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"Eine Senkung ist grundsätzlich gut"

Klaus Brandner, Sprecher für Wirtschaft und Arbeit der SPD-Bundestagsfraktion, begrüßt den Vorschlag der Bundesagentur für Arbeit, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um einen halben Punkt auf sechs Prozent zu senken. Die Abgabe könnte sogar noch weiter reduziert werden, wenn Teile der arbeitsmarktpolitischen Aufgaben stärker steuerfinanziert würden, so Brandner.

Moderation: Friederike Schulz |
    Friederike Schulz: Die Lohnnebenkosten in Deutschland sind zu hoch. Deswegen zögern die Unternehmen, neue Mitarbeiter einzustellen. Das ist die Begründung, mit der viele Wirtschaftswissenschaftler fordern: Die Lohnnebenkosten sollen sinken. Das wäre ein wichtiger Schritt, damit die Arbeitslosigkeit eingedämmt werden kann. Ein wichtiger Posten dabei sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Sie liegen derzeit bei 6,5 Prozent des Bruttolohns. Und die Union hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, dass sie die Beiträge deutlich senken will - eine Erhöhung der Mehrwertsteuer soll die Finanzierung gewährleisten.

    Gestern hatte der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, erklärt, dass aus Sicht der Bundesagentur die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bereits im kommenden Jahr sinken könnten - ohne jede Steuererhöhung - um einen halben Prozentpunkt. Am Telefon ist jetzt Klaus Brandner, er ist Sprecher für Wirtschaft und Arbeit bei der SPD-Fraktion im Bundestag. Guten Tag Herr Brandner.

    Klaus Brandner: Guten Tag Frau Schulz.

    Schulz: Die Bundesagentur schlägt jetzt eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf sechs Prozent vor, finanziert durch Kosteneinsparung bei der Bundesagentur. Kann das funktionieren, Herr Brandner?

    Brandner: Ich finde grundsätzlich eine Beitragssatzsenkung für gut. Es ist so, dass das ja auch zeigt, dass die Arbeitsmarktreformen Stück für Stück wirken. Das ist ein positives Signal. Wichtig ist mir aber auch, dass die Senkung des Beitragssatzes nicht zu Lasten von aktivierenden Maßnahmen gehen darf. Wir müssen darauf achten, dass die Bundesagentur genügend Geld ausgibt, zum Beispiel für Fort- und Weiterbildung, damit das Qualifikationsniveau, was der Arbeitsmarkt abverlangt, auch tatsächlich erreicht wird.

    Und dass wir nicht zu Lasten der Aktivierung sparen, sondern dass wir die Möglichkeiten, die der Haushalt hergibt, dadurch dass zum Beispiel weniger Kosten für Arbeitslosengeld oder für weniger Arbeitslose insgesamt gesehen zu finanzieren sind, dann auch an die Beitragszahler, also die Arbeitgeber und die Versicherten, weitergegeben wird.

    Schulz: Aber wie kann das gewährleistet werden? Das ist ja auch die Kritik des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der sagt: Vorsicht, nicht zu Lasten der Arbeitslosen. Wie kann das gewährleistet werden?

    Brandner: Nun, gewährleistet werden kann es dadurch, dass erstens die Bundesagentur davon ausgeht, dass durch einen früheren Beitragseinzug in diesem Jahr 2006 also mehr Geld zur Verfügung steht. Diesen Spielraum kann man unter anderem nutzen für Beitragssatzsenkung ...

    Schulz: Aber das ist ja nur ein einmaliger Betrag. Und das würde ausreichen, um die Arbeitslosenversicherungsbeiträge dauerhaft zu senken?

    Brandner: Dauerhaft. Die Sache ist, die Arbeitsmarktentwicklung ist ja nicht statisch, sondern es kommt ja darauf an, dass wir auch mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit rechnen. Das sind ja auch die Prognosen für das nächste Jahr. Und auch das muss mit in Rechnung gestellt werden. Ohne Frage gibt es in der allgemeinen Debatte eine Situation, dass man darauf zusätzlich achten muss, dass das ein oder andere Instrument, das die Bundesagentur heute anwendet, eher steuerfinanzierbar sein sollte.

    Und da gebe ich zu bedenken, dass das überprüft wird - um damit noch weitere Beitragssatzsenkungen durchzuführen -, dass der Umfang der aktivierenden Maßnahmen, zum Beispiel für Umschulung, für Weiterbildung oder für Vorbereitung in den Beruf, reduziert werden, das wäre ein völlig falscher Weg.

    Schulz: Sie sind gegen eine Finanzierung über Steuern?

    Brandner: Nein. Ich bin schon dafür, dass auch Teile der Aufgaben, die die Bundesagentur heute wahrnimmt, steuerfinanziert werden. Es ist beispielsweise überhaupt nicht einzusehen, warum die Länder die Jugendlichen, die nicht genügend gefördert worden sind, also die Benachteiligtenförderung - zum Beispiel, um einen Hauptschulabschluss zu erreichen oder nachzuholen -, dass diese Aufgaben die Bundesagentur aus Beitragsmitteln übernimmt. Da wären aus meiner Sicht viel stärker die einzelnen Länder heranzuziehen, nämlich dem Arbeitsmarkt zumindest Menschen zur Verfügung zu stellen, die die Qualifikationen zum Eintritt in eine Berufsausbildung schon erreicht haben. Warum sollen das die Beitragszahler leisten?

    Schulz: An welche Steuern denken Sie da konkret, wenn Sie sagen: Ein Teil könnte über Steuern finanziert werden?

    Brandner: Das ist zuallererst Aufgabe der Länder. Das muss man den Ländern auch deutlich machen. Denn die Kulturhoheit ist ja Aufgabe der Länder. Und insofern will ich hier klar sagen, dass man darüber reden muss, inwiefern die Länder stärker an der Finanzierung dieser Aufgaben heranzuziehen sind.

    Schulz: Käme für Sie auch eventuell eine Mehrwertsteuererhöhung in Frage?

    Brandner: Ich halte eine Mehrwertsteuererhöhung für sehr problematisch, weil sie die Konjunktur, die wir ja ankurbeln wollen, sie soll ja zu mehr Wachstum, wir wollen ja mehr Wachstum in der Gesellschaft, und ich bin davon überzeugt, dass eine Mehrwertsteuererhöhung zumindest nicht wachstumsfördernd sein wird, weil sie letztlich Kaufkraft abschöpft. Sie wird ja in wichtigen Bereichen, wie im Bereich des Handwerks, des Handels, zu Preissteigerungen führen. Und insofern ist eine Mehrwertsteuererhöhung konjunkturpolitisch kontraproduktiv. Das muss einfach in einem Gesamtzusammenhang beachtet werden.

    Schulz: Das ist ja eigentlich die Forderung der Union. Sie sagt: Die Mehrwertsteuererhöhung dazu nutzen, um die Lohnnebenkosten zu senken. Darauf möchten Sie sich nicht einlassen?

    Brandner: Na, die Union hat da bisher schon mit ein bisschen Vernebelungstaktik gearbeitet. Das ist eine Botschaft, die sie nach außen setzt. Wenn Sie genau ins Wahlprogramm schauen, sagt ja Frau Merkel, sie will diese Mehrwertsteuererhöhung an so vielen Punkten nutzen, zum Beispiel für die Kopfpauschale, zum Beispiel für höhere Rentenleistungen innerhalb der Erziehungsphase, sie will den Ländern Geld geben - also ich weiß nicht, wie oft sie die Mehrwertsteuererhöhung ausgeben will.

    Ich sehe einfach, dass das, was sie ankündigt, nicht zur Senkung der Lohnnebenkosten führt, sondern die Sorge ist dort eher viel größer, dass die Ankündigung, das zur Lohnnebenkostensenkung zu führen, genutzt wird, um Leistungen einzuschränken, gerade im Bereich der Arbeitslosenversicherung.

    Schulz: Nehmen wir mal an, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge kommt im nächsten Jahr, wie angekündigt von der Bundesagentur für Arbeit: Reichen diese sechs Prozent, auf die die Beiträge jetzt gesenkt werden sollen, aus, oder muss das noch weiter runtergehen?

    Brandner: Nein, ich würde mich schon dafür einsetzen, dass die weiter reduziert werden, in dem Umfang, wie Leistungen der Bundesagentur steuerfinanziert werden. Hier sind in erster Linie aber die Länder gefragt, um es klar zu sagen, die Länder gefragt, nämlich zum Beispiel im Bereich der Benachteiligtenförderung, zum Beispiel des Nachholens des Hauptschulabschlusses, ihre Schularbeiten zu leisten.

    In einer Gesamtreform wird man weiterschauen können, ob auch zusätzliche Aufgabenstellungen, die die Bundesagentur wahrnimmt, aus Steuermitteln finanziert werden können. Ich finde dieser Überlegung müsste man näher treten. Das, finde ich, ist aber eine Aufgabe, die man in einer Koalitionsverhandlung ausloten sollte. Ich finde es nur einen richtigen Weg, die Beitragszahler dadurch zu entlasten, indem man gesamtgesellschaftliche Aufgaben eben von allen mitfinanzieren lässt und nicht nur von den Beitragszahlern.

    Schulz: Wie können die Lohnnebenkosten gesenkt werden? Ein Gespräch war das mit Klaus Brandner, er ist Sprecher für Wirtschaft und Arbeit bei der SPD-Fraktion im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Brandner.

    Brandner: Gern, Frau Schulz.