Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Hans-Peter Uhl, er ist der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion und ebenfalls Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium der Geheimdienste. Guten Tag, Herr Uhl.
Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott.
Breker: Herr Uhl, die Tätigkeit des Kontrollgremiums ist eine geheime, das wollen wir auch respektieren. Aber stimmen Sie mir zu, dass dieser Fall im Moment wesentlich mehr Fragen als Antworten aufwirft?
Uhl: Da muss ich zustimmen, und was die Geheimhaltung vieler dieser Fragen anlangt, sollten wir prüfen, so viel wie möglich an die Öffentlichkeit zu tragen, weil die Sorge in der Bevölkerung ist begründet und berechtigt. Die Frage, ob der Verfassungsschutz seine Aufgabe richtig wahrgenommen hat in jedem Land und im Bund, ob die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt richtig gehandelt haben, das sind existenzielle Fragen für unseren Staat, das muss alles öffentlich debattiert werden.
Breker: Und möglichst schnell geklärt werden.
Uhl: Möglichst schnell geklärt werden, wobei ich aber Wasser in den Wein gießen muss. Wenn Sie gehört hätten, welche Flut von Aktenmaterial jetzt erneut gesichtet werden muss – teilweise sind es abgeschlossene Verfahren, eingestellte Verfahren, verjährte Verfahren, die aber im Lichte neuer Erkenntnisse noch mal neu aufgerollt werden müssen, von ganz anderen Beamten als die, die damals damit zu tun hatten, weil jetzt der Generalbundesanwalt zuständig ist –, dann können Sie beim besten Willen nicht erwarten, dass in wenigen Wochen jeder einzelne Fall, jeder einzelne Mord bis ins letzte Detail aufgeklärt ist.
Breker: Allerdings, Herr Uhl, muss man auch zugeben, dass offenbar beim Informationsfluss unter den Geheimdiensten und von den Geheimdiensten zur Kriminalpolizei offenbar Probleme waren.
Uhl: Da haben Sie recht. Es ist ein strukturelles Problem unseres Staatsaufbaus, der föderal ist: 16 Bundesländer und der Bund, das heißt 16 Landesämter für Verfassungsschutz mit höchst unterschiedlicher Provenienz, ganz kleine Behörden, die nicht viel leisten können, dann wieder von den großen Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Bayern hoch leistungsfähige Verfassungsschutzämter, dann haben sie 16 Landeskriminalämter und oben darüber das Pendant auf Bundesebene, das sind über 35 Behörden. Da ist Kommunikation, Datenaustausch oberstes Gebot und das ist die Schwäche unseres föderalen Staates. Hier muss erheblich nachgebessert werden.
Breker: Herr Uhl, nun haben ja Verfassungsschutz und Kriminalämter in der Vergangenheit, was etwa den islamistischen Terror anbelangt und auch den Linksterrorismus, durchaus gute Arbeit geleistet. Deutschland blieb ja weitgehend verschont. Ist vielleicht möglicherweise doch die Sehschärfe auf dem rechten Auge nicht so ausgeprägt, wie es sein sollte?
Uhl: Nein, das ist nicht der Grund. Da geht es nicht um rechts-links, sondern um die Struktur Bund-Land. Es war ein großer Kampf, dem Bundeskriminalamt eine Kompetenz für die Bekämpfung, die zentrale Bekämpfung des internationalen Terrorismus durchzusetzen. Dieser Kampf muss jetzt fortgesetzt werden bei allen Formen des Terrorismus, auch des rechtsextremen und linksextremen Terrorismus. Das ist ein Kampf Bund gegen Länder.
Breker: Und da gehören jetzt Veränderungen hin? Verstehe ich Sie da richtig?
Uhl: Da gehören jetzt Veränderungen hin, das habe ich bereits vorgeschlagen. So wie wir ein gemeinsames Terrorismus-Abwehrzentrum haben für islamistischen Terrorismus, so muss dieses ausgeweitet werden auf rechtsextremen Terror, auch linksextremen Terror. Die Verbunddateien, die Abfragemöglichkeiten vom Landesverfassungsschutz A gegenüber B und beim Bund müssen verbessert werden. Die Hemmnisse im Datenaustausch, die zum Teil auch hausgemacht sind, weil das Justizministerium sich dagegen gesträubt hat, die müssen erneut überprüft werden.
Und eine ganz entscheidende Frage wird jetzt in den Mittelpunkt auch gerückt werden, ob man will oder nicht. Es wurden sowohl in dem ausgebrannten Haus in Zwickau wie auch in dem Wohnmobil und bei den anderen Verdächtigen, die jetzt festgenommen wurden, eine Serie von Handys und von Laptops und Computern sichergestellt. Alle Menschen wollen mit Recht wissen, wie groß ist der braune Sumpf, wer gehört dazu, wer kommuniziert mit wem. Das können sie nur dadurch feststellen, dass sie die Kommunikationsdaten dieser Geräte aus den letzten Monaten jetzt Punkt für Punkt rekonstruieren, um zu sehen, wie groß ist der Sumpf, ist es nur eine Zelle von verrückten Mordgesellen, ein Dutzend oder vielleicht doch weniger, oder steckt sehr viel mehr dahinter.
Breker: 13 Jahre lang hat diese Gruppe agiert, ohne ein Bekennerschreiben. Keine Tat, die aus sich heraus etwa als Mord aus Fremdenhass sich selbst erklärt. Erst die aufgefundene DVD, die man jetzt gefunden hat, die sucht offenbar die Öffentlichkeit, und das macht sie ja eigentlich erst zu Terroristen. Da fragt man sich: Gibt es ein Umfeld, gibt es ein Netzwerk?
Uhl: Ein ideologisches Umfeld ist, auch wenn man diese DVD sieht, nicht ohne weiteres erkennbar. Es ist eine DVD, bei der auf perfide und zynische Weise man sich brüstet über die begangenen Morde, aber es ist nicht ein ideologischer Überbau erkennbar. Wozu diese Morde, was ist das politische Ziel dieser Leute, ist auch nach dieser DVD nicht ohne weiteres erkennbar. Möglicherweise gibt es gar kein solches Ziel.
Breker: Das heißt, ein NPD-Verbot, das zu diskutieren zum jetzigen Zeitpunkt, wäre verfrüht?
Uhl: Das wäre auf jeden Fall verfrüht, wie überhaupt immer sich die Frage stellt, ist ein Parteienverbot als ultima ratio ein probates Mittel. Wir haben zu unterscheiden zwischen verfassungsfeindlichen Gedanken und verfassungsfeindlichen Taten. Die Taten können wir jetzt schon bestrafen, Volksverhetzung ist bestrafbar, alles kann man machen, da braucht man kein Parteienverbot. Und verfassungsfeindliche Gedanken können sie nicht mit einem Lichtschalter ausknipsen. Die Gedanken gab es, gibt es, wird es immer geben, die Menschen dazu auch. Es gibt einen sehr viel edleren Weg als ein Parteienverbot.
Wenn wir den gesellschaftlichen Prozess so weiter voranbringen, wie wir es geschafft haben in den letzten Jahrzehnten, dass wir bei jedem Wahlsonntagabend feststellen, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen mit diesem braunen Sumpf nichts zu tun haben will, dass diese dunklen, finsteren Gestalten mit einem Prozent oder anderthalb Prozent aus dem Wahlabend herauskommen, das ist der edelste Nachweis dafür, dass sie keine Chance haben. Dafür brauche ich kein Parteienverbot. Im Gegenteil! Der Wähler hatte die Möglichkeit und hat sich von ihnen demonstrativ abgewandt. Das ist sehr viel besser als jedes Parteienverbot.
Breker: Hans-Peter Uhl war das, der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Herr Uhl, danke für dieses Gespräch.
Uhl: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hans-Peter Uhl: Grüß Sie Gott.
Breker: Herr Uhl, die Tätigkeit des Kontrollgremiums ist eine geheime, das wollen wir auch respektieren. Aber stimmen Sie mir zu, dass dieser Fall im Moment wesentlich mehr Fragen als Antworten aufwirft?
Uhl: Da muss ich zustimmen, und was die Geheimhaltung vieler dieser Fragen anlangt, sollten wir prüfen, so viel wie möglich an die Öffentlichkeit zu tragen, weil die Sorge in der Bevölkerung ist begründet und berechtigt. Die Frage, ob der Verfassungsschutz seine Aufgabe richtig wahrgenommen hat in jedem Land und im Bund, ob die Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt richtig gehandelt haben, das sind existenzielle Fragen für unseren Staat, das muss alles öffentlich debattiert werden.
Breker: Und möglichst schnell geklärt werden.
Uhl: Möglichst schnell geklärt werden, wobei ich aber Wasser in den Wein gießen muss. Wenn Sie gehört hätten, welche Flut von Aktenmaterial jetzt erneut gesichtet werden muss – teilweise sind es abgeschlossene Verfahren, eingestellte Verfahren, verjährte Verfahren, die aber im Lichte neuer Erkenntnisse noch mal neu aufgerollt werden müssen, von ganz anderen Beamten als die, die damals damit zu tun hatten, weil jetzt der Generalbundesanwalt zuständig ist –, dann können Sie beim besten Willen nicht erwarten, dass in wenigen Wochen jeder einzelne Fall, jeder einzelne Mord bis ins letzte Detail aufgeklärt ist.
Breker: Allerdings, Herr Uhl, muss man auch zugeben, dass offenbar beim Informationsfluss unter den Geheimdiensten und von den Geheimdiensten zur Kriminalpolizei offenbar Probleme waren.
Uhl: Da haben Sie recht. Es ist ein strukturelles Problem unseres Staatsaufbaus, der föderal ist: 16 Bundesländer und der Bund, das heißt 16 Landesämter für Verfassungsschutz mit höchst unterschiedlicher Provenienz, ganz kleine Behörden, die nicht viel leisten können, dann wieder von den großen Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Bayern hoch leistungsfähige Verfassungsschutzämter, dann haben sie 16 Landeskriminalämter und oben darüber das Pendant auf Bundesebene, das sind über 35 Behörden. Da ist Kommunikation, Datenaustausch oberstes Gebot und das ist die Schwäche unseres föderalen Staates. Hier muss erheblich nachgebessert werden.
Breker: Herr Uhl, nun haben ja Verfassungsschutz und Kriminalämter in der Vergangenheit, was etwa den islamistischen Terror anbelangt und auch den Linksterrorismus, durchaus gute Arbeit geleistet. Deutschland blieb ja weitgehend verschont. Ist vielleicht möglicherweise doch die Sehschärfe auf dem rechten Auge nicht so ausgeprägt, wie es sein sollte?
Uhl: Nein, das ist nicht der Grund. Da geht es nicht um rechts-links, sondern um die Struktur Bund-Land. Es war ein großer Kampf, dem Bundeskriminalamt eine Kompetenz für die Bekämpfung, die zentrale Bekämpfung des internationalen Terrorismus durchzusetzen. Dieser Kampf muss jetzt fortgesetzt werden bei allen Formen des Terrorismus, auch des rechtsextremen und linksextremen Terrorismus. Das ist ein Kampf Bund gegen Länder.
Breker: Und da gehören jetzt Veränderungen hin? Verstehe ich Sie da richtig?
Uhl: Da gehören jetzt Veränderungen hin, das habe ich bereits vorgeschlagen. So wie wir ein gemeinsames Terrorismus-Abwehrzentrum haben für islamistischen Terrorismus, so muss dieses ausgeweitet werden auf rechtsextremen Terror, auch linksextremen Terror. Die Verbunddateien, die Abfragemöglichkeiten vom Landesverfassungsschutz A gegenüber B und beim Bund müssen verbessert werden. Die Hemmnisse im Datenaustausch, die zum Teil auch hausgemacht sind, weil das Justizministerium sich dagegen gesträubt hat, die müssen erneut überprüft werden.
Und eine ganz entscheidende Frage wird jetzt in den Mittelpunkt auch gerückt werden, ob man will oder nicht. Es wurden sowohl in dem ausgebrannten Haus in Zwickau wie auch in dem Wohnmobil und bei den anderen Verdächtigen, die jetzt festgenommen wurden, eine Serie von Handys und von Laptops und Computern sichergestellt. Alle Menschen wollen mit Recht wissen, wie groß ist der braune Sumpf, wer gehört dazu, wer kommuniziert mit wem. Das können sie nur dadurch feststellen, dass sie die Kommunikationsdaten dieser Geräte aus den letzten Monaten jetzt Punkt für Punkt rekonstruieren, um zu sehen, wie groß ist der Sumpf, ist es nur eine Zelle von verrückten Mordgesellen, ein Dutzend oder vielleicht doch weniger, oder steckt sehr viel mehr dahinter.
Breker: 13 Jahre lang hat diese Gruppe agiert, ohne ein Bekennerschreiben. Keine Tat, die aus sich heraus etwa als Mord aus Fremdenhass sich selbst erklärt. Erst die aufgefundene DVD, die man jetzt gefunden hat, die sucht offenbar die Öffentlichkeit, und das macht sie ja eigentlich erst zu Terroristen. Da fragt man sich: Gibt es ein Umfeld, gibt es ein Netzwerk?
Uhl: Ein ideologisches Umfeld ist, auch wenn man diese DVD sieht, nicht ohne weiteres erkennbar. Es ist eine DVD, bei der auf perfide und zynische Weise man sich brüstet über die begangenen Morde, aber es ist nicht ein ideologischer Überbau erkennbar. Wozu diese Morde, was ist das politische Ziel dieser Leute, ist auch nach dieser DVD nicht ohne weiteres erkennbar. Möglicherweise gibt es gar kein solches Ziel.
Breker: Das heißt, ein NPD-Verbot, das zu diskutieren zum jetzigen Zeitpunkt, wäre verfrüht?
Uhl: Das wäre auf jeden Fall verfrüht, wie überhaupt immer sich die Frage stellt, ist ein Parteienverbot als ultima ratio ein probates Mittel. Wir haben zu unterscheiden zwischen verfassungsfeindlichen Gedanken und verfassungsfeindlichen Taten. Die Taten können wir jetzt schon bestrafen, Volksverhetzung ist bestrafbar, alles kann man machen, da braucht man kein Parteienverbot. Und verfassungsfeindliche Gedanken können sie nicht mit einem Lichtschalter ausknipsen. Die Gedanken gab es, gibt es, wird es immer geben, die Menschen dazu auch. Es gibt einen sehr viel edleren Weg als ein Parteienverbot.
Wenn wir den gesellschaftlichen Prozess so weiter voranbringen, wie wir es geschafft haben in den letzten Jahrzehnten, dass wir bei jedem Wahlsonntagabend feststellen, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen mit diesem braunen Sumpf nichts zu tun haben will, dass diese dunklen, finsteren Gestalten mit einem Prozent oder anderthalb Prozent aus dem Wahlabend herauskommen, das ist der edelste Nachweis dafür, dass sie keine Chance haben. Dafür brauche ich kein Parteienverbot. Im Gegenteil! Der Wähler hatte die Möglichkeit und hat sich von ihnen demonstrativ abgewandt. Das ist sehr viel besser als jedes Parteienverbot.
Breker: Hans-Peter Uhl war das, der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Herr Uhl, danke für dieses Gespräch.
Uhl: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.