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"Eine ganze Menge neuer Meilensteine"

Das größte Passagierflugzeug der Welt, der Airbus A380, ist im südfranzösischen Toulouse zu einem ersten Probeflug gestartet. Hans-Leo Richter vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sieht beim A380 zahlreiche wegweisende Neuerungen. Richter weist besonders auf neue Faserverbundwerkstoffe hin, an deren Entwicklung das DLR arbeitet.

Moderation: Burkhard Birke |
    Burkhard Birke: Wir schalten jetzt zum deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und zwar zu Hans-Leo Richter, er ist Experte dort. Einen schönen guten Tag.

    Hans-Leo Richter: Guten Tag, Herr Birke.

    Birke: 560 Tonnen schwer, 11 Milliarden teuer und gigantisch - setzt denn der A380 nur beim Preis - er soll 250 Millionen Dollar kosten - und den Ausmaßen neue Maßstäbe?

    Richter: Nein, er setzt in der Tat eine ganze Menge neuer Meilensteine. Das fängt natürlich erstmal bei der schieren Größe an, Sie haben es selber schon erwähnt, es ist ein Passagieraufkommen, das eben bis jetzt noch nicht so genutzt werden konnte, zum anderen aber überzeugt das neue Flugzeug durch die Verwendung von neuen Materialien, von Faserverbundwerkstoffen, auf die übrigens seit langen Jahren das DLR eine große Forschungs- und Fertigungskompetenz erworben hat. Darüber hinaus gibt es weitere Innovationen im Bereich der Fluganzeigegeräte, der Avionik und so weiter. Es gibt eine ganze Menge von wegweisenden Neuerungen, die hier erstmals zur Anwendung kommen.

    Birke: Eines der größten Probleme bei der Konzeption und dem Design des A380 war ja die Gewichtsreduktion. Können Sie dem Laien erklären, inwieweit diese Verbundwerkstoffe da das Gewicht reduzieren helfen?

    Richter: Es ist ja schon seit längeren Jahren kein Geheimnis mehr, dass so genannte Faserverbundwerkstoffe, das heißt, Glas- oder Kohlenstofffaserverbundwerkstoffe eine deutliche Gewichtsreduzierung bieten bei nahezu gleichen Festigkeits- und Steifigkeitswerten. Das ist natürlich überall da, wo Leichtbau gefragt ist, das heißt also im Flugzeugbau, ein kaum anderweitig zu kompensierender Vorteil.

    Birke: Kann man diesen auch auf andere Bereiche übertragen, etwa den Kraftfahrzeugbau?

    Richter: Das passiert da ja schon zu großen Teilen. Es gibt ja durchaus im Innenbereich von modernen Fahrzeugen, auch das ist das DLR übrigens sehr engagiert in der Forschung und Entwicklung tätig, den Bereich der so genannten nachwachsenden Grundstoffe, das sind sogar biologisch abbaubare Faserverbundwerkstoffe. Das ist eine Technologie, die immer mehr greift und man kann durchaus sagen, dass hier die Luftfahrt wieder mal ein Schlüsselbereich ist, der Innovation eben auch interdisziplinär ermöglichen wird.

    Birke: Metallermüdung, metal fatigue, hat oft zu Flugzeugunglücken geführt. Kann denn durch diese Verbundwerkstoffe in den Flügeln etwa diese metal fatigue abgeschafft werden?

    Richter: An diesen Spekulationen möchten wir uns eigentlich nicht beteiligen, aber fest steht jedenfalls, dass auch Airbus bei den anderen Passagierflugzeugen, beim 320, beim 340er, in Teilbereichen sehr wohl bereits Faserverbundwerkstoffe nutzt und das mit größter Zuverlässigkeit und zur größten Zufriedenheit der Betreiber.

    Birke: Nun ist der A380 noch in der Luft, es war im Vorfeld immer ein bisschen spekuliert worden von den Kassandras, dass womöglich eben bei diesem gigantischen Gewicht die Landung und die Räder ein Problem sein könnten. Wo sehen Sie da Risiken?

    Richter: Zunächst einmal muss man ja festhalten, dass gerade auch die Landephase in numerischen Simulationen ausgiebig getestet wurde, Einzelkomponenten des Fahrwerks wurden eben auch realiter getestet und man muss sich eben vor Augen halten, dass dieses Gewicht eben auf 22 Einzelräder verteilt wird. Das sind also beispielsweise bereits mehr Einzelräder als eben die auch nicht gerade leichte Boeing 777 aufbietet. Insofern ist das sicherlich ein schwieriges Prozedere, aber es ist handhabbar und es dürfte vor keine größeren und unerwarteten Probleme stellen.

    Birke: Wenn man sich als Laie noch mal vorstellt, ein Triebwerk besteht aus 20.000 Einzelteilen bei diesem A380 und der Flügel aus 32.000 Teilen. Gibt es da nicht Risiken, wenn da auch nur ein kleines Teilchen defekt ist?

    Richter: Das ist bei jedem Flugzeug zu. Sie haben bei jedem Airliner und natürlich auch bei den kleineren Flugzeugen eine unglaubliche Komplexität von Tragwerk, Triebwerk, den ganzen Subsystemen und so weiter und da können Sie also absolut sicher sein, dass die umfangreichen und sehr ausführlichen Testmarathons natürlich alle darauf hinzielen, diesen Zertifizierungsprozess, der ja ein sehr aufwendiger ist, erfolgreich zu bestehen.

    Birke: Noch nicht getestet ist natürlich der praktische Einsatz. Vor welche Herausforderungen stellt denn der A380 aufgrund seiner Dimensionen die Luftkontrolle einerseits und die Flughäfen andererseits?

    Richter: Bei der Luftkontrolle sehe ich keine überdimensional großen neuen Herausforderungen. Es wird sicherlich eine Rolle spielen, in welchem Staffelabstand bei starkem Verkehr nachfolgende Flugzeuge dem großen A380 folgen können, aber man darf nicht vergessen, es gibt auch andere große Flugzeuge, die Russen haben beispielsweise die Antonow 225, ein in der Spannweite noch größeres Flugzeug. Das sind dann Erfahrungswerte, auf die man zurückgreifen kann. Für die Flughäfen ist es eben tatsächlich eine neue Größenordnung und es wird abzuwarten bleiben, inwieweit hier einer derartige Fülle von Passagieren in akzeptablen Zeitgrößenordnungen abgefertigt werden können.

    Birke: Also das Abfertigungsproblem sehen Sie als größtes, jetzt nicht Ihr eigentliches Spezialgebiet, aber das wäre das größte Problem?

    Richter: Das kann ich so nicht bestätigen, weil wie gesagt, das DLR ist eine Forschungseinrichtung und das sind eben nachgeordnete Phänomene und Problemkreise, mit denen wir uns jetzt so primär nicht befassen.

    Birke: Sie sind vom DLR, auch indirekt an der Entwicklung des A380 beteiligt, dennoch an Sie die Frage auch als Beteiligten: Wird Airbus mit diesem Flugzeug Boeing technisch ausbooten können?

    Richter: Nun, der A380 weist eben eine Menge von technischen Innovationen auf, ich nannte bereits die Faserverbundtechnologie, optimierte Hochauftriebshilfen, also die ganzen Vorflügelklappen- und Landeklappengeometrie, an deren Entwicklung das DLR eben mit numerischen Simulationsverfahren auch maßgeblich beteiligt war.

    Birke: Da kann Boeing nicht mithalten?

    Richter: Es gibt weitere Bereiche in der Avionik, in der Fluglageanzeige, da ist der A380 tatsächlich gegenüber den heutigen Boeing-Airlinern voraus.

    Birke: Er wird aber dann zusammengebaut, ganze Straßen müssen für den Antransport in Toulouse dann gesperrt werden. Ist das sinnvoll?

    Richter: Das sind sicherlich Einzelfragen, die Ihnen der Hersteller besser beantworten kann als wir, aber Sie dürfen nicht vergessen, dass ja auch bei den anderen Langstreckenflugzeugen aus dem Hause Airbus, bei der 340 beispielsweise, findet ja eben dieselbe Produktionsmethode statt, dass eben Komponenten aus mehreren europäischen Ländern angeliefert werden.