Archiv


"Eine Garantie birgt immer ein Risiko"

Florian Kolf, Ressortleiter Aktuelles beim Düsseldorfer Handelsblatt, erachtet die Bürgschaft des Bundes für die angeschlagene HRE für risikoreich, wenn auch niemand sagen könne, wie hoch ein Ausfall geraten könne. Auch das Ziel eines ausgeglichenen Staatshaushaltes sei dadurch mehr gefährdet.

Florian Kolf im Gespräch mit Christian Schütte |
    Christian Schütte: Guten Morgen, Herr Kolf.

    Kolf: Guten Morgen!

    Schütte: Der CDU-Politiker Roland Koch hat vorhin im Interview mit dem Deutschlandfunk den Bundesfinanzminister in Schutz genommen. Er hat gesagt, Peer Steinbrück hat dieses Szenario jetzt mit der Hypo Real Estate nicht vorhersagen können. Liegt er da richtig mit seiner Einschätzung?

    Kolf: Ich denke, in diesem Ausmaß mit Sicherheit nicht. Das ist klar. Es wirkt im Nachhinein schon ein bisschen peinlich, dass er sich vergangene Woche noch so aus dem Fenster gelehnt hat in Bezug auf die US-Staatshilfen und gesagt hat, das könnte in Deutschland nicht passieren. Da muss er sich jetzt schon fragen, ob er vielleicht nicht ein bisschen voreilig war. Aber in dem Ausmaß konnte er das wirklich nicht voraussehen.

    Schütte: Das heißt, wenn Steinbrück gesagt hat, staatliche Hilfen seien noch nicht nötig, möglicherweise der falsche Weg, hat er dann Risiken für Deutschland schon ein bisschen verschwiegen, um keine weitere Unruhe zu erzeugen, oder hat er diese zu spät erkannt?

    Kolf: Das kann ich im Detail auch nicht sagen, was er da wirklich gewusst hat oder einfach nicht gesehen hat. Klar ist nur: ihm blieb jetzt natürlich keine Alternative. Und dass Koch ihn in Schutz nimmt, finde ich recht gut, weil wenn das Ganze in parteitaktisches Kalkül gerät, was dann passieren kann sieht man gerade in den USA, wo das Rettungspaket jetzt gescheitert ist, weil es in die Mühlen des Wahlkampfs geraten ist. Von daher ist es, glaube ich, schon in der Konsequenz richtig gewesen, was sie gemacht haben.

    Schütte: Herr Kolf, lassen Sie uns noch einmal ein wenig klar machen, wie diese Finanzhilfe konkret funktioniert, zumindest in den Grundzügen. Es geht um 35 Milliarden Euro, die die Hypo Real Estate als Kredit in Anspruch nehmen kann. Woher kommt das Geld? Was geschieht damit?

    Kolf: Es ist ja jetzt nicht Geld, was zur Verfügung gestellt wird, sondern es sind Garantien, die der Staat größtenteils, aber auch die privaten Banken erst mal bereitstellen, damit die Hypo Real Estate überhaupt wieder Kredite bekommt. Das Problem ist ja für die Hypo Real Estate nicht, dass das Kerngeschäft marode ist, sondern dass sie einfach wegen der Vertrauenskrise unter den Banken zurzeit keine kurzfristigen Kredite mehr bekommt, keine Finanzierungen mehr, Refinanzierungen für ihr Geschäft. Die Hoffnung besteht, wenn jetzt die Garantien des Staates zur Verfügung gestellt werden, dass dann wieder Kredite gezahlt werden für die Hypo Real Estate und sie wieder ihr Geschäft aufnehmen kann und dann auch in der Lage ist, diese Kredite zurückzuzahlen.

    Schütte: Der Finanzminister hat sich auch bemüht, gestern zu erklären, dass dies lediglich eine Bürgschaft ist, eine Garantie. Das klingt allerdings auch ein bisschen so, dass es für den Staatshaushalt und für den Steuerzahler möglicherweise gar kein Risiko gebe, zumindest kein großes. Ist das Augenwischerei, oder wie hoch schätzen Sie das Risiko ein?

    Kolf: Dass es kein Risiko gibt, das ist ein Fehlschluss. Eine Garantie birgt immer ein Risiko. Für den Staat sind es ja dann letztlich gut 26 Milliarden, mit denen er in der Garantie steht. Die werden mit Sicherheit nicht voll in Anspruch genommen. Aber natürlich besteht ein Risiko. Heute kann jedoch keiner sagen, wie hoch das Ausfallrisiko sein wird. Aber dass da ein Risiko besteht, ist völlig klar.

    Schütte: Was bedeutet das für das eigentlich erklärte Ziel der Großen Koalition, zumindest von Herrn Steinbrück, nämlich die Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2011 auf null zu senken? Ist dieses Ziel noch erreichbar?

    Kolf: Dieses Ziel war ja ohnehin schon dramatisch gefährdet und die Gefahr ist eindeutig gestiegen. Das ist klar.

    Schütte: Nun war auch eine Verstaatlichung der Hypo Real Estate im Gespräch. Wenn wir darauf noch einmal zu sprechen kommen: Der Finanzminister hat sich dagegen entschieden. Andere Experten meinen, eigentlich wäre die Verstaatlichung im Grunde genommen die bessere, weil sicherere Lösung gewesen.

    Kolf: Das ist eine schwierige Frage. Schweden hat es ja in den 90er Jahren vorgemacht. Die haben auch Banken verstaatlicht mit durchaus Erfolg, aber eben auch negativen Seiten. Selbst in den USA wird ja jetzt als Alternative zu diesem umstrittenen 700-Milliarden-Programm eine Verstaatlichung von Banken als Alternative betrachtet. Es ist schwierig. Ich denke mal, dass in dem Fall hier der Weg erst mal der bessere war, weil natürlich auch die private Industrie, die privaten Banken in der Verantwortung bleiben, denn die haben im Grunde diese Vertrauenskrise und damit auch die Krise angerichtet. Also sollte man die auch nicht völlig aus der Verantwortung entlassen. Deswegen, denke ich, ist der jetzt gewählte Weg erst mal der bessere.

    Schütte: Einschätzungen von Florian Kolf, Leiter des Ressorts Aktuelles beim Düsseldorfer Handelsblatt. Vielen Dank!

    Kolf: Auf Wiederhören.