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"Eine starke linke Opposition aufbauen"

Der nordrhein-westfälische Landesverband der ehemaligen PDS soll nach dem Willen seines Bündnispartners WASG darauf verzichten, nach der Umbenennung in Linkspartei das Kürzel PDS im Namen zu führen. Außerdem erwarte man aussichtsreiche Listenplätze für eine Bundestagswahl, sagte der WASG-Landesvorsitzende in NRW, Wolfgang Zimmermann.

Moderation: Detlev Karg |
    Karg: Heute stellt die PDS in etlichen Bundesländern ihre Landeslisten für den Bundestag auf. Es geht darum, für die Delegierten sichere Plätze für die Reise nach Berlin zu ergattern. Dies ist umso bedeutender als dem Wahlbündnis aus der westdeutschen WASG und der PDS gute Ergebnisse vorhergesagt werden. Nun gab es in Bayern schon Streit, der gestern beigelegt wurde: Der dortige WASG-Landeschef erhielt keinen sicheren Listenplatz - der Streit wurde beigelegt, denn die PDS sitzt am längeren Hebel, weil sie die Listenplätze vergeben kann. Heute tagen weitere westdeutsche Verbände, so auch in Essen, in Nordrhein-Westfalen.

    Was also ist heute zu erwarten in Essen? Darüber möchte ich mit dem Landesgeschäftsführer der WASG sprechen, Wolfgang Zimmermann. Herr Zimmermann, mit welchen Forderungen oder Hoffnungen gehen Sie denn heute Nachmittag nach Essen?

    Zimmermann: Forderungen können wir nicht stellen. Es ist richtig, dass die Landesmitgliederversammlung der PDS beziehungsweise Linkspartei Herrin des Verfahrens ist - das ist nach dem Wahlrecht so. Wir haben Vorschläge. Wir haben Vorschläge ihnen nahe gelegt bezüglich des Namens. Und wir haben Vorschläge bezüglich der Besetzung der Landesreserveliste. Das sind reine Vorschläge, die wir machen und wir hoffen, dass die Vernunft siegt und ein gemeinsames Projekt möglich ist zu den diesjährigen Bundestagswahlen.

    Karg: Das klingt ja so, als hätten Sie zumindest eine Minimalforderung. Ist das so?

    Zimmermann: Ja, auf die Minimalforderung sind wir vom Bundeswahlleiter zurückgeschraubt worden. Das heißt, mehr als 25 Prozent dürfen auf der Landesreserveliste Nichtmitglieder der PDS sein und das bedeutet letztendlich, dass auf den aussichtsreichen Plätzen acht bis neun, maximal zehn, zwei Mitglieder der WASG beziehungsweise eben Nichtmitglieder der PDS sein dürfen.

    Karg: Wie ist das denn innerhalb der WASG vermittelbar? Geht Ihnen das dann nicht quer runter, wo Sie doch doppelt so viele Mitglieder hier in Nordrhein-Westfalen haben als die PDS?

    Zimmermann: Das ist richtig. Das erfreut uns nicht, das ist keine Frage. Das Problem ist nur, dass man sich nicht nur auf die Bundestagswahl fixieren darf. Wir haben ein Projekt vor, innerhalb Deutschlands ein Gesprächsprozess in Gang zu setzen, ein Diskussionsprozess innerhalb der Linken in Deutschland, der wird weitaus länger dauern als die wenigen Wochen bis zur Bundestagswahl. Und es geht einerseits natürlich darum, Herr Karg, dass wir eine starke linke Opposition aufbauen im Bundestag am 18. September. Aber es geht auch darum - und das ist mindestens genauso wichtig -, dass wir innerhalb der deutschen Linken einen Vereinheitlichungsprozess hinbekommen - und dann sind die Karten auch anders verteilt innerhalb des Kräfteverhältnisses der Linken in Deutschland.

    Karg: Wir sprechen ja über zwei Plätze innerhalb der ersten acht bis zehn Plätze, also müssten die Leute von Ihnen - ich denke mal, Sie wünschen das zumindest - auf die beiden allerersten Plätze kommen. Ist das richtig als Maximalforderung?

    Zimmermann: Das ist richtig. Unser Mitglied Oskar Lafontaine wird kandidieren. Er wird heute in Essen sein und er wird kandidieren für Platz eins.

    Karg: Und Platz zwei?

    Zimmermann: Platz zwei ist ein Frauenplatz, nach der Satzung der PDS beziehungsweise Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, und da werden Mitglieder, weibliche Mitglieder der PDS kandidieren. Ein weiteres Mitglied von uns, Hüseyin Aydin, das ist mein Vorgänger als NRW-Landessprecher, wird auch kandidieren und sich dort vorstellen.

    Karg: Oskar Lafontaine ist ja im Saarland auch Direktkandidat. Was sagen denn die Mitglieder dazu, dass er eine Doppelchance erhält, also hier auf der Landesliste und dort noch mal aufgestellt wird?

    Zimmermann: Das ist überhaupt kein Problem. Ich vertrete sowieso - das haben wir auch bei den Landtagswahlen praktiziert: Ich war selber Kandidat auf der Landesreserveliste und war Direktkandidat in Düsseldorf. Wir finden das richtig, dass nicht abgehoben auf Landesreservelisten kandidiert wird, sondern dass man auch sich um ein Direktmandat bemüht - obwohl das natürlich im Westen sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist gegen die herrschenden Parteien.

    Karg: Wie schaut es denn aus mit der Namensbenennung? PDS - Linkspartei, was ist da Ihre Forderung? Das "PDS" muss auf jeden Fall entfallen in Nordrhein-Westfalen?

    Zimmermann: Forderungen können wir nicht stellen. Aber wir haben der PDS deutlich gemacht, dass wir sehr zufrieden wären mit dem Namen "die Linkspartei NRW". Das Kürzel "PDS" ist ein wenig belastend - wenn es auch im Augenblick so scheint, dass es bei den Umfragen so gut wie nichts ausmacht. Aber ich glaube, das hat sehr viel damit zu tun, dass die WASG sehr damit auch identifiziert wird und dass Leute wie Oskar Lafontaine sich diesem politischen Bündnis angeschlossen haben. Aber wir legen schon Wert darauf - und haben das auch deutlich gemacht -, dass wir das sehr wünschen, dass das Kürzel "PDS" wegfällt. Und wir hoffen, dass da eine Einsicht bei den Delegierten existiert.

    Karg: Sie sprechen sehr oft von "Einsicht" und dass Sie Forderungen nicht stellen können. Was ist denn jetzt, wenn "PDS" nicht wegfällt? Nehmen wir das doch mal an. Herr Lafontaine möchte es ja eigentlich, dass es wegfällt.

    Zimmermann: Herr Lafontaine möchte das auch, das ist richtig. Ich glaube nicht, dass es richtig wäre ...

    Karg: Und der ist Ihr Zugpferd.

    Zimmermann: ... im Falle des Nichterfüllens unseres Wunsches, beispielsweise die Gespräche platzen zu lassen oder dann nicht auf den Landesreservelistenplätzen zu kandidieren. Ich glaube, dass die Bevölkerung - oder der Teil der Bevölkerung, der der Meinung ist, dass eine starke linke Opposition endlich notwendig ist - kein Verständnis dafür hätte. Deshalb ist uns die Sache wichtiger. Es ist wichtig, die Politik in diesem Lande zu verändern, dies zu beeinflussen. Und es wäre wünschenswert, wenn wir uns in dem Bundestagswahlkampf mehr einbringen könnten, auch über Plätze auf der Landesreserveliste - politisch können wir uns jederzeit stark einbringen -, aber man muss einfach da die Kirche im Dorf lassen und sagen: Es ist wichtig, Politik zu machen. Und da kommt es natürlich auch auf Personen an. Aber sie stehen nicht immer so im Vordergrund.

    Karg: Aber noch mal zurück: Angenommen, die PDS beharrt darauf, auf den Namenszusatz. Sie sagen, ein Bruch wäre nicht sinnvoll. Aber es könnte dennoch passieren?

    Zimmermann: Wenn es passieren würde - oder was noch schlimmer wäre: wenn es passieren würde, dass die beiden, die wir auf der Liste auf jeden Fall zu sehen wünschen, Oskar Lafontaine und Hüseyin Aydin, wenn die nicht durchkommen würden - das ist natürlich das Recht dann der Mitglieder der PDS auf dieser Versammlung heute und morgen -, aber dann würde zumindest der Diskussionsprozess, der in den kommenden Jahren läuft, sehr erschwert und sehr belastet.

    Karg: Was mir auch noch aufgefallen ist bei unserem Gespräch: Sie sagen - ich sprach es vorhin schon an -, Forderungen könne man nicht stellen und Sie haben Wünsche. Das klingt für mich immer so ein bisschen, als sei die WASG - obwohl sie hier die stärkere Partei ist - so ein bisschen das Anhängsel der PDS. Das kann ja eigentlich keine gute Voraussetzung für eine einige Linke sein, von der ja immer auch gesprochen wird?

    Zimmermann: Herr Karg, wir sind mit Sicherheit nicht das Anhängsel. Wir haben in Nordrhein-Westfalen mittlerweile fast 2500 Mitglieder. Die PDS hat knapp über 1100, soweit ich weiß. Wir haben deutschlandweit fast jeden Tag 100 neue Mitglieder, ungefähr. In Nordrhein-Westfalen vor allen Dingen ist eine stetig steigende Tendenz zu verzeichnen. Wir werden in der Bevölkerung sehr stark angenommen. Wenn man sich das Wahlergebnis auch in Nordrhein-Westfalen einmal anschaut, von der Landtagswahl: 2,2 Prozent aus dem Stand heraus, als Partei, die gerade mal vier Monate alt war, eine wenig entwickelte Infrastruktur, wenig finanzielle Ressourcen hatte - die PDS, die seit über 15 Jahren besteht, hat in Nordrhein-Westfalen 0,9 Prozent geholt. Das zeigt ganz deutlich auf, wie das Kräfteverhältnis ist. In Nordrhein-Westfalen ist es am deutlichsten, aber auch in den westlichen Bundesländern. Es ist anders natürlich in den fünf neuen Ländern, das muss man sagen. Aber das ist vollkommen klar, das Selbstbewusstsein unserer Partei, unserer Mitglieder ist sehr stark entwickelt. Und wenn es dann darum geht, nach den Bundestagswahlen diesen mindestens zweijährigen Diskussionsprozess innerhalb der deutschen Linken in Gang zu bringen, dann haben wir ein weitaus größeres Gewicht, das kann ich Ihnen versichern.

    Karg: Gut. Vor halb acht noch eine Frage zum Schluss: Von der SPD sind ja unterschiedliche Auffassungen zu hören - wie stehen Sie zu einer möglichen Koalition mit den Sozialdemokraten im Herbst?

    Zimmermann: Wenn die Sozialdemokratie beziehungsweise die SPD endlich aufhört, diese neoliberale Politik weiter zu betreiben, wenn sie aufhört, Sozialabbau voranzutreiben, Agenda 2010 und anderes, dann könnte man ja eventuell über vieles reden - nur glaube ich das nicht. Die SPD hat in den letzten Jahren eine Politik durchgeführt, die verheerend ist, die sich von CDU-Politik und teilweise sogar FDP-Politik kaum unterscheidet. Mit solchen Parteien können wir nicht zusammenarbeiten. Das werden wir auch nicht tun. Dann müssten sie ihr Programm vollständig ändern.