht, dann sagen die Energieversorger gut, das geben wir weiter an den Verbraucher. Dann zahlt der halt mehr.

    Müller: Ja, das ist eines dieser Probleme. Und dem werden wir uns auch nur entgegenstellen können, wenn wir zu einer drastischen Senkung der Energieverbräuche kommen. Das ist eines der Grundziele, die wir jetzt haben müssen. Wir müssen gucken, wie man mit immer weniger Energie hinkommt, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen Gründen.
    Aber wir haben ja auch erlebt beispielsweise bei der Ökosteuer. Die Ökosteuer hat den großen Vorteil: Seit der Ökosteuer sinkt eindeutig der Kraftstoffverbrauch in der Bundesrepublik. Aber auf der anderen Seite wurde es auch massiv ausgenutzt. Die Ökosteuer hat damals unter D-Mark-Zeiten noch sechs Pfennig plus einen Pfennig Mehrwertsteuer, also sieben Pfennig ausgemacht. Aber in der Regel wurde der Benzinpreis um zehn, elf Pfennig angehoben. Da sieht man die Preissetzungsmacht.

    Breker: Und so kann sich, Herr Müller, die Regierung dann auch jedes Mal zum Prügelknaben machen, denn gerade der hohe Steueranteil zum Beispiel auf Benzin, der auf jeder Tankstelle auch steht, macht dem Autofahrer klar: Hier kassiert die Bundesregierung mit. Das heißt, die Politik wird eigentlich zum Prügelknaben, obwohl es die Energieversorger, in dem Fall die Mineralölunternehmen, sein sollten.

    Müller: Ja, das ist eines der Ärgernisse in dieser ganzen Frage. Es ist aber einfach so, dass wir aus meiner Sicht auch langfristige Strategien entwickeln müssen, wie man dort mehr Stabilität hineinbringt. Ich halte es beispielsweise für eine große Vision, dass man versucht, ein kooperatives, für stabile Preise ausgerichtetes Modell hinbekommt zwischen dem technologiestarken Westeuropa und dem rohstoffreichen Russland. Darin sehe ich beispielsweise eine Chance, um dämpfend zu wirken, wenn diese beiden Fähigkeiten, also der Rohstoffreichtum und die Technologiestärke, in Europa zusammenkommt und damit ein eigenes Gewicht schafft. Denn wir müssen ja wissen: Die Mehrheit der Importe kommt ja gar nicht aus den OPEC-Ländern bei Öl in Deutschland, sondern eher aus Russland und anderen Regionen.

    Breker: Das war in den "Informationen am Mittag" der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, der SPD-Politiker Michael Müller. Herr Müller, danke für dieses Gespräch.

    Müller: Kein Problem. Alles Gute,