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Eine Bühne für die AfD
"Wir werden um das Gespräch nicht herumkommen"

Sollte man mit Parteien wie der AfD diskutieren? Er werde sich jedem Diskurs entziehen, der mit Hass, Gewaltandrohung und Rechtsbruch zu tun habe, erklärte der Intendant des Düsseldorfer Schauspielhauses, Winfried Schulz, im DLF. Aber: "Ich würde mich auch jedem Diskurs stellen, wenn Leute anders denken und dies vernünftig vertreten."

Winfried Schulz im Gespräch mit Michael Kölher |
    Der designierte Intendant des Schauspielhauses Düsseldorf, Wilfried Schulz für die Fotografen.
    Der Düsseldorfer Schauspiel-Intendant Winfried Schulz glaubt, dass man langfristig nicht um einen Diskurs mit der AfD herumkommt. Das sagte er im DLF. (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Michael Köhler: Theater sind innerstädtische Diskurs-Orte, die nicht nur Repertoire spielen. Sie greifen in Debatten ein, stiften sie, begleiten sie. Wie öffentlich mit der AfD umgehen, wie reagieren Theater und öffentliche Diskurs-Orte auf die Herausforderungen durch die Neue Rechte?
    Mitte März wurde am Theater Gessnerallee in Zürich eine Diskussionsveranstaltung mit "AfD- Parteiphilosoph" Marc Jongen nach hundertfachen Protesten aus der Kulturszene abgesagt. Der AfD sollte nicht das schicke Kultursiegel zu Anerkennung verhelfen. Paradoxerweise hilft die Verhinderung des Auftritts auch (zu noch mehr) Popularität. An der Wiener Burg ist eine Veranstaltung mit AfD-Vize Alexander Gauland für den 2. April abgesagt worden.
    Wir haben Wilfried Schulz, den langjährigen Dresdner Theaterchef und gegenwärtigen Intendanten des Düsseldorfer Schauspielhauses gefragt: Warum die Absagen? Trauen sich die Theaterleute nicht, oder befinden Sie sich in einer Zwickmühle? Wie weit reicht die Theaterfreiheit?
    Wilfried Schulz: Es gibt eine einfache Regel. Die heißt: Erst denken, dann einladen. Nicht irgendwas Schickes erfinden und dann erschrocken darüber sein, was für Probleme entstehen. Natürlich: Dieser Titel, der da in Zürich gewählt worden ist, die neue Avantgarde, dass das Proteste hervorruft, wenn man so ein Label bastelt, das hätte man sich vorher ausdenken können.
    Grundsätzlich gesagt: Wir werden um das Gespräch nicht herumkommen. Wir können ja mit der Hälfte Europas nicht mehr nicht reden. Mit großen Teilen der eigenen Bevölkerung wollen und müssen wir weiter reden. Dass ein Diskurs gesucht werden muss, vor allen Dingen mit einer politischen Fraktion, die selber sich ja sehr intellektuellenfeindlich und elitefeindlich etc. geriert, wenn die den Diskurs eingehen, dann muss man auch mit ihnen sprechen.
    Dass es dafür bestimmte Voraussetzungen gibt, dass man einen Rahmen finden muss und dass man auch eine Haltung dazu finden muss und dass diese Haltung sich vielleicht auch in dem Rahmen widerspiegeln muss, das sollte klar sein. Aber es sollte genauso klar sein, dass man sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht auf eine Insel zurückziehen kann und sagen, mit 30 Prozent der Bevölkerung reden wir nicht oder so was.
    "Es gibt nicht das eine Format, wie man an die Sache herangehen kann"
    Köhler: Sie benennen das Problem ziemlich genau. Man kann nicht Augen, Ohren und Türen zumachen, auch nicht die vom Theater. Wie halten Sie es denn persönlich damit? Sie sind ja nun erfahrener Theatermann und haben in Dresden Theater gemacht, machen es in Düsseldorf. Überall gibt es starke AfD-Fraktionssprecher. Halten Sie Ihr Haus bewusst verschlossen davor, oder suchen Sie noch das richtige Format? Wie machen Sie es?
    Schulz: Dresden ist für mich jetzt das ein bisschen bessere Beispiel als Düsseldorf, auch wenn ich jetzt hier gerade in Düsseldorf sitze. Aber ich bin auch ein bisschen froh, dass diese Diskussionen in Düsseldorf, im liberalen Rheinland noch nicht so hochgekocht sind oder nicht so hochgekocht sind wie in Dresden. Aber Dresden gilt ja ein bisschen als das Exempel überhaupt für diese Auseinandersetzungen. Da sind ja verschiedene Formate, auch von der Zentrale für politische Bildung, auch von der Landesregierung erfunden worden des Dialogs, und ich bin da auch hingegangen und ich habe mich da auch niederbuhen und niederschreien lassen, muss ich ehrlicherweise sagen.
    Ich habe auch zurückgeschrien und ich habe aber auch das Gespräch aufgenommen. Ich glaube, es ist ganz einfach. Man kann sich einfach am Alltagsleben orientieren. Wenn mir ein Mensch gegenübersteht, der vielleicht eine ganz andere Haltung und Meinung hat, dieser Mensch aber gewaltfrei ist, unaggressiv ist, keine Äußerungen tätigt, die kriminell sind, sage ich jetzt einfach mal, und von unserem Gesetz untersagt sind, dann rede ich selbstverständlich mit diesem Menschen. Dasselbe gilt für Veranstaltungen. Wenn jemand sich auf diesen Boden nicht stellt, dann biete ich ihm auch kein Forum, und das war in Dresden immer die Regel. Deswegen bin ich auch zu solchen Veranstaltungen teilweise gegangen. Das war sehr anstrengend und manchmal bin ich auch weggegangen und habe gesagt, so nicht.
    Mitarbeiter, die zu Pegida-Umzügen gegangen sind
    Aber es ist ja in allen Ecken. Es sind ja nicht nur die öffentlichen Veranstaltungen. Es ist ja nicht so, wenn wir Betriebe beispielsweise in Dresden, aber auch hier in Düsseldorf führen, mit 300 Mitarbeitern, Gott sei Dank ist es nicht so, dass wir diesen 300 Mitarbeitern in den Kopf gucken, genau wissen, wo sie stehen.
    Natürlich hatte ich in Dresden Mitarbeiter, die zu Pegida-Umzügen gegangen sind, und natürlich hat mich das nicht glücklich gemacht. Aber natürlich haben wir intern große Betriebsdiskussionen geführt, auch mit diesen Leuten, und haben versucht, darüber zu reden, solange sie sich an bestimmte Regeln halten. Ich glaube, es gibt nicht das eine Format oder den einen Trick, wie man an die Sache herangehen kann, sondern ich glaube, es muss das Bewusstsein geben, wir als ein Ort der Toleranz normalerweise, aber auch als ein Ort des Diskurses, wir stellen uns dem auf allen Ebenen, ob es ein Einzelmensch ist, ob es die Mitarbeiter sind, ob es, was natürlich unser Zentrum ist, eine Auseinandersetzung auf der Bühne ist über das Ganze, oder ob es eine begleitende Veranstaltung ist, und das haben wir auch in Dresden gemacht.
    Volker Lösch hat natürlich mit einer bestimmten Haltung ein Stück inszeniert über Pegida und was die da so absondern und das war auf der Bühne zu hören, und dieser Chor, der da auf der Bühne stand, da waren durchaus auch ein paar Menschen drin, die diese Sätze vielleicht auch sagen würden und wir haben sie nicht weggeschickt.
    "Wir müssen nicht recht haben im Theater"
    Köhler: Herr Schulz, höre ich da richtig raus, Sie bevorzugen die ästhetische Auseinandersetzung? Über den Umweg Lessing und Kleist sind Sie am Ende glücklicher, als wenn Sie eine ganz stinknormale Podiumsdiskussion machen?
    Schulz: Ja, oder Max Frisch oder Volker Lösch oder ein Projekt mit Rimini-Protokoll oder was auch immer. Aber der Kern unserer Arbeit, unsere Kernkompetenz, wie man so schön sagt, liegt natürlich in der Auseinandersetzung durch das Medium Theater. Das können wir, das wollen wir. Wir haben auch einen großen Vorteil im Theater.
    Wir müssen nicht recht haben im Theater. Die Politik muss vielleicht immer recht haben, keine Ahnung, aber wir müssen nicht recht haben. Das ist seit Jahrhunderten so auf der Bühne. Es werden Sachen durchdacht, durchfühlt, und man kann dem folgen, man kann sich dem entziehen, man kann eine eigene Haltung dazu gewinnen, wir sind keine Verführer. Das würde ich immer wieder betonen. Wir machen natürlich flankierend alle möglichen Veranstaltungen, führen alle möglichen Gespräche etc., aber wir haben auch in Dresden einen großen Kongress mit ins Leben gerufen, wo Demokratie diskutiert wurde.
    Wir waren nicht der einzige Veranstalter, aber es war dann ein Riesenkongress mit über 3000 Leuten über ein Wochenende, wo unangenehmerweise – das ist jetzt anderthalb Jahre her oder so was – natürlich auch AfD-Vertreter, die irgendeinen Quatsch geredet haben, auf dem Podium saßen. Aber das ging gar nicht anders als in Dresden und man musste immer hoffen und beten, dass auf diesem Podium (und dafür musste man natürlich auch sorgen) Leute sitzen, die klug und vernünftig und kontrolliert argumentieren können.
    Ich würde mich jedem Diskurs entziehen, der mit Hass zu tun hat, der mit Gewaltandrohung zu tun hat, der mit Rechtsbruch zu tun hat. Aber ich würde mich auch jedem Diskurs stellen, wenn Leute anders denken und dies vernünftig vertreten. Natürlich!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.