Archiv


"Eine totale Trendwende wird es vermutlich nicht geben"

Der neue Landwirtschaftsminister Niedersachsens, Gert Lindemann, habe seine Antrittserklärung zunächst einmal dafür genutzt, das Verhalten der niedersächsischen Behörden zu verteidigen, sagt Landeskorrespondentin Susanne Schrammar.

Susanne Schrammar im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Susanne Kuhlmann: Heute Morgen wurde im niedersächsischen Landtag der neue Landwirtschaftsminister Gert Lindemann von der CDU vereidigt. Er folgt Astrid Grotelüschen im Amt, die vorigen Monat nach wochenlangen Debatten um Versäumnisse in den familieneigenen Putenmast-Anlagen zurückgetreten war. Danach kam der Dioxin-Skandal, der für Niedersachsen eine besondere Brisanz hat, weil dort viele Eier, aber auch Geflügel und Schweinefleisch produziert werden. Es ist zwar kein übliches Prozedere, liegt aber wohl auf der Hand, dass der neue Landwirtschaftsminister unmittelbar nach seiner Vereidigung die Gelegenheit zu einer Regierungserklärung nutzte. – Susanne Schrammar, unsere Landeskorrespondentin, hat zugehört. Frau Schrammar, wie hat sich Gert Lindemann denn zum Dioxin-Fall positioniert?

    Susanne Schrammar: Ja. Der CDU-Politiker hat zunächst einmal seine Regierungserklärung dafür genutzt, das Verhalten der niedersächsischen Behörden zu verteidigen. Er hat gesagt, jede neue Information sei umgehend und professionell ausgewertet worden, es habe sachgerechte Maßnahmen gegeben, man habe konsequent lösungsorientiert und sorgfältig gehandelt. Es hatte ja in den vergangenen Tagen explizit Kritik an den niedersächsischen Behörden gegeben. Da hatte sich der neue Minister gleich vor seine Leute gestellt.

    Er hat aber heute auch betont, dass der Skandal keine Notwendigkeit für eine Agrarwende liefere aus seiner Sicht. Er hat dazu genutzt, die landwirtschaftlichen mittelständischen Betriebe in Schutz zu nehmen – das ist eine wichtige Lobby für die CDU in Niedersachsen -, und er hat gesagt, die Ursache der Dioxin-Überschreitungen seien kein Systemfehler, dass Biobetriebe nicht betroffen seien, das sei eher ein Zufall gewesen, und eine nostalgische Verklärung traditioneller Produktionsweisen diene weder der Landwirtschaft, noch dem Verbraucher. Also ein klares Nein an alle, die jetzt vielleicht ein Tabula Rasa in der niedersächsischen Agrarpolitik erwartet hätten.

    Kuhlmann: Am Wochenende hatte es ja Streit zwischen niedersächsischen Behörden und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner gegeben. Sie haben darauf gerade schon angespielt. Im Mittelpunkt stand das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und es ging um vertauschte Proben und verfehlte Kommunikation. Will Herr Lindemann darauf wirklich nicht reagieren?

    Schrammar: Er hat zumindest heute keine Fehler oder Kommunikationspannen bei der Bewältigung dieses Skandals eingeräumt, auch wenn es heute schon wieder Hinweise gibt, dass beim LAVES, also beim Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, in zwei Fällen wieder mal Informationen offenbar schon früher vorgelegen haben sollen, aber da hat es wohl wieder Tage gedauert, bis diese Informationen weitergegeben worden sein sollen. Es geht dabei einmal um den Futtermittelbetrieb in Damme, gegen den seit dem Wochenende ermittelt wird, und eben um die von Ihnen angesprochene vertauschte Probe. Eingeräumt hat Lindemann in seiner Regierungserklärung, wie gesagt solche Fehler nicht, aber er hat angekündigt, dass das behördliche Handeln analysiert werden soll, und wenn nötig, will er auch personelle Konsequenzen ziehen. Dazu passen Spekulationen, die heute aufgetaucht sind, über eine mögliche Ablösung des Präsidenten des LAVES, aber wir gehen hier in Hannover davon aus, dass das nicht sofort passiert, sondern vielleicht erst in den nächsten Wochen.

    Kuhlmann: Das Krisenmanagement war in Ordnung, hat Herr Lindemann gesagt, aber das hindert ihn ja nicht daran, künftig eigene Akzente in der niedersächsischen Agrar- und Verbraucherschutzpolitik zu setzen. Gibt es da schon Hinweise, welche es sein könnten?

    Schrammar: Ja! Wie gesagt, eine totale Trendwende wird es vermutlich nicht geben. Aber Lindemann will einige Rahmenbedingungen offenbar ändern. Die Rede ist von mehr Verbraucherschutz, mehr Transparenz. So will Lindemann zum Beispiel ein spezielles Verbraucherschutzreferat in seinem Ministerium einrichten. Das soll in Krisenreaktionen besonders schnell reagieren und auch eine Art Anlaufstelle für besorgte Bürger sein. Und er will auch mehr Tierschutz in der Landwirtschaft durchsetzen. In einem Gespräch sagte er, er wolle Bedingungen schaffen, die nicht automatisch zu Tierquälerei führten, und er will auch Nicht-Regierungsorganisationen, also zum Beispiel Tierschutzverbände, mit einbeziehen in seine Überlegungen. Aber er hat auch deutlich gemacht, dass es eine klare Grenze des Tierschutzes gibt, nämlich dann, wenn die Wirtschaftlichkeit der Betriebe gefährdet sei. Näheres zu seiner Politik will er dann im Februar verkünden.

    Kuhlmann: Der neue Landwirtschaftsminister Niedersachsens und seine Regierungserklärung zum Dioxin-Problem. Danke nach Hannover an Susanne Schrammar.