Jochen Fischer: Die Deutsche Bahn soll zum Teil privatisiert werden. So haben es CDU und SPD gestern Abend im Koalitionsausschuss beschlossen. Die CDU ist von ihrem Vorhaben abgerückt, jetzt schon rund die Hälfte des Bahnbetriebes zu veräußern. Die SPD hat ihr Modell der so genannten Volksaktien ohne Stimmrecht aufgegeben. Sie ist mit einem Privatisierungsanteil von 24,9 Prozent einverstanden. Und einer der Teilnehmer an der Koalitionsrunde ist Bundesverkehrsminister Tiefensee, mit dem ich telefonisch verbunden bin. Guten Morgen Herr Minister!
Wolfgang Tiefensee: Guten Morgen Herr Fischer.
Fischer: Die Bahnprivatisierung kann nun kommen. War es eigentlich eine schwere Geburt in der Runde?
Tiefensee: In der Runde nicht mehr, denn die Weichen waren zuvor im Wesentlichen gestellt. Wir haben noch einige Details gründlich miteinander besprochen, aber die Monate zuvor, die waren schon schwierig.
Fischer: Ja, man weiß. Die CDU hat nur zähneknirschend zugestimmt. Sie wollte eigentlich mehr. Sie will die Hälfte der Bahn an private Kapitalgeber veräußern. Warum hat denn das bei Ihnen eigentlich keine Chance?
Tiefensee: Wir haben einen langen, offenen, zum Teil sehr strittigen Diskussionsprozess innerhalb der SPD gehabt, aber auch die CDU hatte unterschiedliche Positionen, die auf einen Nenner gebracht werden mussten. Bei der SPD ging es darum, dass wie bei vielen auch in der Bevölkerung die Frage immer im Vordergrund stand, wie können wir ausschließen, dass die Qualität der Bahn leidet, wenn wir private Partner hineinnehmen. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, die einerseits den integrierten, das heißt den zusammengefassten einheitlichen Konzern erhält - das Netz bleibt zu 100 Prozent beim Bund; das war eine ganz wichtige Forderung - aber auch ausschließt, dass Investoren irgendwie auf falsche Weise die Weichen für die DB AG stellen könnten. 24,9 Prozent Veräußerung sind dafür gut, eine gute Lösung.
Fischer: Wenn wir mal bei den Investoren bleiben, Herr Minister. Warum sollte sich eigentlich ein Investor für Ihr Modell entscheiden? Die Einflussmöglichkeit ist bei 24,9 Prozent gleich null. Im Aufsichtsrat sitzt er dann nicht und die Personalkosten bleiben ein zunächst unbeeinflussbarer Bereich. Unternehmerisch gesprochen wäre das ja der Kostenfaktor schlechthin. Also warum sollte sich ein Investor für diese 24,9 Prozent interessieren?
Tiefensee: Weil die Bahn ein ganz besonderes Unternehmen ist. Man kann es nicht vergleichen mit anderen, die an die Börse gehen. Die Deutsche Bahn hat zunächst einmal eine Erfolgsgeschichte in den letzten 15 Jahren hinter sich, die einen Investor schon begeistern wird. Sie ist eines der größten, wichtigsten, bedeutendsten Eisenbahn-Logistikunternehmen europaweit, wenn nicht sogar weltweit. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist: Der Auftrag, den der Bund laut Grundgesetz hat, nämlich für Verkehr auf der Schiene zu sorgen, für eine ordentliche Qualität der Infrastruktur, den hat die Bahn für den Bund zu erledigen. Das heißt der Bund steht als Gewährsträger im Hintergrund. Das wird einen Investor weiterhin interessieren und dann wird er in eine Branche investieren, die im Aufwind ist. Logistik, Mobilität, Personen-, Güterverkehr, das sind alles Themen, die in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Also eine sichere Aktie, die für langfristigen Erfolg sorgt, sowohl was die Rendite betrifft als auch den Wert der Aktie. Und ich bin mir sicher, dass Investoren kommen werden.
Fischer: Reden wir mal übers Geld. Wie viel Geld wird denn bei dieser Viertelprivatisierung herauskommen?
Tiefensee: Wir haben Schätzungen unterschiedlicher Investmentbanken auf dem Tisch und das ist eine Spannbreite von fünf bis acht Milliarden Euro. Das wird man sehen. Die Bahn ist kapitalmarktfähig. Jetzt sind die Weichen gestellt, dass auch der Bundestag zustimmen wird. Jetzt kommt es darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu finden, diese Aktie zu platzieren. Wir hoffen, dass das noch im Jahre 2008, November/Dezember gelingen könnte. Das war unser Ziel, als wir den Koalitionsvertrag unterschrieben haben. Wenn der Markt es nicht hergibt, dann wird man vielleicht noch ein, zwei, drei Monate warten.
Fischer: Warum bekommt denn der Bund ein Drittel des Privatisierungserlöses? Wäre es nicht besser, es ginge alles an die Bahn, damit diese Projekte, die Sie eben beschrieben haben, von der Bahn auch geleistet werden können?
Tiefensee: Wir haben uns verständigt, zu etwa gleichen Teilen drei Ziele zu bedienen. Das eine ist: Wir wollen stärker das Eigenkapital der Bahn vergrößern. Das zweite ist: es gibt ein Programm "Zukunft der Bahn – Bahn der Zukunft", wo es um Lärmbeseitigung geht – ein Problem, was die Bürger umtreibt. Die Bahnhöfe sollten stärker saniert und renoviert werden. Es geht darum, Langsamfahrstellen zu beseitigen. Und dann ist auch der Bundeshaushalt ein Adressat für ein Drittel. Warum? Weil im Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2005 steht, dass wir ein großes Investitionsprogramm mit 25 Milliarden Euro auf den Weg bringen wollen, und das hat eine gewisse Gegenfinanzierung. Da gehören die Privatisierungserlöse der Deutschen Bahn AG mit dazu.
Fischer: Da gibt es ja Gegenwind auch aus der eigenen Partei, aber vor allen Dingen aus den Ländern. Der CSU-Vorsitzende Huber sagt, er fordert, das ganze Geld müsse den Ländern gehören, damit die Bahn nicht hingehe und andere Logistikkonzerne kaufe, was mit ihren Aufträgen nicht vereinbar sei. Ist das so? Wird Mehdorn das machen, statt Infrastruktur lieber profitable Akquisitionen?
Tiefensee: Darüber haben wir gestern im Koalitionsausschuss ausführlich diskutiert und eine Formulierung gefunden, die darauf abzielt, dass zwei Drittel, also der Anteil, der zur Eigenkapitalstärkung in die Bahn geht, und das zweite Drittel "Zukunft der Bahn" in Deutschland investiert werden. Das heißt auch das Geld, was der Bahn zufließt, soll zwingend ausgegeben werden, um den deutschen Kunden, den Kunden auf den deutschen Strecken zu Gute zu kommen. Das meint sowohl die Reisenden an der Bahnsteigkante wie die Unternehmer, die ihre Waren auf die Schiene bringen.
Fischer: In Ihrer Konstruktion, die Sie gewählt haben, bleibt die Bahn faktisch in der Hand des Bundes – das Netz ja sowieso, aber auch die neue Gesellschaft wird ja nicht von Fremdinvestoren beherrscht werden können. Betrieb und Netz gehören also eigentlich unter ein Dach zusammen. Wäre es nicht besser, um für mehr Wettbewerb zu sorgen, diese beiden Teile wirtschaftlich voneinander getrennt zu halten?
Tiefensee: Sie agieren getrennt unter einem Dach und kein anderes Land der Europäischen Union weist einen so starken und einen so ausgeprägten Wettbewerb aus. Da tummeln sich im Güterverkehr unterschiedliche Anbieter und auch die Länder können für ihre Regionalverkehre Ausschreibungen vornehmen. Da können sich private genauso bewerben wie die Deutsche Bahn AG. Und wir stellen fest, dass gerade auch im Regionalverkehr die Anzahl derjenigen zunimmt, die als Wettbewerber auf der Schiene sind. Das zeigt, dass mit der Konstruktion schon jetzt, die wir haben, also 100 Prozent Eigentum der Deutschen Bahn AG beim Bund, ein Wettbewerb möglich ist und die Kunden sehen ja, wie sich das in den letzten 15 Jahren verändert hat. Man stelle sich noch einmal vor, wie das Anfang der 90er Jahre war. Jetzt haben wir eine Deutsche Bahn AG mit höchster Dienstleistungsqualität und das soll auch in der Zukunft so bleiben.
Fischer: Aber im Aufsichtsrat wird kein Vertreter eines möglichen Investors sitzen?
Tiefensee: Zumindest wird er dort nicht mit Stimmrecht sitzen können. Er wird seine Meinung sicherlich kundtun können. Es kommt aber am Ende darauf an, ob er Einfluss auf die wesentlichen strategischen Unternehmensentscheidungen haben wird, und das ist jetzt ausgeschlossen. Eine ganz wichtige Bedingung der Sozialdemokratie: integrierter Konzern und Netz beim Bund. Wir wollen für die Kollegen, die 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn sorgen und wir wollen ausschließen, dass Investoren strategischen Einfluss auf die wesentlichen wichtigen Unternehmensentscheidungen haben. Das sollte schon bei der DB AG und beim Bund bleiben.
Fischer: Rückblick auf die Privatisierung von Post und Telekom. Da ist es ja in ersten Schritten auch gelungen, mehr als 24,9 Prozent an die Börse zu bringen. Warum soll denn das bei der Bahn nicht funktionieren, was damals schon geklappt hat?
Tiefensee: Noch einmal: Die Bahn ist mit ihrem Grundgesetzauftrag im Grundgesetz verankert. Der Bund stellt sicher, dass die Infrastruktur ordentlich zur Verfügung steht, und er sorgt dafür, dass der Güterverkehr und der Fernverkehr in der Qualität und in der Quantität angeboten werden, wie die Bevölkerung und die Unternehmen das brauchen. Die Länder haben den Grundgesetzauftrag, für den Regionalverkehr zu sorgen. Das ist anders als bei Telekom. Das ist anders als bei Energieversorgern. Das ist anders als bei der Post. Deshalb brauchen wir auch eine besondere Lösung und damit wir diesen Grundgesetzauftrag Länder und Bund in vollem Umfang umsetzen können, haben wir eine Konstruktion gewählt, die es ausschließt, dass Investoren unternehmerische Entscheidungen wesentlich beeinflussen können. Deshalb die 24,9 Prozent. Und glauben Sie mir: Es wird ein großer Betrag Geldes hereinkommen, der die Bahn stärker macht, damit sie sich durchsetzt – in Deutschland im Wettbewerb und auch in Europa.
Fischer: Aber wird es nicht doch so sein, dass Investoren Einfluss erhalten, denn die Aktionäre werden sich ja eine Meinung bilden und auch auf Hauptversammlungen dann erscheinen?
Tiefensee: Richtig. Wir sind ja froh darüber, dass Investoren mit ihren Ideen, auch mit ihren Visionen die Deutsche Bahn AG voranbringen. Die Frage war nur: Können sie rechtlich, können sie aktienrechtlich Einfluss nehmen auf die Unternehmenspolitik. Können sie beispielsweise dafür sorgen, dass Verkehre Renditeerwartungen unterworfen werden oder untergeordnet werden? Können sie dafür sorgen, dass Beschäftigte entlassen werden und damit das Gefüge dieser 230.000 Beschäftigten nachhaltig erschüttert wird? Das alles hat uns umgetrieben und aus diesem Grunde die Lösung nein, wir wollen Partner im Boot haben, die die Langfristperspektive sehen, aber wir wollen ausschließen, dass sie sich unternehmerisch in einer Weise einmischen, wie es schlecht für die Bahn wäre.
Fischer: Es gibt ja noch ein Detail aus dieser Verabredung. Das ist, dass diese Privatisierung in einem Tarifvertrag festgehalten werden soll. Wann rechnen Sie denn damit, dass es den geben wird?
Tiefensee: Da ist die Gewerkschaftsseite - das meint Transnet und GDBA - und auf der anderen Seite der Arbeitgeber Deutsche Bahn AG, da sind diese Vertragsparteien schon sehr weit gekommen. Am Samstag hat es eine erste Verhandlung gegeben und die hat zu einem Eckpunktepapier geführt. Dieses Eckpunktepapier zu einem solchen Tarifvertrag enthält alle wesentlichen Passagen. Darauf hat man sich geeinigt, so dass ich sicher bin, dass wir im Laufe der nächsten Wochen, vielleicht sogar Tage zu einem solchen Tarifvertrag kommen, der die Beschäftigung sichern soll und auch Auskunft gibt über die Struktur der DB AG. Das ist auch wichtig, damit die Beschäftigten, die ja letztlich für die hohe Qualität der DB AG in den letzten Jahren gesorgt haben, ein hohes Maß an Sicherheit haben.
Fischer: Dieser Tarifvertrag ist ja etwas ungewöhnlich. Er würde ja in der Tariflandschaft ganz besonders hervorstechen. Es gibt daran auch heftige Kritik. Auch der Koalitionspartner CDU sieht das nicht unbedingt so. Ist es wirklich sinnvoll, diese Privatisierung in einen Tarifvertrag festzuschreiben?
Tiefensee: Ich weiß, dass es innerhalb der CDU unterschiedlichste Meinungen gegeben hat. Bisher war immer die SPD auf der Hauptbühne und alles andere hat sich eher im Hintergrund abgespielt. Ja, es gibt einige in der CDU, die den Konzern zerschlagen wollen, die den konzerninternen Arbeitsmarkt für nicht so wichtig erachten. Es gibt einige, die dem Wettbewerb absolut frönen und deshalb andere Lösungen vorgeschlagen haben. Wir haben uns gestern Abend im Koalitionsausschuss aber ausführlich mit dieser Frage beschäftigt, auch mit der Frage des Tarifvertrages. Es taucht bei uns im Papier auf, dass wir die Eckpunkte zur Kenntnis nehmen, und das meint für die sozialdemokratische Seite sehr erfreut zur Kenntnis nehmen, denn sie sind ein Eckpfeiler für die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG. Uns geht es auch um die Beschäftigten. Wenn die nicht motiviert sind, wenn die nicht eine sichere Perspektive haben, dann wird es auch keine hohe Qualität der Deutschen Bahn AG geben und dann werden wir Wettbewerbern auf den Schienen hierzulande, aber auch in Europa unterliegen.
Fischer: Bundesverkehrsminister Tiefensee zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Vielen Dank für das Gespräch.
Tiefensee: Gerne und auf Wiederhören!
Wolfgang Tiefensee: Guten Morgen Herr Fischer.
Fischer: Die Bahnprivatisierung kann nun kommen. War es eigentlich eine schwere Geburt in der Runde?
Tiefensee: In der Runde nicht mehr, denn die Weichen waren zuvor im Wesentlichen gestellt. Wir haben noch einige Details gründlich miteinander besprochen, aber die Monate zuvor, die waren schon schwierig.
Fischer: Ja, man weiß. Die CDU hat nur zähneknirschend zugestimmt. Sie wollte eigentlich mehr. Sie will die Hälfte der Bahn an private Kapitalgeber veräußern. Warum hat denn das bei Ihnen eigentlich keine Chance?
Tiefensee: Wir haben einen langen, offenen, zum Teil sehr strittigen Diskussionsprozess innerhalb der SPD gehabt, aber auch die CDU hatte unterschiedliche Positionen, die auf einen Nenner gebracht werden mussten. Bei der SPD ging es darum, dass wie bei vielen auch in der Bevölkerung die Frage immer im Vordergrund stand, wie können wir ausschließen, dass die Qualität der Bahn leidet, wenn wir private Partner hineinnehmen. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, die einerseits den integrierten, das heißt den zusammengefassten einheitlichen Konzern erhält - das Netz bleibt zu 100 Prozent beim Bund; das war eine ganz wichtige Forderung - aber auch ausschließt, dass Investoren irgendwie auf falsche Weise die Weichen für die DB AG stellen könnten. 24,9 Prozent Veräußerung sind dafür gut, eine gute Lösung.
Fischer: Wenn wir mal bei den Investoren bleiben, Herr Minister. Warum sollte sich eigentlich ein Investor für Ihr Modell entscheiden? Die Einflussmöglichkeit ist bei 24,9 Prozent gleich null. Im Aufsichtsrat sitzt er dann nicht und die Personalkosten bleiben ein zunächst unbeeinflussbarer Bereich. Unternehmerisch gesprochen wäre das ja der Kostenfaktor schlechthin. Also warum sollte sich ein Investor für diese 24,9 Prozent interessieren?
Tiefensee: Weil die Bahn ein ganz besonderes Unternehmen ist. Man kann es nicht vergleichen mit anderen, die an die Börse gehen. Die Deutsche Bahn hat zunächst einmal eine Erfolgsgeschichte in den letzten 15 Jahren hinter sich, die einen Investor schon begeistern wird. Sie ist eines der größten, wichtigsten, bedeutendsten Eisenbahn-Logistikunternehmen europaweit, wenn nicht sogar weltweit. Das ist der eine Punkt.
Der zweite Punkt ist: Der Auftrag, den der Bund laut Grundgesetz hat, nämlich für Verkehr auf der Schiene zu sorgen, für eine ordentliche Qualität der Infrastruktur, den hat die Bahn für den Bund zu erledigen. Das heißt der Bund steht als Gewährsträger im Hintergrund. Das wird einen Investor weiterhin interessieren und dann wird er in eine Branche investieren, die im Aufwind ist. Logistik, Mobilität, Personen-, Güterverkehr, das sind alles Themen, die in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Also eine sichere Aktie, die für langfristigen Erfolg sorgt, sowohl was die Rendite betrifft als auch den Wert der Aktie. Und ich bin mir sicher, dass Investoren kommen werden.
Fischer: Reden wir mal übers Geld. Wie viel Geld wird denn bei dieser Viertelprivatisierung herauskommen?
Tiefensee: Wir haben Schätzungen unterschiedlicher Investmentbanken auf dem Tisch und das ist eine Spannbreite von fünf bis acht Milliarden Euro. Das wird man sehen. Die Bahn ist kapitalmarktfähig. Jetzt sind die Weichen gestellt, dass auch der Bundestag zustimmen wird. Jetzt kommt es darauf an, den richtigen Zeitpunkt zu finden, diese Aktie zu platzieren. Wir hoffen, dass das noch im Jahre 2008, November/Dezember gelingen könnte. Das war unser Ziel, als wir den Koalitionsvertrag unterschrieben haben. Wenn der Markt es nicht hergibt, dann wird man vielleicht noch ein, zwei, drei Monate warten.
Fischer: Warum bekommt denn der Bund ein Drittel des Privatisierungserlöses? Wäre es nicht besser, es ginge alles an die Bahn, damit diese Projekte, die Sie eben beschrieben haben, von der Bahn auch geleistet werden können?
Tiefensee: Wir haben uns verständigt, zu etwa gleichen Teilen drei Ziele zu bedienen. Das eine ist: Wir wollen stärker das Eigenkapital der Bahn vergrößern. Das zweite ist: es gibt ein Programm "Zukunft der Bahn – Bahn der Zukunft", wo es um Lärmbeseitigung geht – ein Problem, was die Bürger umtreibt. Die Bahnhöfe sollten stärker saniert und renoviert werden. Es geht darum, Langsamfahrstellen zu beseitigen. Und dann ist auch der Bundeshaushalt ein Adressat für ein Drittel. Warum? Weil im Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2005 steht, dass wir ein großes Investitionsprogramm mit 25 Milliarden Euro auf den Weg bringen wollen, und das hat eine gewisse Gegenfinanzierung. Da gehören die Privatisierungserlöse der Deutschen Bahn AG mit dazu.
Fischer: Da gibt es ja Gegenwind auch aus der eigenen Partei, aber vor allen Dingen aus den Ländern. Der CSU-Vorsitzende Huber sagt, er fordert, das ganze Geld müsse den Ländern gehören, damit die Bahn nicht hingehe und andere Logistikkonzerne kaufe, was mit ihren Aufträgen nicht vereinbar sei. Ist das so? Wird Mehdorn das machen, statt Infrastruktur lieber profitable Akquisitionen?
Tiefensee: Darüber haben wir gestern im Koalitionsausschuss ausführlich diskutiert und eine Formulierung gefunden, die darauf abzielt, dass zwei Drittel, also der Anteil, der zur Eigenkapitalstärkung in die Bahn geht, und das zweite Drittel "Zukunft der Bahn" in Deutschland investiert werden. Das heißt auch das Geld, was der Bahn zufließt, soll zwingend ausgegeben werden, um den deutschen Kunden, den Kunden auf den deutschen Strecken zu Gute zu kommen. Das meint sowohl die Reisenden an der Bahnsteigkante wie die Unternehmer, die ihre Waren auf die Schiene bringen.
Fischer: In Ihrer Konstruktion, die Sie gewählt haben, bleibt die Bahn faktisch in der Hand des Bundes – das Netz ja sowieso, aber auch die neue Gesellschaft wird ja nicht von Fremdinvestoren beherrscht werden können. Betrieb und Netz gehören also eigentlich unter ein Dach zusammen. Wäre es nicht besser, um für mehr Wettbewerb zu sorgen, diese beiden Teile wirtschaftlich voneinander getrennt zu halten?
Tiefensee: Sie agieren getrennt unter einem Dach und kein anderes Land der Europäischen Union weist einen so starken und einen so ausgeprägten Wettbewerb aus. Da tummeln sich im Güterverkehr unterschiedliche Anbieter und auch die Länder können für ihre Regionalverkehre Ausschreibungen vornehmen. Da können sich private genauso bewerben wie die Deutsche Bahn AG. Und wir stellen fest, dass gerade auch im Regionalverkehr die Anzahl derjenigen zunimmt, die als Wettbewerber auf der Schiene sind. Das zeigt, dass mit der Konstruktion schon jetzt, die wir haben, also 100 Prozent Eigentum der Deutschen Bahn AG beim Bund, ein Wettbewerb möglich ist und die Kunden sehen ja, wie sich das in den letzten 15 Jahren verändert hat. Man stelle sich noch einmal vor, wie das Anfang der 90er Jahre war. Jetzt haben wir eine Deutsche Bahn AG mit höchster Dienstleistungsqualität und das soll auch in der Zukunft so bleiben.
Fischer: Aber im Aufsichtsrat wird kein Vertreter eines möglichen Investors sitzen?
Tiefensee: Zumindest wird er dort nicht mit Stimmrecht sitzen können. Er wird seine Meinung sicherlich kundtun können. Es kommt aber am Ende darauf an, ob er Einfluss auf die wesentlichen strategischen Unternehmensentscheidungen haben wird, und das ist jetzt ausgeschlossen. Eine ganz wichtige Bedingung der Sozialdemokratie: integrierter Konzern und Netz beim Bund. Wir wollen für die Kollegen, die 230.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn sorgen und wir wollen ausschließen, dass Investoren strategischen Einfluss auf die wesentlichen wichtigen Unternehmensentscheidungen haben. Das sollte schon bei der DB AG und beim Bund bleiben.
Fischer: Rückblick auf die Privatisierung von Post und Telekom. Da ist es ja in ersten Schritten auch gelungen, mehr als 24,9 Prozent an die Börse zu bringen. Warum soll denn das bei der Bahn nicht funktionieren, was damals schon geklappt hat?
Tiefensee: Noch einmal: Die Bahn ist mit ihrem Grundgesetzauftrag im Grundgesetz verankert. Der Bund stellt sicher, dass die Infrastruktur ordentlich zur Verfügung steht, und er sorgt dafür, dass der Güterverkehr und der Fernverkehr in der Qualität und in der Quantität angeboten werden, wie die Bevölkerung und die Unternehmen das brauchen. Die Länder haben den Grundgesetzauftrag, für den Regionalverkehr zu sorgen. Das ist anders als bei Telekom. Das ist anders als bei Energieversorgern. Das ist anders als bei der Post. Deshalb brauchen wir auch eine besondere Lösung und damit wir diesen Grundgesetzauftrag Länder und Bund in vollem Umfang umsetzen können, haben wir eine Konstruktion gewählt, die es ausschließt, dass Investoren unternehmerische Entscheidungen wesentlich beeinflussen können. Deshalb die 24,9 Prozent. Und glauben Sie mir: Es wird ein großer Betrag Geldes hereinkommen, der die Bahn stärker macht, damit sie sich durchsetzt – in Deutschland im Wettbewerb und auch in Europa.
Fischer: Aber wird es nicht doch so sein, dass Investoren Einfluss erhalten, denn die Aktionäre werden sich ja eine Meinung bilden und auch auf Hauptversammlungen dann erscheinen?
Tiefensee: Richtig. Wir sind ja froh darüber, dass Investoren mit ihren Ideen, auch mit ihren Visionen die Deutsche Bahn AG voranbringen. Die Frage war nur: Können sie rechtlich, können sie aktienrechtlich Einfluss nehmen auf die Unternehmenspolitik. Können sie beispielsweise dafür sorgen, dass Verkehre Renditeerwartungen unterworfen werden oder untergeordnet werden? Können sie dafür sorgen, dass Beschäftigte entlassen werden und damit das Gefüge dieser 230.000 Beschäftigten nachhaltig erschüttert wird? Das alles hat uns umgetrieben und aus diesem Grunde die Lösung nein, wir wollen Partner im Boot haben, die die Langfristperspektive sehen, aber wir wollen ausschließen, dass sie sich unternehmerisch in einer Weise einmischen, wie es schlecht für die Bahn wäre.
Fischer: Es gibt ja noch ein Detail aus dieser Verabredung. Das ist, dass diese Privatisierung in einem Tarifvertrag festgehalten werden soll. Wann rechnen Sie denn damit, dass es den geben wird?
Tiefensee: Da ist die Gewerkschaftsseite - das meint Transnet und GDBA - und auf der anderen Seite der Arbeitgeber Deutsche Bahn AG, da sind diese Vertragsparteien schon sehr weit gekommen. Am Samstag hat es eine erste Verhandlung gegeben und die hat zu einem Eckpunktepapier geführt. Dieses Eckpunktepapier zu einem solchen Tarifvertrag enthält alle wesentlichen Passagen. Darauf hat man sich geeinigt, so dass ich sicher bin, dass wir im Laufe der nächsten Wochen, vielleicht sogar Tage zu einem solchen Tarifvertrag kommen, der die Beschäftigung sichern soll und auch Auskunft gibt über die Struktur der DB AG. Das ist auch wichtig, damit die Beschäftigten, die ja letztlich für die hohe Qualität der DB AG in den letzten Jahren gesorgt haben, ein hohes Maß an Sicherheit haben.
Fischer: Dieser Tarifvertrag ist ja etwas ungewöhnlich. Er würde ja in der Tariflandschaft ganz besonders hervorstechen. Es gibt daran auch heftige Kritik. Auch der Koalitionspartner CDU sieht das nicht unbedingt so. Ist es wirklich sinnvoll, diese Privatisierung in einen Tarifvertrag festzuschreiben?
Tiefensee: Ich weiß, dass es innerhalb der CDU unterschiedlichste Meinungen gegeben hat. Bisher war immer die SPD auf der Hauptbühne und alles andere hat sich eher im Hintergrund abgespielt. Ja, es gibt einige in der CDU, die den Konzern zerschlagen wollen, die den konzerninternen Arbeitsmarkt für nicht so wichtig erachten. Es gibt einige, die dem Wettbewerb absolut frönen und deshalb andere Lösungen vorgeschlagen haben. Wir haben uns gestern Abend im Koalitionsausschuss aber ausführlich mit dieser Frage beschäftigt, auch mit der Frage des Tarifvertrages. Es taucht bei uns im Papier auf, dass wir die Eckpunkte zur Kenntnis nehmen, und das meint für die sozialdemokratische Seite sehr erfreut zur Kenntnis nehmen, denn sie sind ein Eckpfeiler für die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG. Uns geht es auch um die Beschäftigten. Wenn die nicht motiviert sind, wenn die nicht eine sichere Perspektive haben, dann wird es auch keine hohe Qualität der Deutschen Bahn AG geben und dann werden wir Wettbewerbern auf den Schienen hierzulande, aber auch in Europa unterliegen.
Fischer: Bundesverkehrsminister Tiefensee zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Vielen Dank für das Gespräch.
Tiefensee: Gerne und auf Wiederhören!