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"Eine neue Form von Banküberfall"

Pirmin Bischof rügt den geplanten Kauf von illegal erworbenen deutschen Anlagedaten in der Schweiz. Die Schweiz biete schon eine Abgeltungssteuer nach deutschem Recht für deutsche Anlagegewinne an, sagt der Finanzpolitiker - und spricht eine deutliche Warnung aus.

02.02.2010
    Gerwald Herter: Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) spricht von einem Dilemma. Dennoch steht inzwischen fest: der Zweck soll in diesem Fall die Mittel heiligen. Die Bundesregierung will Daten Deutscher erwerben, die Vermögenswerte in der Schweiz angelegt haben, um dem Fiskus zu entgehen. Doch es gibt auch Kritik daran.
    Nun bin ich mit dem Schweizer Nationalrat Pirmin Bischof telefonisch verbunden. Guten Morgen, Herr Bischof.

    Pirmin Bischof: Guten Morgen, Herr Herter!

    Herter: Herr Bischof, Sie sehen im Datenraub eine moderne Form des Banküberfalls. Das haben Sie einer Schweizer Zeitung gesagt. Geht es aber nicht eher um eine bewährte Form des Steuerbetrugs, die Sie mit Ihren Äußerungen verteidigen wollen?

    Bischof: Nein, glaube ich nicht. Die Schweiz bietet ja durchaus Amtshilfe in Fällen von Steuerbetrug und ist gerade gegenwärtig daran, mit Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen auszuhandeln. Hier aber ist schon eine neue Form von Banküberfall. Früher musste man sich auf die Bank begeben und sich dort Geld behändigen mittels einer Waffe; heute kann man das elektronisch tun, indem man Daten klaut. Das darf ein Rechtsstaat nicht schützen, was immer damit für ein Mittel verfolgt wird. Sonst begibt er sich selber in den Verdacht, ein Hehler zu sein. Das erwarten wir von Rechtsstaaten nicht.

    Herter: Was glauben Sie denn, warum legen Deutsche ihr Geld in der Schweiz an, weil die Tresortüren da so dick sind, oder geht es nicht doch um Steuerbetrug, also darum, das Geld dem Zugriff des deutschen Fiskus zu entziehen?

    Bischof: Die Schweiz hat ein ganz anderes Steuer- und Finanzsystem als andere Nachbarstaaten. Wir bauen eigentlich auf ein Tiefsteuersystem auf. In der Schweiz werden die Steuern durch das Volk festgelegt. Selbst die Steuersätze werden in Volksabstimmungen bestimmt. Zwischen den Kantonen herrscht ein starker Steuerwettbewerb und das führt insgesamt zu tiefen Steuern. Die Mehrwertsteuer ist etwa 7,6 Prozent. Das hat zur Folge, dass der Staat auch weniger ausgeben kann. Wir kennen in der Schweiz zum Beispiel keine lebenslänglichen Beamten und auch sonst keine Systeme mit großen Ausgaben. Das hat natürlich dann zur Folge, dass die Schweiz attraktiv wird auch für viele Deutsche. In der Schweiz leben gegenwärtig fast eine viertel Million Deutsche und die Zuwanderung ist immer noch sehr groß.

    Herter: Aber was hat das damit zu tun, dass die Deutschen, die in Deutschland leben, ihr Geld in der Schweiz anlegen? Das ist ja eine andere Entwicklung und ein anderer Bereich.

    Bischof: Nein. Ich glaube, das hängt sehr stark damit zusammen. Deutschland hat eine Tradition von eher hohen Steuern und hohen Staatsausgaben und da kann sich ein Arbeitnehmer, der gut verdient, oder auch ein Unternehmer zum Teil übervorteilt fühlen.

    Herter: Aha! – Würden Sie denn Ihr Geld in anderen Ländern anlegen, wenn Sie es dem Zugriff des Schweizer Fiskus entziehen könnten?

    Bischof: Ich muss das nicht, weil meine Besteuerung eigentlich als gerecht empfunden wird.

    Herter: Ja, aber die Steuern, die in der Schweiz von deutschen Anlegern entrichtet werden, kommen ja der Schweiz zugute und nicht Deutschland, wo diese Deutschen wohnen und wo sie auch Leistungen des Staates empfangen, wo sie davon profitieren. Das ist doch ungerecht!

    Bischof: Ich glaube, das ist nicht so. Die Schweiz bietet ja unseren Nachbarländern, also auch Deutschland, eine sogenannte Abgeltungssteuer an. Das würde also heißen, dass alle Anlagen in der Schweiz von Deutschen, die in Deutschland wohnen, in der Schweiz nach deutschem Recht besteuert würden und das Geld auch Deutschland ausgeliefert würde. Was die Schweiz nicht will ist, was wir den gläsernen Bürger nennen, sei es nun ein Schweizer, oder ein Ausländer. Wir glauben, dass der Schutz der Privatsphäre gerade auch im Bankkundengeheimnis durchaus schützenswert ist. Das Verbot der konfiskatorischen Besteuerung steht bei uns auch in der Bundesverfassung. Es geht aber nicht darum, um das ganz klar zu sagen, Steuerbetrüger oder Steuerhinterzieher zu schützen. Da bieten wir ja den Nachbarstaaten durchaus die entsprechenden Zahlungen an.

    Herter: Das wäre aber das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses?

    Bischof: Nein, das wäre nicht das Ende des Bankgeheimnisses. Die Privatsphäre des Kunden, des Bürgers bleibt gewahrt und die Nachbarstaaten erhalten "nur das Geld", das sie von ihren Bürgern zugute haben, aber nicht die Bankdaten.

    Herter: Jetzt will die Schweiz nicht mit der deutschen Regierung kooperieren, wenn es um Steuerflüchtlinge geht. Das hat die Regierung gestern mitgeteilt. Riskieren sie denn nicht, damit wieder auf die graue Liste der OECD zu kommen, von der sie vor Kurzem erst verschwunden sind?

    Bischof: Nein, glaube ich eigentlich nicht. Die Schweiz hat ja inzwischen mit 13 Staaten, darunter die USA, England und Frankreich, neue Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Also wir bieten durchaus die volle Amtshilfe auch bei Steuerhinterziehung an. Das bieten wir auch Deutschland an, die entsprechenden Verhandlungen laufen. Aber die Basis für ein solches Abkommen wie mit den anderen Ländern auch kann nicht sein, dass ein Staat mit gestohlenen Daten handelt.

    Herter: Wegen des Bankgeheimnisses dauert der Ärger mit den USA aber noch an, mit Frankreich auch, so weit ich weiß. Jetzt kommt der Ärger mit Deutschland dazu. Kann sich die Schweiz das leisten, auf die Dauer so schwierige Verhältnisse zu haben zu wichtigen Nachbarländern und anderen Staaten?

    Bischof: Das Abkommen mit den USA, mit England und mit Frankreich ist abgeschlossen.

    Herter: Aber das kam ja nicht ganz freiwillig zustande. Da wurde ja Druck ausgeübt auf Washington.

    Bischof: Da haben Sie recht. Da hat für eigentlich alle großen Finanzzentren im letzten Jahr eine Änderung stattgefunden, nicht nur für die Schweiz, und da ist tatsächlich die Rechtslage die, dass nun auch Amtshilfe bei Steuerhinterziehung angeboten wird, und das finde ich auch richtig.

    Herter: Und das würde Deutschland auch offenstehen. – Jetzt ist diese CD den deutschen Behörden angeboten worden. Hier ist das ja umstritten. Aber die Bundesregierung will darauf zugreifen. Können die Schweizer Behörden der Bundesregierung, den Finanzämtern, den deutschen, das Leben schwer machen, wenn es um die Fahndung nach Steuerflüchtlingen geht?

    Bischof: Ich glaube, die Schweiz hat kein Interesse, Deutschland oder deutschen Behörden das Leben schwer zu machen. Aber das Verhältnis zwischen beiden Staaten würde sicher nicht erleichtert, wenn Deutschland die Daten kauft. Allerdings ist das Zitat der Bundeskanzlerin von gestern auch nicht so klar. Ich verstehe auch die innenpolitische Situation in Deutschland, dass man vielleicht etwas Druck aufbauen will auf deutsche Steuerzahler, oder dass man auch berücksichtigt, dass die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor der Tür steht. Ich nehme das Ganze noch nicht so streng und warte mal ab, was die deutsche Bundesregierung dann wirklich tut. Ich weiß auch nicht, was auf dieser CD wirklich steht. Wenn der Kauf allerdings durchgeführt würde, gehe ich davon aus, dass die Schweiz in diesen Fällen natürlich keine Amtshilfe leisten würde. Sie dürfte das gar nicht nach geltendem Recht, und das ist ja die Ironie der Lage, die wir haben. Wegen dieses Datenkaufs käme dann das Abkommen mit Deutschland nicht zustande, wie wir eben eines mit England, den USA und Frankreich haben.

    Herter: Sie sprechen von einer möglichen Verschlechterung des Verhältnisses. Was würde das neben Auswirkungen für das Doppelbesteuerungsabkommen, die Verhandlungen darüber, außerdem bedeuten?

    Bischof: Ich würde mich sicher als Parlamentarier dafür einsetzen, dass da nicht irgendwelche Repressionsmaßnahmen getroffen würden, wie das von Extremparteien in der Schweiz immer mal wieder angedroht wird, und es darf auch keine Auswirkungen haben auf die deutschen Bürger in der Schweiz. Ich glaube, die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind zu wichtig für beide Länder, als dass man sie wegen eines Falles wie demjenigen, von dem wir jetzt sprechen, belastet werden dürfen.

    Herter: Der aktuelle deutsche Finanzminister Schäuble wählt eine etwas andere Rhetorik als sein Vorgänger Steinbrück. Ist das vorteilhaft für das Verhältnis zwischen Bern und Berlin?

    Bischof: Ich glaube, das Verhältnis zwischen Bern und Berlin ist ausgezeichnet. Herr Schäuble, aber auch Herr Westerwelle, ich glaube auch die Bundeskanzlerin haben durchaus ein gutes und unbelastetes Verhältnis zur Schweiz, und die ganzen Tiraden von Herrn Steinbrück aus dem letzten und dem vorletzten Jahr betreffend die Kavallerie und ähnlicher Wildwestmethoden sind, glaube ich, beerdigt worden.

    Herter: Glauben Sie, dass die Schweiz auf lange Sicht nicht doch auch andere Erwerbsmöglichkeiten erschließen sollte, als das Geld von afrikanischen Potentaten oder auch deutschen Steuerflüchtlingen, Steuerflüchtlingen aus anderen Ländern zu bunkern und dem Zugriff von Steuerbehörden zu entziehen?

    Bischof: Da ist zunächst zu präzisieren, dass die Schweiz als eines der wenigen Länder, anders etwa als England oder die USA, überhaupt kein Potentatengeld mehr hat und dass die Geldwäschereigesetzgebung wesentlich strenger ist als in anderen Staaten. Richtig ist allerdings, dass wir bis vor kurzem Geld angenommen haben in Banken, das lediglich nicht deklariert ist, also wenn kein Steuerbetrug vorgelegen hat, und da bin ich auch der Meinung, dass ein Umdenken auch in der Schweiz wie in anderen Finanzzentren stattgefunden hat. Die Schweizer Banken sind gut genug und weltweit führend, dass sie auch ohne steuerhinterzogenes Geld weltweit führend bleiben werden und als Anlagezentrum weiterhin dienen, gerade auch für deutsche Anleger.

    Herter: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bischof.

    Bischof: Ich danke Ihnen herzlich.