Gerd Breker: Bundeskanzlerin Angela Merkel will den CDU-Finanzexperten Friedrich Merz einem Magazinbericht zufolge zum neuen deutschen EU-Kommissar machen. Merkel habe bereits vor acht Wochen durch einen Mittelsmann bei Merz angefragt, ob dieser denn Interesse habe. Das berichtete die "Wirtschaftswoche" gestern in ihrer Online-Ausgabe. Der frühere Unions-Fraktionschef habe Zustimmung signalisiert. - Am Telefon bin ich nun verbunden mit Ingo Friedrich. Er ist Vizepräsident des Europäischen Parlaments. Guten Tag, Herr Friedrich.
Ingo Friedrich: Grüß Gott! Ich muss ein bisschen korrigieren: Präsidiumsmitglied und Questor statt Vizepräsident, aber ist okay.
Breker: Mitglied im Präsidium, aber Sie sind in der CSU.
Friedrich: Ja!
Breker: Herr Friedrich, Friedrich Merz als EU-Kommissar, gefällt Ihnen diese Vorstellung?
Friedrich: Es wurden mehrere Namen bisher kolportiert, sage ich mal, und die Namen, die bisher genannt worden sind, die könnte ich alle empfehlen und akzeptieren. Auf europäischer Ebene kommt es darauf an, die Durchsetzungsfähigkeit zu besitzen, Im Ministerrat, im Europäischen Parlament ein hohes Ansehen zu haben. Dies gilt für die bisher genannten Kandidaten und auch natürlich für Friedrich Merz, der selber im Europäischen Parlament war und mit dem ich gemeinsam Politik machen konnte.
Breker: Es geht um die Nachfolge von Günter Verheugen, Herr Friedrich. Ist denn die Union jetzt dran?
Friedrich: Die Union, die CDU ist in der Tat die Partei, die am längsten keinen Kommissar hatte, in der längsten Zeit, und damit wäre rein von der Zahl her die CDU an der Reihe. Die Berufung zum Kommissar ist Chefsache und richtig ist auch, dass der Stellenwert europäischer Entscheidungen auf nahezu allen Sektoren ständig zunimmt - nicht, weil das Europäische Parlament oder die Kommission ständig beschließt, was Neues an Kompetenzen haben zu wollen, sondern weil einfach in der komplexen vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts immer mehr der neuen Themen national nicht mehr lösbar sind. Deswegen ist der Kommissar, der deutsche Kommissar, der berufen werden soll, eine der Schlüsselpositionen der deutschen und europäischen Politik überhaupt.
Breker: Welches Ressort sollte denn Deutschland beanspruchen?
Friedrich: Da möchte ich der Kanzlerin natürlich in keinster Weise vorgreifen, aber richtig ist, dass zum Beispiel der Kommissar für Wirtschaft, Almunia ausscheidet, für Landwirtschaft Fischer-Boel, für Binnenmarkt Mc Greevy, für Industrie Günter Verheugen. Also es gibt eine Reihe von ausscheidenden Ressorts, die sehr, sehr interessant wären. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, Binnenmarkt oder Wirtschaft wäre gerade für Deutschland als größte Volkswirtschaft innerhalb Europas ganz besonders wichtig. Ich möchte noch mal darauf hinweisen: politische Entscheidungen heute, Themen heute sind auf verschiedenen Ebenen durchzusetzen - von der Generaldirektorenebene bis zur Ebene der Parteifamilien, bis zum Europäischen Parlament und natürlich bis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Breker: Sie haben die Bundesregierung angesprochen, Sie haben die Kanzlerin angesprochen, Herr Friedrich. Die ist allerdings in einer Großen Koalition, sprich: sie muss sich mit der SPD auseinandersetzen. Sie müssen gemeinsam einen Kandidaten finden. Sehen Sie das auch?
Friedrich: Wir haben keinen Zeitdruck. Die derzeitige Planung sieht vor, dass der Kommissionspräsident am 15. Juli gewählt wird - nach dem bisherigen Vertrag von Nizza, und dann muss man sehen, wie es in Irland weitergeht. Es könnte sein, dass dann die restliche Kommission im Herbst erst nach dem neuen Lissaboner Vertrag berufen werden muss. Dort gäbe es weniger Kommissare als jetzt nach Nizza. Das heißt also glasklar, die Bundeskanzlerin kann diese Entscheidung durchaus in Kenntnis der Wahlen des Deutschen Bundestages, also nach dem 27. September treffen, ohne dabei deutsche Interessen sozusagen hinten anstehen zu lassen. Bis dorthin muss der zuständige Kommissar Verheugen deutsche Interessen in Europa, in der Kommission vertreten.
Breker: Nun ist es so, dass just Verheugen gesagt hat, in Brüssel warte man geradezu auf deutsche Vorschläge, zumal andere, die Franzosen zum Beispiel, ihre Kandidaten ja schon längst in Stellung bringen. Sie sagen, wir stehen nicht unter Zeitdruck; stehen wir nicht doch unter Zeitdruck?
Friedrich: Nein, das sehe ich in der Tat nicht so, denn die Kanzlerin hat natürlich sozusagen eine größere Chance, ihren Kandidaten durchzubringen, wenn sie jetzt nicht in der Großen Koalition einen Streit anfangen muss. Die SPD hat schon Namen genannt, durchaus respektable Persönlichkeiten, aber die CDU ist auch zeitlich an der Reihe und es ist legitimes Interesse auch der größten Regierungspartei, wenn sie sagt, wir benennen den Kandidaten in Kenntnis des Ausgangs der Bundestagswahl. Dann ist aus meiner Sicht auch zurecht die Analyse zu machen, dass dann der Kandidat, den wir wirklich wollen, größere Chancen hat, auch zum Kommissar berufen zu werden, als zum Beispiel ein Kandidat einer anderen Partei. Dies ist legitim in der Demokratie so auch zu handeln.
Breker: Denken Sie denn, Herr Friedrich, dass Friedrich Merz ein durchsetzbarer Kandidat wäre, denn er hat doch gerade eben erst das Buch veröffentlicht "Mehr Kapitalismus wagen", und das in dieser Zeit?
Friedrich: Wer Friedrich Merz kennt weiß ja, dass er ein sehr nüchterner Analytiker ist, und ihm geht es sicher darum, dass die Wirtschaftskrise schnell überwunden wird, und er weiß auch, dass eine der Hauptursachen darin liegt, dass wir dem anglo-amerikanischen Komplex in Sachen Finanzwirtschaft da zu viel zugetraut haben, dass wir hier eigene europäische und deutsche Regeln brauchen. Ich gehe schon davon aus, dass er durchsetzbar ist, je nachdem was die Kanzlerin entscheidet. Richtig ist, dass in einer Koalitionsregierung, nehmen wir mal an, es gibt CDU/CSU/FDP, CDU/CSU würde die größere Mannschaft stellen und damit auch das Recht, den Kommissar zu stellen; diese Chance, diesen eigenen Kommissar zu stellen, ist eben dann am größten, wenn man weiß, was die Bürger bei der Bundestagswahl gewollt haben, welche Koalition und welche Politik sie wollen. Darauf wird sich dann auch abstellen, welchen Kommissar wir berufen, und der Kommissar muss ja dann durch die Hearings des Europäischen Parlaments gehen. Das ist ein sehr schwieriger Prozess. Dort werden ihm sehr harte Fragen gestellt und dort wird der Kommissar, egal wie er heißt, dann auch in der parteipolitischen Familie etwa der europäischen Christdemokraten oder im Parlament in den Ausschüssen, im Wirtschaftsausschuss gegebenenfalls, sozusagen seine Haltung über die zukünftige Politik glasklar darstellen und dort wird sicher jeder der bisher genannten Kandidaten eine gute Figur abgeben.
Breker: Ich verstehe Sie richtig, Herr Friedrich zum Abschluss dieses Gespräches, Sie würden der Kanzlerin empfehlen, mit der Personalie Friedrich Merz zu warten bis nach der Bundestagswahl?
Friedrich: Ich würde ihr empfehlen, überhaupt mit der Entscheidung über einen Kandidaten für die Kommission zu warten, bis die Bundestagswahl gesprochen wurde, bis sie weiß, welche Koalition regiert. Dann kann sie im Bewusstsein aller Fakten und aller Kräfte nüchtern und ruhig entscheiden, was liegt im deutschen Interesse, welcher Kandidat soll der deutsche Kommissar, der einzige deutsche Kommissar in der neuen Kommission für eine Legislaturperiode von fünf Jahren werden. Das ist eine wichtige Entscheidung und hier liegt sozusagen die Kraft in der Ruhe. Keine Hektik, sondern in aller Ruhe dann entscheiden, wenn die Zeit reif ist.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Ingo Friedrich, Mitglied im Präsidium des Europäischen Parlaments und CSU-Abgeordneter dort. Herr Friedrich, danke für dieses Gespräch.
Friedrich: Bitte schön, Herr Breker.
Ingo Friedrich: Grüß Gott! Ich muss ein bisschen korrigieren: Präsidiumsmitglied und Questor statt Vizepräsident, aber ist okay.
Breker: Mitglied im Präsidium, aber Sie sind in der CSU.
Friedrich: Ja!
Breker: Herr Friedrich, Friedrich Merz als EU-Kommissar, gefällt Ihnen diese Vorstellung?
Friedrich: Es wurden mehrere Namen bisher kolportiert, sage ich mal, und die Namen, die bisher genannt worden sind, die könnte ich alle empfehlen und akzeptieren. Auf europäischer Ebene kommt es darauf an, die Durchsetzungsfähigkeit zu besitzen, Im Ministerrat, im Europäischen Parlament ein hohes Ansehen zu haben. Dies gilt für die bisher genannten Kandidaten und auch natürlich für Friedrich Merz, der selber im Europäischen Parlament war und mit dem ich gemeinsam Politik machen konnte.
Breker: Es geht um die Nachfolge von Günter Verheugen, Herr Friedrich. Ist denn die Union jetzt dran?
Friedrich: Die Union, die CDU ist in der Tat die Partei, die am längsten keinen Kommissar hatte, in der längsten Zeit, und damit wäre rein von der Zahl her die CDU an der Reihe. Die Berufung zum Kommissar ist Chefsache und richtig ist auch, dass der Stellenwert europäischer Entscheidungen auf nahezu allen Sektoren ständig zunimmt - nicht, weil das Europäische Parlament oder die Kommission ständig beschließt, was Neues an Kompetenzen haben zu wollen, sondern weil einfach in der komplexen vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts immer mehr der neuen Themen national nicht mehr lösbar sind. Deswegen ist der Kommissar, der deutsche Kommissar, der berufen werden soll, eine der Schlüsselpositionen der deutschen und europäischen Politik überhaupt.
Breker: Welches Ressort sollte denn Deutschland beanspruchen?
Friedrich: Da möchte ich der Kanzlerin natürlich in keinster Weise vorgreifen, aber richtig ist, dass zum Beispiel der Kommissar für Wirtschaft, Almunia ausscheidet, für Landwirtschaft Fischer-Boel, für Binnenmarkt Mc Greevy, für Industrie Günter Verheugen. Also es gibt eine Reihe von ausscheidenden Ressorts, die sehr, sehr interessant wären. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, Binnenmarkt oder Wirtschaft wäre gerade für Deutschland als größte Volkswirtschaft innerhalb Europas ganz besonders wichtig. Ich möchte noch mal darauf hinweisen: politische Entscheidungen heute, Themen heute sind auf verschiedenen Ebenen durchzusetzen - von der Generaldirektorenebene bis zur Ebene der Parteifamilien, bis zum Europäischen Parlament und natürlich bis zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Breker: Sie haben die Bundesregierung angesprochen, Sie haben die Kanzlerin angesprochen, Herr Friedrich. Die ist allerdings in einer Großen Koalition, sprich: sie muss sich mit der SPD auseinandersetzen. Sie müssen gemeinsam einen Kandidaten finden. Sehen Sie das auch?
Friedrich: Wir haben keinen Zeitdruck. Die derzeitige Planung sieht vor, dass der Kommissionspräsident am 15. Juli gewählt wird - nach dem bisherigen Vertrag von Nizza, und dann muss man sehen, wie es in Irland weitergeht. Es könnte sein, dass dann die restliche Kommission im Herbst erst nach dem neuen Lissaboner Vertrag berufen werden muss. Dort gäbe es weniger Kommissare als jetzt nach Nizza. Das heißt also glasklar, die Bundeskanzlerin kann diese Entscheidung durchaus in Kenntnis der Wahlen des Deutschen Bundestages, also nach dem 27. September treffen, ohne dabei deutsche Interessen sozusagen hinten anstehen zu lassen. Bis dorthin muss der zuständige Kommissar Verheugen deutsche Interessen in Europa, in der Kommission vertreten.
Breker: Nun ist es so, dass just Verheugen gesagt hat, in Brüssel warte man geradezu auf deutsche Vorschläge, zumal andere, die Franzosen zum Beispiel, ihre Kandidaten ja schon längst in Stellung bringen. Sie sagen, wir stehen nicht unter Zeitdruck; stehen wir nicht doch unter Zeitdruck?
Friedrich: Nein, das sehe ich in der Tat nicht so, denn die Kanzlerin hat natürlich sozusagen eine größere Chance, ihren Kandidaten durchzubringen, wenn sie jetzt nicht in der Großen Koalition einen Streit anfangen muss. Die SPD hat schon Namen genannt, durchaus respektable Persönlichkeiten, aber die CDU ist auch zeitlich an der Reihe und es ist legitimes Interesse auch der größten Regierungspartei, wenn sie sagt, wir benennen den Kandidaten in Kenntnis des Ausgangs der Bundestagswahl. Dann ist aus meiner Sicht auch zurecht die Analyse zu machen, dass dann der Kandidat, den wir wirklich wollen, größere Chancen hat, auch zum Kommissar berufen zu werden, als zum Beispiel ein Kandidat einer anderen Partei. Dies ist legitim in der Demokratie so auch zu handeln.
Breker: Denken Sie denn, Herr Friedrich, dass Friedrich Merz ein durchsetzbarer Kandidat wäre, denn er hat doch gerade eben erst das Buch veröffentlicht "Mehr Kapitalismus wagen", und das in dieser Zeit?
Friedrich: Wer Friedrich Merz kennt weiß ja, dass er ein sehr nüchterner Analytiker ist, und ihm geht es sicher darum, dass die Wirtschaftskrise schnell überwunden wird, und er weiß auch, dass eine der Hauptursachen darin liegt, dass wir dem anglo-amerikanischen Komplex in Sachen Finanzwirtschaft da zu viel zugetraut haben, dass wir hier eigene europäische und deutsche Regeln brauchen. Ich gehe schon davon aus, dass er durchsetzbar ist, je nachdem was die Kanzlerin entscheidet. Richtig ist, dass in einer Koalitionsregierung, nehmen wir mal an, es gibt CDU/CSU/FDP, CDU/CSU würde die größere Mannschaft stellen und damit auch das Recht, den Kommissar zu stellen; diese Chance, diesen eigenen Kommissar zu stellen, ist eben dann am größten, wenn man weiß, was die Bürger bei der Bundestagswahl gewollt haben, welche Koalition und welche Politik sie wollen. Darauf wird sich dann auch abstellen, welchen Kommissar wir berufen, und der Kommissar muss ja dann durch die Hearings des Europäischen Parlaments gehen. Das ist ein sehr schwieriger Prozess. Dort werden ihm sehr harte Fragen gestellt und dort wird der Kommissar, egal wie er heißt, dann auch in der parteipolitischen Familie etwa der europäischen Christdemokraten oder im Parlament in den Ausschüssen, im Wirtschaftsausschuss gegebenenfalls, sozusagen seine Haltung über die zukünftige Politik glasklar darstellen und dort wird sicher jeder der bisher genannten Kandidaten eine gute Figur abgeben.
Breker: Ich verstehe Sie richtig, Herr Friedrich zum Abschluss dieses Gespräches, Sie würden der Kanzlerin empfehlen, mit der Personalie Friedrich Merz zu warten bis nach der Bundestagswahl?
Friedrich: Ich würde ihr empfehlen, überhaupt mit der Entscheidung über einen Kandidaten für die Kommission zu warten, bis die Bundestagswahl gesprochen wurde, bis sie weiß, welche Koalition regiert. Dann kann sie im Bewusstsein aller Fakten und aller Kräfte nüchtern und ruhig entscheiden, was liegt im deutschen Interesse, welcher Kandidat soll der deutsche Kommissar, der einzige deutsche Kommissar in der neuen Kommission für eine Legislaturperiode von fünf Jahren werden. Das ist eine wichtige Entscheidung und hier liegt sozusagen die Kraft in der Ruhe. Keine Hektik, sondern in aller Ruhe dann entscheiden, wenn die Zeit reif ist.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Ingo Friedrich, Mitglied im Präsidium des Europäischen Parlaments und CSU-Abgeordneter dort. Herr Friedrich, danke für dieses Gespräch.
Friedrich: Bitte schön, Herr Breker.