Jochen Spengler: Spätestens seit Tschernobyl gilt die Atomkraft vielen Deutschen als nicht beherrschbar, und nicht zuletzt der Angst vor dem Atomstaat verdanken die Grünen ihren Aufstieg zur etablierten Partei. Die rot-grüne Koalition setzte schließlich den Atomausstieg durch, und nach dem Störfall in dem schwedischen AKW Forsmark vor wenigen Tagen fühlen sich Atomkraftgegner erneut bestätigt. Zwar gestand Bundesumweltminister Gabriel gestern zu, dass sich ein solcher Störfall in einem der verbliebenen 17 deutschen Reaktoren wohl kaum ereignen könne. Nichtsdestotrotz betonte er aber, dass es beim geplanten Ausstieg bleiben werde. Atomkraft, nein danke, es ist fast schon Staatsräson in Deutschland. Andere Staaten sehen das inzwischen zunehmend anders, Frankreich, Großbritannien, Finnland etwa, und das liegt nicht nur an den weltweit steigenden Öl- und Gaspreisen, an dem Wunsch nach einer sicheren Energieversorgung und an dem Klimawandel, sondern es liegt auch daran, dass die Kernforschung Fortschritte gemacht hat. Darüber wollen wir nun mehr wissen von Professor Alfred Voß, dem Leiter des Instituts für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart. Guten Morgen, Herr Voß!
Alfred Voß: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Voß, warum haben Sie keine Angst vor der Kernkraft?
Voß: Nun, primär deshalb, weil wir in sehr umfassenden Untersuchungen der Risiken der verschiedenen Energieversorgungssysteme festgestellt haben, das ist auch keine ganz neue Erkenntnis, dass die Kernenergie eine vergleichsweise risikoarme Technologie ist und dass die Risiken für das menschliche Leben und die menschliche Gesundheit, wenn man alles einbezieht, bei der Kernenergie niedriger sind als bei den fossilen Energieträgern und teilweise auch niedriger sind als bei vielen erneuerbaren Energieträgern.
Spengler: Das müssten Sie sagen, was ist denn an erneuerbaren Energiequellen so risikoreich?
Voß: Die erneuerbaren Energiequellen erfordern für ihre Nutzbarmachung einen großen Aufwand an Materialien und nicht energetischen Rohstoffen. Und die Herstellung dieser Materialien, von der Gewinnung bis hin zur, ich sage mal, zur Photovoltaikzelle ist auf der einen Seite sehr energieaufwändig, und sie ist natürlich in diesem Zusammenhang dann auch mit Risiken durch Emission, mit indirekten Risiken verbunden, mit Transportrisiken, die wir heute vielleicht gar nicht mehr so als gefährlich wahrnehmen. Sie sind aber da, und wenn man all das aufsummiert, dann stellt man eben fest: Eine risikolose Energietechnologie kann es grundsätzlich nicht geben, und weil die Kosten vieler erneuerbarer sehr hoch sind, sind auch die damit verbundenen, ich sage mal, normalen, alltäglichen Risiken, wenn man sie aufsummiert, vergleichsweise hoch.
Spengler: Dafür ist natürlich ein Risiko bei einem Kernkraftwerk, wenn es denn dann zu einem GAU, zu einem größten anzunehmenden Unfall kommt, unvergleichlich viel höher, siehe Tschernobyl.
Voß: Ja, wir sprechen dann nicht davon, dass das Risiko größer ist, sondern dass der Schadensausmaß potenziell größer sein kann. Dafür ist aber die Eintrittswahrscheinlichkeit von solchen Schadensfällen dann auch sehr viel kleiner, und dieses Produkt aus Schadensausnahme, Eintrittswahrscheinlichkeit, bezeichnet man normalerweise als Risiko. Aber das Schadenspotenzial ist vergleichsweise hoch, das ist richtig.
Spengler: Wie sieht es denn aus mit der Kernforschung, welche Fortschritte gibt es zum Beispiel, um eine Kernschmelze zu verhindern?
Voß: Also es gibt im Prinzip, ich sage, zwei Ansätze, die man im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Kerntechnik und zur Reduzierung der Risiken verfolgt. Das ist einmal, dass man Reaktoren baut, in denen naturgesetzlich eine Kernschmelze nicht auftreten kann, weil der Kern sich nicht so aufheizen kann, dass das Material schmilzt. Das ist zum Beispiel als Stichwort der Hochtemperaturreaktor, der in Deutschland mal entwickelt worden ist, jetzt hier nicht weiterverfolgt wird, aber im Ausland, zum Beispiel in Südafrika, weiterentwickelt wird. Und das zweite Konzept besteht darin, dass man Anlagen gegen eine Kernschmelze auslegt, so dass also auch bei einer hypothetisch unterstellten Kernschmelze das Schadensausmaß auf die Anlage begrenzt bleibt, so dass Evakuierung und Notfallmaßnahmen außerhalb der Anlage nicht notwendig sind.
Spengler: Würden Sie so weit gehen zu sagen, ein Tschernobyl ist dann nicht mehr möglich?
Voß: Also ich denke, ein Tschernobyl in dem Sinne, dass große, radioaktive Freisetzungen erfolgen, wäre dann nicht mehr möglich.
Spengler: Ein anderes wichtiges Argument gegen Kernkraft ist ja die ungelöste Frage der sicheren Endlagerung des Atommülls. Tut sich da auch was?
Voß: Also es tut sich in vielen anderen Ländern dort was, einmal, dass Endlagerkonzepte, die seit Jahren wissenschaftlich untersucht werden, auch dort konkreter umgesetzt werden. In Deutschland wird dies politisch ein Stückweit verhindert. Das ist der eine Weg. Der zweite Weg besteht darin, dass man im Bereich von Forschung und Entwicklung über neue Konzepte nachdenkt und diese entwickelt, wie man die Menge an Radioaktivität, die ich in ein Endlager bringen muss, reduzieren kann, und damit würde man erreichen, dass die dort gespeicherte Radioaktivität eben, ich sage mal, nach etwa 100 bis 200 Jahren ein Niveau erreicht hat, das dem des natürlichen Urans, das man vorher aus der Erde geholt hat, entsprechen würde.
Spengler: Nehmen wir in Deutschland eigentlich an dieser Entwicklung, dieser Forschungsentwicklung teil, oder sind wir abgekoppelt?
Voß: Also ich würde mal sagen aus meiner Kenntnis, wir sind zum großen Teil abgekoppelt. Das hat zwei Gründe: Der eine Grund besteht also darin, dass wir in Deutschland die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auch im Kernenergiebereich deutlich reduziert haben und uns nur noch auf Fragen der Reaktorsicherheit und der Endlagerung konzentrieren, und dass wir insbesondere mit der Entwicklung von neuen, innovativen Reaktorkonzepten dafür praktisch keine Forschungsmittel mehr haben und nur noch indirekt über EU-Förderprogramme an solchen weltweiten Entwicklungen beteiligt sind.
Spengler: Was heißt das für deutsche Forscher?
Voß: Das heißt im Prinzip, dass wir jetzt von diesen technologischen Fortschritten insbesondere im Hinblick auf neue, fortgeschrittene Reaktorkonzepte irgendwann völlig abgekoppelt sein werden.
Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Alfred Voß: Guten Morgen, Herr Spengler!
Spengler: Herr Voß, warum haben Sie keine Angst vor der Kernkraft?
Voß: Nun, primär deshalb, weil wir in sehr umfassenden Untersuchungen der Risiken der verschiedenen Energieversorgungssysteme festgestellt haben, das ist auch keine ganz neue Erkenntnis, dass die Kernenergie eine vergleichsweise risikoarme Technologie ist und dass die Risiken für das menschliche Leben und die menschliche Gesundheit, wenn man alles einbezieht, bei der Kernenergie niedriger sind als bei den fossilen Energieträgern und teilweise auch niedriger sind als bei vielen erneuerbaren Energieträgern.
Spengler: Das müssten Sie sagen, was ist denn an erneuerbaren Energiequellen so risikoreich?
Voß: Die erneuerbaren Energiequellen erfordern für ihre Nutzbarmachung einen großen Aufwand an Materialien und nicht energetischen Rohstoffen. Und die Herstellung dieser Materialien, von der Gewinnung bis hin zur, ich sage mal, zur Photovoltaikzelle ist auf der einen Seite sehr energieaufwändig, und sie ist natürlich in diesem Zusammenhang dann auch mit Risiken durch Emission, mit indirekten Risiken verbunden, mit Transportrisiken, die wir heute vielleicht gar nicht mehr so als gefährlich wahrnehmen. Sie sind aber da, und wenn man all das aufsummiert, dann stellt man eben fest: Eine risikolose Energietechnologie kann es grundsätzlich nicht geben, und weil die Kosten vieler erneuerbarer sehr hoch sind, sind auch die damit verbundenen, ich sage mal, normalen, alltäglichen Risiken, wenn man sie aufsummiert, vergleichsweise hoch.
Spengler: Dafür ist natürlich ein Risiko bei einem Kernkraftwerk, wenn es denn dann zu einem GAU, zu einem größten anzunehmenden Unfall kommt, unvergleichlich viel höher, siehe Tschernobyl.
Voß: Ja, wir sprechen dann nicht davon, dass das Risiko größer ist, sondern dass der Schadensausmaß potenziell größer sein kann. Dafür ist aber die Eintrittswahrscheinlichkeit von solchen Schadensfällen dann auch sehr viel kleiner, und dieses Produkt aus Schadensausnahme, Eintrittswahrscheinlichkeit, bezeichnet man normalerweise als Risiko. Aber das Schadenspotenzial ist vergleichsweise hoch, das ist richtig.
Spengler: Wie sieht es denn aus mit der Kernforschung, welche Fortschritte gibt es zum Beispiel, um eine Kernschmelze zu verhindern?
Voß: Also es gibt im Prinzip, ich sage, zwei Ansätze, die man im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Kerntechnik und zur Reduzierung der Risiken verfolgt. Das ist einmal, dass man Reaktoren baut, in denen naturgesetzlich eine Kernschmelze nicht auftreten kann, weil der Kern sich nicht so aufheizen kann, dass das Material schmilzt. Das ist zum Beispiel als Stichwort der Hochtemperaturreaktor, der in Deutschland mal entwickelt worden ist, jetzt hier nicht weiterverfolgt wird, aber im Ausland, zum Beispiel in Südafrika, weiterentwickelt wird. Und das zweite Konzept besteht darin, dass man Anlagen gegen eine Kernschmelze auslegt, so dass also auch bei einer hypothetisch unterstellten Kernschmelze das Schadensausmaß auf die Anlage begrenzt bleibt, so dass Evakuierung und Notfallmaßnahmen außerhalb der Anlage nicht notwendig sind.
Spengler: Würden Sie so weit gehen zu sagen, ein Tschernobyl ist dann nicht mehr möglich?
Voß: Also ich denke, ein Tschernobyl in dem Sinne, dass große, radioaktive Freisetzungen erfolgen, wäre dann nicht mehr möglich.
Spengler: Ein anderes wichtiges Argument gegen Kernkraft ist ja die ungelöste Frage der sicheren Endlagerung des Atommülls. Tut sich da auch was?
Voß: Also es tut sich in vielen anderen Ländern dort was, einmal, dass Endlagerkonzepte, die seit Jahren wissenschaftlich untersucht werden, auch dort konkreter umgesetzt werden. In Deutschland wird dies politisch ein Stückweit verhindert. Das ist der eine Weg. Der zweite Weg besteht darin, dass man im Bereich von Forschung und Entwicklung über neue Konzepte nachdenkt und diese entwickelt, wie man die Menge an Radioaktivität, die ich in ein Endlager bringen muss, reduzieren kann, und damit würde man erreichen, dass die dort gespeicherte Radioaktivität eben, ich sage mal, nach etwa 100 bis 200 Jahren ein Niveau erreicht hat, das dem des natürlichen Urans, das man vorher aus der Erde geholt hat, entsprechen würde.
Spengler: Nehmen wir in Deutschland eigentlich an dieser Entwicklung, dieser Forschungsentwicklung teil, oder sind wir abgekoppelt?
Voß: Also ich würde mal sagen aus meiner Kenntnis, wir sind zum großen Teil abgekoppelt. Das hat zwei Gründe: Der eine Grund besteht also darin, dass wir in Deutschland die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auch im Kernenergiebereich deutlich reduziert haben und uns nur noch auf Fragen der Reaktorsicherheit und der Endlagerung konzentrieren, und dass wir insbesondere mit der Entwicklung von neuen, innovativen Reaktorkonzepten dafür praktisch keine Forschungsmittel mehr haben und nur noch indirekt über EU-Förderprogramme an solchen weltweiten Entwicklungen beteiligt sind.
Spengler: Was heißt das für deutsche Forscher?
Voß: Das heißt im Prinzip, dass wir jetzt von diesen technologischen Fortschritten insbesondere im Hinblick auf neue, fortgeschrittene Reaktorkonzepte irgendwann völlig abgekoppelt sein werden.
Spengler: Ich danke Ihnen für das Gespräch.