Friedbert Meurer: Als die SPD 1982 im Bund die Macht verlor, da dauerte es 16 Jahre bis zum Comeback. So lange soll es diesmal nicht dauern. Wären jetzt Bundestagswahlen, hätte die SPD eine gute Chance, ein rot-grünes Bündnis neu aufzulegen, aber Umfragen sind natürlich Umfragen. Die SPD muss sich erst einmal im Politikalltag positionieren. Steuersenkungen lehnt sie ab, bei der Atomwende will sie wohl mitmachen, zögert aber noch.
Hannelore Kraft: "Wenn es eine Zustimmung zu allen Teilen dieser acht Gesetze geben soll, muss es noch an mehreren Stellen substanzielle Verbesserungen geben."
Frank-Walter Steinmeier: "Wenn Sie das so gestalten, dass wir die wirklichen Potenziale bei den erneuerbaren Energien nicht schöpfen wollen durch die Gestaltung des Gesetzes, dann können wir doch nicht zustimmen."
Meurer: Das war zunächst Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen, und dann Frank-Walter Steinmeier, der Fraktionsvorsitzende. Am Telefon in Berlin begrüße ich Thomas Oppermann, den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Oppermann!
Thomas Oppermann: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Es gab gestern ein Treffen der Länder mit dem Kanzleramtsminister Ronald Profalla von der CDU. Wird die SPD und werden die SPD-geführten Länder den Atomausstieg mittragen?
Oppermann: Bei dem Treffen gestern hat es eine Menge Bewegung gegeben, aber noch keine Einigung. Es zeichnet sich aber ab, dass wir beim Atomgesetz wohl zustimmen werden, denn dieser Ausstieg ist eigentlich die Rückkehr von Angela Merkel auf die alte rot-grüne Politik, auf das Konzept von Gerhard Schröder zum Atomausstieg, und das betrachten wir als einen großen Erfolg.
Es ist in einer Volkswirtschaft wie Deutschland, in der wichtige und große Investitionen getätigt werden müssen, schon von großer Bedeutung, einen Konsens in einer so grundlegenden Frage zu haben, und dass wir jetzt im Bundestag zwischen allen Parteien einen Konsens haben, dass wir spätestens ab 2022 auf Atomenergie verzichten wollen und unsere Energieversorgung auf erneuerbare Energien aufbauen wollen, das ist für uns eine späte Genugtuung für die rot-grüne Ausstiegspolitik.
Meurer: Die Grünen haben ja jetzt einen Sonderparteitag bevorstehen, Jürgen Trittin mahnt schon, es wäre für die Grünen absurd, beleidigt danebenzustehen und nein zu sagen. Gilt das auch für die SPD?
Oppermann: Für uns ist klar: Wenn unsere Politik, die wir für richtig halten, gemacht wird, dann stehen wir auch zur Verfügung, dann stimmen wir zu. Wir haben auch überhaupt keine Veranlassung, den Eindruck zu erwecken, als ob es die Idee von Angela Merkel sei, aus der Atomenergie auszusteigen – im Gegenteil, sie hat das ja jahrelang bekämpft. Die Ökosteuern, den Atomausstieg, die erneuerbaren Energien, das waren ja Kampfthemen für die CDU.
Meurer: Stiehlt Ihnen die Kanzlerin jetzt die Schau, Herr Oppermann?
Oppermann: Nein, das empfinde ich nicht so. Ich glaube nicht, dass es sich für die Kanzlerin politisch auszahlt, eine 180-Grad-Wende zu machen, das ist nicht glaubwürdig. Niemand glaubt, dass Angela Merkel aus tiefer Überzeugung auf Atomenergie verzichten will. Sie ist eine Getriebene, sie hat gehandelt, weil sie glaubte, sonst politisch in die Defensive zu kommen.
Es war eine opportunistische Entscheidung, aber es war eine richtige Entscheidung, und darauf kommt es an, denn unser Energiesystem, die Energieversorgung in einer hochkomplexen Volkswirtschaft wie Deutschland, die auf Export gegründet ist, das ist wie eine Operation am offenen Herzen, und die muss mit großer Sorgfalt gemacht werden, und wir werden darauf achten, dass es sorgfältig gemacht wird, deshalb sind die Verhandlungen noch nicht ganz am Ende.
Meurer: Da nimmt ja eine zentrale Rolle ein die Frage der erneuerbaren Energien: Werden Sie dem Atomausstieg zustimmen, egal, was beschlossen wird, um erneuerbare Energien zu fördern?
Oppermann: Nun, das Atomgesetz selber hat noch einen Haken: Der rot-grüne Atomausstieg war doch handwerklich besser, er war intelligenter konzipiert, er war in Stufen und er war berechenbar für die Wirtschaft. Immer, wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden mussten, konnten erneuerbare beziehungsweise konventionelle Kraftwerke zugeschaltet werden. Jetzt geht das alles ein bisschen schnell am Ende, das bringt auch Risiken mit sich.
Die Konzerne wollen klagen. Der rot-grüne Atomausstieg, der war gerichtsfest und verfassungskonform. Wenn jetzt geklagt wird, das sagen wir allerdings eindeutig, dann trägt Angela Merkel allein die Verantwortung für den Ausgang dieser Klagen. Bei uns hat es damals keine Klagen gegeben. Mit dem Vorbehalt werden wir wahrscheinlich dem Atomgesetz zustimmen. Ob wir auch den anderen Gesetzen zustimmen können, das ist auch nach der Verhandlungsrunde im Kanzleramt gestern noch offen.
Meurer: Ist denn die SPD überhaupt daran interessiert, die erneuerbaren Energien in ausreichendem Maße zu unterstützen, oder favorisieren Sie nicht gleichermaßen Gas und Kohle?
Oppermann: Gas und Kohle sind notwendig für die Überbrückung in das Zeitalter der neuen Energien. Wir brauchen flexible Gaskraftwerke und hocheffiziente Kohlekraftwerke. Wir haben zehn Gigawatt im Zubau im Augenblick, nur deshalb können wir auch die Atomkraftwerke abschalten.
Meurer: Aber das ist schlecht für den Klimaschutz.
Oppermann: Ja, das ist in der Tat ein Problem für den Klimaschutz, deswegen wollen wir so schnell wie möglich die erneuerbaren Energien ausbauen. Wir glauben, dass bis 2020 nicht nur 35, sondern sogar schon 40 Prozent erneuerbare Energien möglich sind. Dann muss man allerdings auch die dezentralen Netze stärken, dann muss man konsequent auch die Windenergie auf dem Land und nicht nur Offshore, also auf See, stärken, und dann müssen wir aufpassen, dass die energetische Gebäudesanierung noch besser ausgestattet wird als bisher. Da hat die Regierung ja gekürzt und will nur 1,5 Milliarden Euro ausgeben. All diese Dinge, die müssen jetzt geklärt werden.
Meurer: An welche Summe denken Sie denn, Herr Oppermann? 1,5 Milliarden ist ja eigentlich kein Pappenstiel.
Oppermann: Das ist weniger als das, was wir im Konjunkturprogramm der Bundesregierung ausgegeben haben, da hatten wir zwei Milliarden Euro, die halten wir auch für angemessen. Vor allen Dingen muss bei der energetischen Gebäudesanierung sichergestellt werden, dass das nicht zulasten der Mieter geht. Wir wollen generell darauf achten, dass in Deutschland die Stromrechnungen für die Verbraucher bezahlbar bleiben und dass die Stromrechnungen für die Industrie wettbewerbsfähig bleiben.
Wir sind ein Industriestandort, wir sind auch in den nächsten zehn Jahren, wenn entscheidende Investitionen in der Energieversorgung getätigt werden, darauf angewiesen, dass auch die energieintensiven Industrien in Deutschland bleiben können. Das ist unser Thema, da wollen wir drauf achten, denn die Industriearbeitsplätze, die jetzt wegen zu teurer Stromrechnungen aus Deutschland vertrieben werden, die kommen nicht wieder.
Meurer: Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Oppermann, danke schön und auf Wiederhören!
Oppermann: Ich danke auch!
Hannelore Kraft: "Wenn es eine Zustimmung zu allen Teilen dieser acht Gesetze geben soll, muss es noch an mehreren Stellen substanzielle Verbesserungen geben."
Frank-Walter Steinmeier: "Wenn Sie das so gestalten, dass wir die wirklichen Potenziale bei den erneuerbaren Energien nicht schöpfen wollen durch die Gestaltung des Gesetzes, dann können wir doch nicht zustimmen."
Meurer: Das war zunächst Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen, und dann Frank-Walter Steinmeier, der Fraktionsvorsitzende. Am Telefon in Berlin begrüße ich Thomas Oppermann, den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Oppermann!
Thomas Oppermann: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Es gab gestern ein Treffen der Länder mit dem Kanzleramtsminister Ronald Profalla von der CDU. Wird die SPD und werden die SPD-geführten Länder den Atomausstieg mittragen?
Oppermann: Bei dem Treffen gestern hat es eine Menge Bewegung gegeben, aber noch keine Einigung. Es zeichnet sich aber ab, dass wir beim Atomgesetz wohl zustimmen werden, denn dieser Ausstieg ist eigentlich die Rückkehr von Angela Merkel auf die alte rot-grüne Politik, auf das Konzept von Gerhard Schröder zum Atomausstieg, und das betrachten wir als einen großen Erfolg.
Es ist in einer Volkswirtschaft wie Deutschland, in der wichtige und große Investitionen getätigt werden müssen, schon von großer Bedeutung, einen Konsens in einer so grundlegenden Frage zu haben, und dass wir jetzt im Bundestag zwischen allen Parteien einen Konsens haben, dass wir spätestens ab 2022 auf Atomenergie verzichten wollen und unsere Energieversorgung auf erneuerbare Energien aufbauen wollen, das ist für uns eine späte Genugtuung für die rot-grüne Ausstiegspolitik.
Meurer: Die Grünen haben ja jetzt einen Sonderparteitag bevorstehen, Jürgen Trittin mahnt schon, es wäre für die Grünen absurd, beleidigt danebenzustehen und nein zu sagen. Gilt das auch für die SPD?
Oppermann: Für uns ist klar: Wenn unsere Politik, die wir für richtig halten, gemacht wird, dann stehen wir auch zur Verfügung, dann stimmen wir zu. Wir haben auch überhaupt keine Veranlassung, den Eindruck zu erwecken, als ob es die Idee von Angela Merkel sei, aus der Atomenergie auszusteigen – im Gegenteil, sie hat das ja jahrelang bekämpft. Die Ökosteuern, den Atomausstieg, die erneuerbaren Energien, das waren ja Kampfthemen für die CDU.
Meurer: Stiehlt Ihnen die Kanzlerin jetzt die Schau, Herr Oppermann?
Oppermann: Nein, das empfinde ich nicht so. Ich glaube nicht, dass es sich für die Kanzlerin politisch auszahlt, eine 180-Grad-Wende zu machen, das ist nicht glaubwürdig. Niemand glaubt, dass Angela Merkel aus tiefer Überzeugung auf Atomenergie verzichten will. Sie ist eine Getriebene, sie hat gehandelt, weil sie glaubte, sonst politisch in die Defensive zu kommen.
Es war eine opportunistische Entscheidung, aber es war eine richtige Entscheidung, und darauf kommt es an, denn unser Energiesystem, die Energieversorgung in einer hochkomplexen Volkswirtschaft wie Deutschland, die auf Export gegründet ist, das ist wie eine Operation am offenen Herzen, und die muss mit großer Sorgfalt gemacht werden, und wir werden darauf achten, dass es sorgfältig gemacht wird, deshalb sind die Verhandlungen noch nicht ganz am Ende.
Meurer: Da nimmt ja eine zentrale Rolle ein die Frage der erneuerbaren Energien: Werden Sie dem Atomausstieg zustimmen, egal, was beschlossen wird, um erneuerbare Energien zu fördern?
Oppermann: Nun, das Atomgesetz selber hat noch einen Haken: Der rot-grüne Atomausstieg war doch handwerklich besser, er war intelligenter konzipiert, er war in Stufen und er war berechenbar für die Wirtschaft. Immer, wenn Atomkraftwerke abgeschaltet werden mussten, konnten erneuerbare beziehungsweise konventionelle Kraftwerke zugeschaltet werden. Jetzt geht das alles ein bisschen schnell am Ende, das bringt auch Risiken mit sich.
Die Konzerne wollen klagen. Der rot-grüne Atomausstieg, der war gerichtsfest und verfassungskonform. Wenn jetzt geklagt wird, das sagen wir allerdings eindeutig, dann trägt Angela Merkel allein die Verantwortung für den Ausgang dieser Klagen. Bei uns hat es damals keine Klagen gegeben. Mit dem Vorbehalt werden wir wahrscheinlich dem Atomgesetz zustimmen. Ob wir auch den anderen Gesetzen zustimmen können, das ist auch nach der Verhandlungsrunde im Kanzleramt gestern noch offen.
Meurer: Ist denn die SPD überhaupt daran interessiert, die erneuerbaren Energien in ausreichendem Maße zu unterstützen, oder favorisieren Sie nicht gleichermaßen Gas und Kohle?
Oppermann: Gas und Kohle sind notwendig für die Überbrückung in das Zeitalter der neuen Energien. Wir brauchen flexible Gaskraftwerke und hocheffiziente Kohlekraftwerke. Wir haben zehn Gigawatt im Zubau im Augenblick, nur deshalb können wir auch die Atomkraftwerke abschalten.
Meurer: Aber das ist schlecht für den Klimaschutz.
Oppermann: Ja, das ist in der Tat ein Problem für den Klimaschutz, deswegen wollen wir so schnell wie möglich die erneuerbaren Energien ausbauen. Wir glauben, dass bis 2020 nicht nur 35, sondern sogar schon 40 Prozent erneuerbare Energien möglich sind. Dann muss man allerdings auch die dezentralen Netze stärken, dann muss man konsequent auch die Windenergie auf dem Land und nicht nur Offshore, also auf See, stärken, und dann müssen wir aufpassen, dass die energetische Gebäudesanierung noch besser ausgestattet wird als bisher. Da hat die Regierung ja gekürzt und will nur 1,5 Milliarden Euro ausgeben. All diese Dinge, die müssen jetzt geklärt werden.
Meurer: An welche Summe denken Sie denn, Herr Oppermann? 1,5 Milliarden ist ja eigentlich kein Pappenstiel.
Oppermann: Das ist weniger als das, was wir im Konjunkturprogramm der Bundesregierung ausgegeben haben, da hatten wir zwei Milliarden Euro, die halten wir auch für angemessen. Vor allen Dingen muss bei der energetischen Gebäudesanierung sichergestellt werden, dass das nicht zulasten der Mieter geht. Wir wollen generell darauf achten, dass in Deutschland die Stromrechnungen für die Verbraucher bezahlbar bleiben und dass die Stromrechnungen für die Industrie wettbewerbsfähig bleiben.
Wir sind ein Industriestandort, wir sind auch in den nächsten zehn Jahren, wenn entscheidende Investitionen in der Energieversorgung getätigt werden, darauf angewiesen, dass auch die energieintensiven Industrien in Deutschland bleiben können. Das ist unser Thema, da wollen wir drauf achten, denn die Industriearbeitsplätze, die jetzt wegen zu teurer Stromrechnungen aus Deutschland vertrieben werden, die kommen nicht wieder.
Meurer: Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Oppermann, danke schön und auf Wiederhören!
Oppermann: Ich danke auch!