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Eine Parkbank, Herr Bond und Frau Merkel

In David Lindemanns Komödie "Getränk Hoffnung" ist die Finanzkrise vorbei und Herr Bond trifft sich mit Frau Merkel auf einer Parkbank. Herr Bond will über seine Altersvorsorge sprechen und ist überrascht, dass Frau Merkel, die Anlageberaterin, das mit der Bank so wörtlich gemeint hat.

Von Beatrix Novy | 26.03.2012
    Es ist Frühling, die Lüfte sind lau, die Finanzkrise ist vorbei. Herr Bond und Frau Merkel treffen sich auf der Bank - einer Parkbank. Herr Bond, der über seine Altersvorsorge sprechen will, ist ein bisschen überrascht, dass Frau Merkel, die Anlageberaterin, das mit der Bank so wörtlich gemeint hat.

    Aber seit die Sparkasse, für die Frau Merkel arbeitet, ein Produkt namens Vertrauen zu ihrer Kernkompetenz gemacht hat, werden alle human touch-Register gezogen: Es gilt, die Vertrauensverluste durch die Finanzkrise wieder reinzuholen. Da werden erstmal zwecks Lockerungsübung ein paar Biere gezischt und die Frage, ob man unter einer Ulme oder einer Pappel sitzt, langwierig erörtert, ehe Frau Merkel Verstärkung bekommt: Es tritt auf der Analyst der Sparkasse. Ein Meisterschüler der Verkäufer-Trainings-Industrie, der sein Opfer, Herrn Bond, nach allen Regeln der Kunst bearbeitet. Vom seelsorgenden Einfühlungsgespräch über den paternalistischen Zeigefinger bis zum blanken Terror – er hat alles drauf.

    Ein Pädagoge des neoliberalen Diskurses eben, der alles, was früher zu den nicht-ökonomischen Bereichen des menschlichen Daseins gehörte, der Kosten-Nutzen-Maximierung unterzogen hat; daraus entsteht ja, im Umkehrprozess, dieser Werbespreche der Versicherungen und Finanzinstitute, die uns von der Wiege bis zur Bahre allerpersönlichste Umsorgung, Zuwendung, ja: Liebe garantieren. Das glaubt natürlich keiner, was nicht davor bewahrt, im zwischenmenschlichen Kontakt mit einem Bankberater aus Fleisch und Blut schwach zu werden; auch Herr Bond, das arme Würstchen, findet sich schließlich zu einer Anlage bereit, obwohl er eigentlich einen Kredit wollte. Hat doch Frau Merkel ihn, den Kunden, ihres bedingungslosen Vertrauens versichert; hat doch der Analyst ihm vor Augen geführt, was ihm, Bond, und der Sparkasse verlorenginge, wenn sie beide in 20 Jahren nicht auf eine gemeinsame Geschichte, wie immer die ausfällt, zurückblicken könnten.

    Gemeinsame Geschichte, Vision, Utopie, kein hehrer Begriff entgeht der Sprache des Finanzexperte, sie zu verkaufen, erfordert ständigen Rollenwechsel. So ist es eigentlich weniger Komödie als Kabarett, was Michael Schachermeier da inszeniert hat, wenn auch auf hohem Schauspieler-Niveau: Marcus Kiepe spielt die dreiste Jovialität dieses Seelenverkäufers mit allen Nuancen der versteckten Absichten, Alexandra Henkel gibt mit herrlich falscher Herzlichkeit alle Sparkassen-Seriosität preis fürs menschelnde Tete-a-tete mit dem Kunden. Von Haus aus unentschiedener, ein staunendes Opfer ist Dietmar König als dieser Kunde, Bond.

    Warum Frau Merkel Merkel heißt, ist so klar wie unklar zugleich. Bond jedenfalls heißt Bond, weil er in Wahrheit ein Spion der Stiftung Warentest ist. Das gibt der Handlung einen Bond-Rahmen: Eingangsszene mit Q, dem Kassenprüfer alter Schule - Bond bekommt sein Dienstfahrrad samt Ermahnung -, später: Entlarvungsszene, noch später Showdown. Das ist alles sehr witzig, wenn auch nicht zum Schreien komisch. Das geht auch nicht unter die Haut, kein Lacher will im Hals steckenbleiben; der Bosheit fehlt es an Säure, zuwenig entfaltet sich neben und unter den Variationen der einen Idee. Eine immer wieder auftauchende schnorrende Zigeunerin gibt allzu notorischen Kontrast zum mittelständischen Personal. Auch wenn sie sich als eloquente Schülerin ihrer Helfer aus der kreativen Klasse erweist: Solche Überraschungseffekte überraschen nicht mehr.

    Aber dann, zum Schluss, ganz was anderes. Ein Architekt erzählt, wie er mit Festungen für reiche Leute in Buenos Aires selbst reich wurde. Das ist der Zukunftsblick aus unserer Gegenwart des sekündlich umgeschlagenen Finanzkapitals. Und das ist gar nicht lustig.