Jasper Barenberg: Wege aus der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wollen sie weisen, die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer. Sie treffen sich übermorgen im amerikanischen Pittsburgh. Die westlichen Volkswirtschaften hat die Krise hart getroffen, viele der ärmsten Länder allerdings bis ins Mark. In Kambodscha etwa wurde in der Textilindustrie jeder siebte Arbeiter entlassen, in Sambia unter den Mienenarbeitern gar jeder vierte. Weltweit hat die Krise etwa 100 Millionen Menschen wieder unter die Armutsgrenze gedrückt, etwa noch einmal so vielen droht dasselbe Schicksal. So hat es die Weltbank gerade ausgerechnet. Das bedeutet wenig mehr als einen Dollar am Tag zum leben.
Werden die G20-Staaten auch für diese Menschen in den ärmsten Ländern ihr Versprechen halten und globale Lösungen für die globale Krise anbieten? Wir wollen darüber jetzt mit Ralf Südhoff sprechen, dem Deutschlandchef des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Das UN World Food Programme unterstützt in diesem Jahr rund 100 Millionen Hungernde in über 70 Ländern. Ralf Südhoff leitet wie gesagt das Berliner Büro, jetzt aber ist er zu Gast bei uns im Studio. Einen schönen guten Morgen.
Ralf Südhoff: Guten Morgen.
Barenberg: Herr Südhoff, trifft denn die Finanz- und Wirtschaftskrise die ärmeren Länder grundsätzlich härter als die reicheren?
Südhoff: Sie trifft die ärmeren Länder viel härter, weil sie gleichzeitig in keinster Weise in der Lage sind, auch nur ein einziges Rettungspaket zu schnüren für ihre Volkswirtschaft, für ihren Finanzsektor, für all die Menschen, die Sie gerade erwähnt haben, die von dieser Krise massiv getroffen werden, und das Paradoxe ist: Das ist die wohl größte Wirtschaftskrise weltweit seit vielen Jahrzehnten, für die die Entwicklungsländer gleichzeitig überhaupt nichts können, und sie müssen trotzdem die massivsten Folgen tragen, auch was übrigens den Kampf gegen den Hunger anbelangt. Wir müssen befürchten, dass in diesem Jahr auch rund 100 Millionen Menschen zusätzlich dem Hunger verfallen, eine Explosion, wie es sie noch nie gab, und dass bald eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern.
Barenberg: In Pittsburgh soll es um die Regulierung der Finanzmärkte gehen, auch um Klimawandel. Es gibt Hilfszusagen der G20-Länder für die ärmsten Länder dieser Welt. Reichen die nicht aus?
Südhoff: Sie würden ausreichen, wenn sie denn eingehalten würden. Viele Staaten haben versprochen, bereits 2010 ihre Entwicklungshilfe in einem weiteren Schritt grob dem Ziel anzunähern, was seit Jahrzehnten im Raum steht, nämlich 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes zu geben. Unter anderem hatte Deutschland versprochen, dass im nächsten Jahr zumindest die 0,5 Prozent erreicht werden. Das ist in vielen Ländern und auch in Deutschland fraglich, ob das wirklich geschieht.
Wenn Sie die Gipfel ganz konkret ansprechen: Zum Beispiel auf dem letzten Gipfel der G8-Staaten gab es eine sehr wichtige Initiative der Vereinigten Staaten, die vorgeschlagen haben, 20 Milliarden Dollar zusätzlich in die ländliche Entwicklung und den Kampf gegen den Hunger zu investieren. Das wurde zwar beschlossen; noch ist aber zum einen völlig unklar, ob die Mittel wirklich zusammenkommen - das ist bis heute nicht entschieden - und ob es sich wirklich um zusätzliche Mittel handelt. Es gibt bereits die ersten Länder, die die Gelder, die ohnehin an uns fließen sollten, in dieses Paket mit hineinschnüren, so dass es sich natürlich um ein Nullsummenspiel handeln würde.
Barenberg: Wie hoch schätzen Sie denn die Gefahr ein, dass es bei Lippenbekenntnissen abermals, muss man ja sagen, in Pittsburgh bleiben wird?
Südhoff: Aufgrund all unserer Vorgespräche, die wir zwischen dem G8-Gipfel in Italien und dem jetzigen G20-Gipfel mit verfolgt haben, sind wir nicht zu optimistisch, dass es tatsächlich für den Kampf gegen den Hunger zu substanziellen Entscheidungen kommt. Es sagen die Experten ja, es droht, dass man sich nicht unbedingt einigen kann auf verbindliche Entscheidungen, was bedeuten würde, man hat die Folgen der jetzigen Finanz- und Weltwirtschaftskrise noch gar nicht abgemildert, schon gar nicht in den Entwicklungsländern, und ist gleichzeitig nicht in der Lage, die nötigen Regeln zu beschließen, um wenigstens künftige Krisen dieser Art zu vermeiden. Das wäre natürlich in der Summe fatal und auch ein ganz verheerendes Signal an die Entwicklungsländer selbst.
Barenberg: Sollte es keine konkreten Beschlüsse und dann auch Politik geben, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise in diesen Ländern abzumildern, was wären die Folgen?
Südhoff: Wir können die Folgen heute schon ganz massiv feststellen. Nehmen Sie die Arbeit des World Food Program. Wir als größte humanitäre Organisation der Welt haben gleichzeitig kein festes Budget. Das führt dazu, dass die Zahl der Hungernden in den Entwicklungsländern wie beschrieben zum einen massiv steigt, dass gleichzeitig aber die Hilfe für uns, aber auch für andere Hilfsorganisationen auf einem 20-Jahres-Tief ist. Wir haben so viele Hungernde weltweit wie nie zuvor und gleichzeitig sind die Hilfen so niedrig wie seit 20 Jahren nicht. Ganz konkret: wir können in Äthiopien fünf Millionen Menschen nur noch Notrationen geben, die halb so viel Essen ausmachen wie man bräuchte, um gesund zu bleiben und zu überleben. Wir können in Uganda 600.000 Menschen, Flüchtlingen, Binnenvertriebenen überhaupt keine Hilfe mehr geben. Wir können in Bangladesch hunderttausenden von Schulkindern nicht mehr die Schulmahlzeit geben, die es ihnen überhaupt ermöglicht, zur Schule zu gehen. Das hat natürlich massive Folgen für die Zukunft. Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule, sie kriegen keine Bildung, der Teufelskreis des Hungers beginnt wieder, und das obwohl wir in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht haben im Kampf gegen den Hunger. Anders als man meinen könnte, ist die Situation ja deutlich besser geworden. Heute hungert noch jeder sechste Mensch auf der Welt; noch vor wenigen Jahren war es jeder dritte.
Barenberg: Gibt es Punkte auf der Agenda, die Ihnen wichtig sind, jenseits der unmittelbaren Armutsbekämpfung? Es wird ja viel geredet, es braucht eine neue Handelspolitik, es ist auch vom Klimawandel die Rede und von Hilfen der westlichen Staaten, diesen Kampf gegen den Klimawandel auch in den ärmeren Ländern voranzutreiben. Was sind da noch wichtige Punkte?
Südhoff: Auch für den Kampf gegen den Hunger ist es ganz entscheidend, dass der Klimawandel gestoppt werden kann. Die Folgen für die Ernährung der Menschen sind unmittelbar. Nehmen Sie die Zahl der Dürren und Überschwemmungen. Sie haben sich in etwa vervierfacht in den letzten 20 Jahren. Das hat massive Auswirkungen auch auf die Ernährungssicherheit in den Ländern, weil immer längere Dürren dazu führen, dass die Bauern, auch gerade Kleinbauern, dass die Armen und Hungernden - drei Viertel von ihnen leben auf dem Land - sich immer schlechter selbst versorgen können, wenn man ihnen nicht hilft, um etwas gegen die Dürre zu tun und den Klimawandel bremst.
Barenberg: Woher soll das Geld kommen? Nicht nur Deutschland, auch die europäischen Staaten, die USA sind alle massiv in den Schuldenstaat reingerutscht durch diese Krise. Woher soll das Geld kommen?
Südhoff: Zum einen sind natürlich alle Hilfsorganisationen beeindruckt, nachdem man jetzt 30 Jahre lang gesagt hat, die wenigen Milliarden, die fehlen würden, um die Versprechen der Entwicklungshilfe einzuhalten, sind unfinanzierbar, wie man dann feststellt, dass eine Hypo Real Estate allein in Deutschland rund 100 Milliarden Euro Hilfen Knall auf Fall bekommen kann. Nehmen Sie mal diese Zahl. Wenn Sie davon nur drei Prozent der Gelder in die Hand nehmen würden, könnten Sie alle hungernden Schulkinder der Welt ein Jahr lang zur Schule schicken, ihnen dort eine Schulspeisung geben und damit eine Ausbildung und eine Zukunft. Wir reden also über Gelder, die gerade in den Dimensionen der Finanzkrise völlig vernachlässigenswert sind, und es wäre natürlich eine absurde Situation zu sagen, diese paar Milliarden, die können wir uns jetzt gerade nicht mehr leisten, wo wir ja mit Billionen in die Schulden gegangen sind, und das hätte auch fatale Folgen für uns. Wir stellen immer wieder fest in den Ländern vor Ort: Wer hungert, hat im Grunde nur drei Optionen. Er kann rebellieren - das destabilisiert diese Länder -, er kann immigrieren - das führt zu noch mehr Flüchtlingsströmen auch hierzulande, im Mittelmeer und so weiter -, oder er stirbt. Keine von diesen drei Optionen sollte für uns akzeptabel sein. Alle drei haben auch massive Folgen für uns selbst.
Barenberg: Sie haben gesagt, die ärmsten Länder sind zumeist nicht selber für diese Krise verantwortlich, für ihre Folgen auch nicht. Trotzdem die Frage: wo endet die Verantwortung des Westens und wo beginnt die Verantwortung auch der ärmeren Länder, für den Kampf gegen Hunger selber zu sorgen?
Südhoff: Die Entwicklungsländer selbst machen vielfach im Kampf gegen den Hunger nicht ihre Hausaufgaben. Das muss man auch ganz klar sagen. Ich habe vorhin erwähnt, dass wir in der Welternährungskrise, die mitnichten vorbei ist - die Nahrungsmittelpreise gerade in den Entwicklungsländern sind immer noch sehr hoch -, auch eine große Chance sehen, wenn man jetzt in die Landwirtschaft investiert, wenn man dafür sorgt, dass gerade Kleinbauern, Menschen auf dem Land von diesem Preisboom profitieren können. Das ist in vielen Entwicklungsländern auch, muss man ganz klar sagen, so wenig geschehen, wie unsere Hilfe in diesem Bereich sich entscheidend erhöht hat. Zum Beispiel die afrikanischen Staaten hatten zugesagt, rund zehn Prozent ihrer öffentlichen Haushalte künftig wieder in die ländliche Entwicklung zu setzen, weil man sieht, dass die Not dort groß ist, aber auch, dass es ein immenses ökonomisches Potenzial gibt. Dort liegen wir heute bei rund vier Prozent, es ist also nichts geschehen in dem Maße und das ist auch der entscheidende Schritt. Das muss man ganz klar sagen. Wenn die Entwicklungsländer selbst nicht unsere Hilfe einbetten und flankieren, dann wird sie insgesamt auch nicht langfristig die Situation vor Ort ändern können.
Barenberg: Ralf Südhoff, der Deutschlandchef des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für den Besuch!
Südhoff: Wir danken.
Werden die G20-Staaten auch für diese Menschen in den ärmsten Ländern ihr Versprechen halten und globale Lösungen für die globale Krise anbieten? Wir wollen darüber jetzt mit Ralf Südhoff sprechen, dem Deutschlandchef des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Das UN World Food Programme unterstützt in diesem Jahr rund 100 Millionen Hungernde in über 70 Ländern. Ralf Südhoff leitet wie gesagt das Berliner Büro, jetzt aber ist er zu Gast bei uns im Studio. Einen schönen guten Morgen.
Ralf Südhoff: Guten Morgen.
Barenberg: Herr Südhoff, trifft denn die Finanz- und Wirtschaftskrise die ärmeren Länder grundsätzlich härter als die reicheren?
Südhoff: Sie trifft die ärmeren Länder viel härter, weil sie gleichzeitig in keinster Weise in der Lage sind, auch nur ein einziges Rettungspaket zu schnüren für ihre Volkswirtschaft, für ihren Finanzsektor, für all die Menschen, die Sie gerade erwähnt haben, die von dieser Krise massiv getroffen werden, und das Paradoxe ist: Das ist die wohl größte Wirtschaftskrise weltweit seit vielen Jahrzehnten, für die die Entwicklungsländer gleichzeitig überhaupt nichts können, und sie müssen trotzdem die massivsten Folgen tragen, auch was übrigens den Kampf gegen den Hunger anbelangt. Wir müssen befürchten, dass in diesem Jahr auch rund 100 Millionen Menschen zusätzlich dem Hunger verfallen, eine Explosion, wie es sie noch nie gab, und dass bald eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern.
Barenberg: In Pittsburgh soll es um die Regulierung der Finanzmärkte gehen, auch um Klimawandel. Es gibt Hilfszusagen der G20-Länder für die ärmsten Länder dieser Welt. Reichen die nicht aus?
Südhoff: Sie würden ausreichen, wenn sie denn eingehalten würden. Viele Staaten haben versprochen, bereits 2010 ihre Entwicklungshilfe in einem weiteren Schritt grob dem Ziel anzunähern, was seit Jahrzehnten im Raum steht, nämlich 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes zu geben. Unter anderem hatte Deutschland versprochen, dass im nächsten Jahr zumindest die 0,5 Prozent erreicht werden. Das ist in vielen Ländern und auch in Deutschland fraglich, ob das wirklich geschieht.
Wenn Sie die Gipfel ganz konkret ansprechen: Zum Beispiel auf dem letzten Gipfel der G8-Staaten gab es eine sehr wichtige Initiative der Vereinigten Staaten, die vorgeschlagen haben, 20 Milliarden Dollar zusätzlich in die ländliche Entwicklung und den Kampf gegen den Hunger zu investieren. Das wurde zwar beschlossen; noch ist aber zum einen völlig unklar, ob die Mittel wirklich zusammenkommen - das ist bis heute nicht entschieden - und ob es sich wirklich um zusätzliche Mittel handelt. Es gibt bereits die ersten Länder, die die Gelder, die ohnehin an uns fließen sollten, in dieses Paket mit hineinschnüren, so dass es sich natürlich um ein Nullsummenspiel handeln würde.
Barenberg: Wie hoch schätzen Sie denn die Gefahr ein, dass es bei Lippenbekenntnissen abermals, muss man ja sagen, in Pittsburgh bleiben wird?
Südhoff: Aufgrund all unserer Vorgespräche, die wir zwischen dem G8-Gipfel in Italien und dem jetzigen G20-Gipfel mit verfolgt haben, sind wir nicht zu optimistisch, dass es tatsächlich für den Kampf gegen den Hunger zu substanziellen Entscheidungen kommt. Es sagen die Experten ja, es droht, dass man sich nicht unbedingt einigen kann auf verbindliche Entscheidungen, was bedeuten würde, man hat die Folgen der jetzigen Finanz- und Weltwirtschaftskrise noch gar nicht abgemildert, schon gar nicht in den Entwicklungsländern, und ist gleichzeitig nicht in der Lage, die nötigen Regeln zu beschließen, um wenigstens künftige Krisen dieser Art zu vermeiden. Das wäre natürlich in der Summe fatal und auch ein ganz verheerendes Signal an die Entwicklungsländer selbst.
Barenberg: Sollte es keine konkreten Beschlüsse und dann auch Politik geben, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise in diesen Ländern abzumildern, was wären die Folgen?
Südhoff: Wir können die Folgen heute schon ganz massiv feststellen. Nehmen Sie die Arbeit des World Food Program. Wir als größte humanitäre Organisation der Welt haben gleichzeitig kein festes Budget. Das führt dazu, dass die Zahl der Hungernden in den Entwicklungsländern wie beschrieben zum einen massiv steigt, dass gleichzeitig aber die Hilfe für uns, aber auch für andere Hilfsorganisationen auf einem 20-Jahres-Tief ist. Wir haben so viele Hungernde weltweit wie nie zuvor und gleichzeitig sind die Hilfen so niedrig wie seit 20 Jahren nicht. Ganz konkret: wir können in Äthiopien fünf Millionen Menschen nur noch Notrationen geben, die halb so viel Essen ausmachen wie man bräuchte, um gesund zu bleiben und zu überleben. Wir können in Uganda 600.000 Menschen, Flüchtlingen, Binnenvertriebenen überhaupt keine Hilfe mehr geben. Wir können in Bangladesch hunderttausenden von Schulkindern nicht mehr die Schulmahlzeit geben, die es ihnen überhaupt ermöglicht, zur Schule zu gehen. Das hat natürlich massive Folgen für die Zukunft. Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule, sie kriegen keine Bildung, der Teufelskreis des Hungers beginnt wieder, und das obwohl wir in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht haben im Kampf gegen den Hunger. Anders als man meinen könnte, ist die Situation ja deutlich besser geworden. Heute hungert noch jeder sechste Mensch auf der Welt; noch vor wenigen Jahren war es jeder dritte.
Barenberg: Gibt es Punkte auf der Agenda, die Ihnen wichtig sind, jenseits der unmittelbaren Armutsbekämpfung? Es wird ja viel geredet, es braucht eine neue Handelspolitik, es ist auch vom Klimawandel die Rede und von Hilfen der westlichen Staaten, diesen Kampf gegen den Klimawandel auch in den ärmeren Ländern voranzutreiben. Was sind da noch wichtige Punkte?
Südhoff: Auch für den Kampf gegen den Hunger ist es ganz entscheidend, dass der Klimawandel gestoppt werden kann. Die Folgen für die Ernährung der Menschen sind unmittelbar. Nehmen Sie die Zahl der Dürren und Überschwemmungen. Sie haben sich in etwa vervierfacht in den letzten 20 Jahren. Das hat massive Auswirkungen auch auf die Ernährungssicherheit in den Ländern, weil immer längere Dürren dazu führen, dass die Bauern, auch gerade Kleinbauern, dass die Armen und Hungernden - drei Viertel von ihnen leben auf dem Land - sich immer schlechter selbst versorgen können, wenn man ihnen nicht hilft, um etwas gegen die Dürre zu tun und den Klimawandel bremst.
Barenberg: Woher soll das Geld kommen? Nicht nur Deutschland, auch die europäischen Staaten, die USA sind alle massiv in den Schuldenstaat reingerutscht durch diese Krise. Woher soll das Geld kommen?
Südhoff: Zum einen sind natürlich alle Hilfsorganisationen beeindruckt, nachdem man jetzt 30 Jahre lang gesagt hat, die wenigen Milliarden, die fehlen würden, um die Versprechen der Entwicklungshilfe einzuhalten, sind unfinanzierbar, wie man dann feststellt, dass eine Hypo Real Estate allein in Deutschland rund 100 Milliarden Euro Hilfen Knall auf Fall bekommen kann. Nehmen Sie mal diese Zahl. Wenn Sie davon nur drei Prozent der Gelder in die Hand nehmen würden, könnten Sie alle hungernden Schulkinder der Welt ein Jahr lang zur Schule schicken, ihnen dort eine Schulspeisung geben und damit eine Ausbildung und eine Zukunft. Wir reden also über Gelder, die gerade in den Dimensionen der Finanzkrise völlig vernachlässigenswert sind, und es wäre natürlich eine absurde Situation zu sagen, diese paar Milliarden, die können wir uns jetzt gerade nicht mehr leisten, wo wir ja mit Billionen in die Schulden gegangen sind, und das hätte auch fatale Folgen für uns. Wir stellen immer wieder fest in den Ländern vor Ort: Wer hungert, hat im Grunde nur drei Optionen. Er kann rebellieren - das destabilisiert diese Länder -, er kann immigrieren - das führt zu noch mehr Flüchtlingsströmen auch hierzulande, im Mittelmeer und so weiter -, oder er stirbt. Keine von diesen drei Optionen sollte für uns akzeptabel sein. Alle drei haben auch massive Folgen für uns selbst.
Barenberg: Sie haben gesagt, die ärmsten Länder sind zumeist nicht selber für diese Krise verantwortlich, für ihre Folgen auch nicht. Trotzdem die Frage: wo endet die Verantwortung des Westens und wo beginnt die Verantwortung auch der ärmeren Länder, für den Kampf gegen Hunger selber zu sorgen?
Südhoff: Die Entwicklungsländer selbst machen vielfach im Kampf gegen den Hunger nicht ihre Hausaufgaben. Das muss man auch ganz klar sagen. Ich habe vorhin erwähnt, dass wir in der Welternährungskrise, die mitnichten vorbei ist - die Nahrungsmittelpreise gerade in den Entwicklungsländern sind immer noch sehr hoch -, auch eine große Chance sehen, wenn man jetzt in die Landwirtschaft investiert, wenn man dafür sorgt, dass gerade Kleinbauern, Menschen auf dem Land von diesem Preisboom profitieren können. Das ist in vielen Entwicklungsländern auch, muss man ganz klar sagen, so wenig geschehen, wie unsere Hilfe in diesem Bereich sich entscheidend erhöht hat. Zum Beispiel die afrikanischen Staaten hatten zugesagt, rund zehn Prozent ihrer öffentlichen Haushalte künftig wieder in die ländliche Entwicklung zu setzen, weil man sieht, dass die Not dort groß ist, aber auch, dass es ein immenses ökonomisches Potenzial gibt. Dort liegen wir heute bei rund vier Prozent, es ist also nichts geschehen in dem Maße und das ist auch der entscheidende Schritt. Das muss man ganz klar sagen. Wenn die Entwicklungsländer selbst nicht unsere Hilfe einbetten und flankieren, dann wird sie insgesamt auch nicht langfristig die Situation vor Ort ändern können.
Barenberg: Ralf Südhoff, der Deutschlandchef des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen, heute Morgen im Deutschlandfunk. Danke für den Besuch!
Südhoff: Wir danken.