Paul Jochen Fischer: Der Besuch des syrischen Außenministers Walid al-Muallim in Berlin gestern hat außenpolitische Differenzen in der Großen Koalition offenbart. Während Außenminister Steinmeier (SPD) weiter direkten Kontakt mit Syrien pflegen will, warnen Außenpolitiker der Union vor zu großen Zugeständnissen, und auch der Umgang mit dem Iran lässt die Augenbrauen nach oben gehen.
Auf der Nahostkonferenz von Annapolis Ende vergangenen Jahres hatte Bundesaußenminister Steinmeier seinen syrischen Kollegen al-Muallim eingeladen und gestern kam der Gast aus Damaskus. Und wir haben es eben gehört: die Union sieht die Aktivitäten des Bundesaußenministers mit Befremden. Es dürfe nicht immer wieder der rote Teppich ausgerollt werden, heißt es.
Darüber möchte ich nun mit dem Politikwissenschaftler Gerd Langguth reden. Guten Tag nach Bonn!
Gerd Langguth: Guten Tag, Herr Fischer!
Fischer: Herr Langguth, was stört denn die CDU daran, dass Steinmeier seinen syrischen Kollegen empfängt?
Langguth: Das eine sind natürlich die Fragen der eigenständigen Profilierung des Außenministers, der ja auch eine innenpolitische Dimension hat, der sich ja jetzt auch, nachdem er stellvertretender Parteivorsitzender wurde und auch sich einen eigenen Apparat aufgebaut hat - sogar mit 14 neuen Leuten, die im Außenministerium im Grunde genommen auch Innenpolitik machen und begleiten sollen, obwohl es ja das Amt des Vizekanzlers eigentlich immer nur verbal gibt, das gibt es ja nirgendwo festgeschrieben -, also, die eine Sorge ist, dass sich der Außenminister zu stark profiliert und vielleicht auch so profiliert, dass er vielleicht der künftige Kanzlerkandidat wird. Aber das ist nur die eine Seite. Es ist ja nicht immer alles nur von den Personalfragen her zu sehen, sondern es handelt sich hier schon um eine hoch delikate Angelegenheit, was den Libanon angeht und was Syrien angeht, wo ja deutsche Truppen, genauer gesagt die Deutsche Marine, im Mittelmeer steht und wo sich Syrien bisher weigert, wirklich eine konstruktive Rolle wahrzunehmen. Seit November gibt es im Libanon keine Präsidentenwahl, die nicht zustande kommt, weil nach wie vor ein außerordentlich starker Einfluss der Syrer dort ist.
Jetzt kann man das natürlich sehr unterschiedlich sehen und kann sagen, gerade deshalb ist es gut, dass der deutsche Außenminister mit dem syrischen Außenminister al-Muallim spricht. Das ist die eine Variante. Die andere Variante, die eben die CDU und auch die Kanzlerin hat: Solange da keine besseren Signale von Damaskus aus kommen, wäre das nicht angemessen. Aber festzuhalten ist: Es ist schon mehr als nur so ein kleiner Streit. Wir haben ja eben den stellvertretenden Regierungssprecher Steg gehört, der das ja so runtergespielt hat als er gesagt hat, Besuche dieser oder jener Art, dass es dazu mal eine unterschiedliche Meinung gibt. Eigentlich müsste man normalerweise erwarten, dass bei solchen hoch delikaten Besuchen dieser Art eine Abstimmung zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt stattfindet.
Fischer: Aber Herr Steinmeier ist nun mal der Bundesaußenminister und ist es eigentlich nicht richtig, wenn es in der Welt Konfliktherde gibt, dass auch der deutsche Außenminister sich dort einschaltet und dann ganz pragmatisch seinen Kollegen einlädt, um mit ihm darüber zu reden?
Langguth: Ja. Das will ich persönlich auch überhaupt gar nicht bestreiten. Ich will ja nur darauf verweisen, dass Herr Steinmeier auch im letzten Jahr zunächst einmal einen Besuch in Damaskus abgesagt hatte. Er war in Amman, und da gab es Äußerungen seitens Damaskus, die er auch im Zusammenhang mit Israel nicht als verträglich ansah und hat seinen Besuch abgebrochen. Dann war er zwischenzeitlich ja auch in Damaskus gewesen.
Und nachdem in Annapolis in den Vereinigten Staaten auch Syrien selber vertreten war und sogar auch Geheimgespräche stattgefunden haben zwischen Israel und Damaskus, ist es sicherlich auch sinnvoll, wenn von deutscher Seite entsprechende Kontakte aufgenommen und wahrgenommen werden. Davon bin ich auch überzeugt. Die Frage ist nur, ob der Zeitpunkt der richtige ist, und außerdem ist die Frage, wie sehen das die Vereinigten Staaten, an die man ja auch denken muss, die hier eine besondere Situation sehen, die ja insbesondere die Nähe von Syrien zum Iran sehen, und wie sieht das auch Israel. Da wird sicherlich die Gewichtung im Kanzleramt als eine andere wahrgenommen. Sie müssen sehen: Noch nicht einmal der außenpolitische Berater von Frau Merkel hat den syrischen Außenminister empfangen. Also das deutet schon auf eine ziemliche Verstimmung zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt hin.
Fischer: Würden Sie also Frau Merkel zustimmen, dass der richtige Zeitpunkt, darüber zu reden, den syrischen Außenminister zu empfangen, der Zeitpunkt ist, an dem es im Libanon einen Präsidenten gibt?
Langguth: Ich bin immer schon der Meinung gewesen, man muss alle auch diplomatischen Mittel nutzen. Auch die Politik der völligen Ausgrenzung von Syrien führt sicherlich nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Ich selber glaube allerdings, wenn man mit Damaskus verhandelt, muss man sehr über den Zeitpunkt nachdenken. Wir haben es leider noch in Damaskus mit einem Regime zu tun, das eben immer wieder verspricht, einen Modernisierungskurs vorzunehmen. Wenn man andererseits aber nicht mit den Syrern spricht, dann wird das natürlich auch nicht stattfinden. Man sollte sich jedoch nicht zu viel von den Gesprächen mit Damaskus erwarten.
Ich will aber noch mal sagen: Man muss das ganze ja im Zusammenhang Merkel-Steinmeier auch sehen, dass es in anderen Fällen zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt ebenso Differenzen gibt: Wenn Sie mal die Russland-Politik sehen, wenn Sie China sehen und jetzt auch, wenn Sie den Iran sehen, wo Steinmeier eine neue Initiative unternehmen will, nämlich die Außenminister der Staaten des UN-Sicherheitsrates einzuladen in Sachen Iran. Das ist übrigens auch sicherlich dann eine sinnvolle Initiative, wenn auch Ergebnisse dabei herauskommen werden. Dass der Außenminister eine andere Rolle zu spielen hat als das Kanzleramt, ist klar, aber Differenzen sind vorhanden.
Fischer: Sie haben es angesprochen: Differenzen sind vorhanden. Man hat es auch in der China-Politik der Kanzlerin gesehen. Haben wir eventuell in Deutschland, in der Bundesrepublik zwei unterschiedliche Regierungszentren für die Außenpolitik?
Langguth: Ja und nein. Natürlich ist es so - und das war immer schon der Ärger jedes Außenministers, das war auch früher unter Genscher schon so, das war bei Kinkel so und bei allen anderen -, wenn hochrangige ausländische Besucher kommen, jedenfalls Ministerpräsidenten oder Staatspräsidenten, dass die immer natürlich beim deutschen Bundeskanzler landen, dann natürlich auch ein Gespräch mit dem deutschen Außenminister haben. Da ist aber immer der Zielpunkt das Kanzleramt gewesen.
Und man muss natürlich sagen, in der Welt der direkten Diplomatie spielen zum Beispiel die deutschen Botschaften im Ausland längst nicht mehr die Rolle, weil ja auch zwischen Kanzleramt und den entsprechenden Sicherheitsberatern der jeweiligen Regierungschefs die direkten Kontakte stattfinden. Es gibt immer ganz zwangsläufig eine Konkurrenzsituation zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt, zumal man ja festgestellt hat, dass man sich auch sehr gut mit der Außenpolitik profilieren kann.
Fischer: Der Besuch des syrischen Außenministers Walid al-Muallim in Berlin gestern hat außenpolitische Differenzen in der Großen Koalition offenbart. Wir sprachen mit dem Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Vielen Dank.
Langguth: Danke auch.
Auf der Nahostkonferenz von Annapolis Ende vergangenen Jahres hatte Bundesaußenminister Steinmeier seinen syrischen Kollegen al-Muallim eingeladen und gestern kam der Gast aus Damaskus. Und wir haben es eben gehört: die Union sieht die Aktivitäten des Bundesaußenministers mit Befremden. Es dürfe nicht immer wieder der rote Teppich ausgerollt werden, heißt es.
Darüber möchte ich nun mit dem Politikwissenschaftler Gerd Langguth reden. Guten Tag nach Bonn!
Gerd Langguth: Guten Tag, Herr Fischer!
Fischer: Herr Langguth, was stört denn die CDU daran, dass Steinmeier seinen syrischen Kollegen empfängt?
Langguth: Das eine sind natürlich die Fragen der eigenständigen Profilierung des Außenministers, der ja auch eine innenpolitische Dimension hat, der sich ja jetzt auch, nachdem er stellvertretender Parteivorsitzender wurde und auch sich einen eigenen Apparat aufgebaut hat - sogar mit 14 neuen Leuten, die im Außenministerium im Grunde genommen auch Innenpolitik machen und begleiten sollen, obwohl es ja das Amt des Vizekanzlers eigentlich immer nur verbal gibt, das gibt es ja nirgendwo festgeschrieben -, also, die eine Sorge ist, dass sich der Außenminister zu stark profiliert und vielleicht auch so profiliert, dass er vielleicht der künftige Kanzlerkandidat wird. Aber das ist nur die eine Seite. Es ist ja nicht immer alles nur von den Personalfragen her zu sehen, sondern es handelt sich hier schon um eine hoch delikate Angelegenheit, was den Libanon angeht und was Syrien angeht, wo ja deutsche Truppen, genauer gesagt die Deutsche Marine, im Mittelmeer steht und wo sich Syrien bisher weigert, wirklich eine konstruktive Rolle wahrzunehmen. Seit November gibt es im Libanon keine Präsidentenwahl, die nicht zustande kommt, weil nach wie vor ein außerordentlich starker Einfluss der Syrer dort ist.
Jetzt kann man das natürlich sehr unterschiedlich sehen und kann sagen, gerade deshalb ist es gut, dass der deutsche Außenminister mit dem syrischen Außenminister al-Muallim spricht. Das ist die eine Variante. Die andere Variante, die eben die CDU und auch die Kanzlerin hat: Solange da keine besseren Signale von Damaskus aus kommen, wäre das nicht angemessen. Aber festzuhalten ist: Es ist schon mehr als nur so ein kleiner Streit. Wir haben ja eben den stellvertretenden Regierungssprecher Steg gehört, der das ja so runtergespielt hat als er gesagt hat, Besuche dieser oder jener Art, dass es dazu mal eine unterschiedliche Meinung gibt. Eigentlich müsste man normalerweise erwarten, dass bei solchen hoch delikaten Besuchen dieser Art eine Abstimmung zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt stattfindet.
Fischer: Aber Herr Steinmeier ist nun mal der Bundesaußenminister und ist es eigentlich nicht richtig, wenn es in der Welt Konfliktherde gibt, dass auch der deutsche Außenminister sich dort einschaltet und dann ganz pragmatisch seinen Kollegen einlädt, um mit ihm darüber zu reden?
Langguth: Ja. Das will ich persönlich auch überhaupt gar nicht bestreiten. Ich will ja nur darauf verweisen, dass Herr Steinmeier auch im letzten Jahr zunächst einmal einen Besuch in Damaskus abgesagt hatte. Er war in Amman, und da gab es Äußerungen seitens Damaskus, die er auch im Zusammenhang mit Israel nicht als verträglich ansah und hat seinen Besuch abgebrochen. Dann war er zwischenzeitlich ja auch in Damaskus gewesen.
Und nachdem in Annapolis in den Vereinigten Staaten auch Syrien selber vertreten war und sogar auch Geheimgespräche stattgefunden haben zwischen Israel und Damaskus, ist es sicherlich auch sinnvoll, wenn von deutscher Seite entsprechende Kontakte aufgenommen und wahrgenommen werden. Davon bin ich auch überzeugt. Die Frage ist nur, ob der Zeitpunkt der richtige ist, und außerdem ist die Frage, wie sehen das die Vereinigten Staaten, an die man ja auch denken muss, die hier eine besondere Situation sehen, die ja insbesondere die Nähe von Syrien zum Iran sehen, und wie sieht das auch Israel. Da wird sicherlich die Gewichtung im Kanzleramt als eine andere wahrgenommen. Sie müssen sehen: Noch nicht einmal der außenpolitische Berater von Frau Merkel hat den syrischen Außenminister empfangen. Also das deutet schon auf eine ziemliche Verstimmung zwischen Auswärtigem Amt und Kanzleramt hin.
Fischer: Würden Sie also Frau Merkel zustimmen, dass der richtige Zeitpunkt, darüber zu reden, den syrischen Außenminister zu empfangen, der Zeitpunkt ist, an dem es im Libanon einen Präsidenten gibt?
Langguth: Ich bin immer schon der Meinung gewesen, man muss alle auch diplomatischen Mittel nutzen. Auch die Politik der völligen Ausgrenzung von Syrien führt sicherlich nicht zu den gewünschten Ergebnissen. Ich selber glaube allerdings, wenn man mit Damaskus verhandelt, muss man sehr über den Zeitpunkt nachdenken. Wir haben es leider noch in Damaskus mit einem Regime zu tun, das eben immer wieder verspricht, einen Modernisierungskurs vorzunehmen. Wenn man andererseits aber nicht mit den Syrern spricht, dann wird das natürlich auch nicht stattfinden. Man sollte sich jedoch nicht zu viel von den Gesprächen mit Damaskus erwarten.
Ich will aber noch mal sagen: Man muss das ganze ja im Zusammenhang Merkel-Steinmeier auch sehen, dass es in anderen Fällen zwischen Kanzleramt und Auswärtigem Amt ebenso Differenzen gibt: Wenn Sie mal die Russland-Politik sehen, wenn Sie China sehen und jetzt auch, wenn Sie den Iran sehen, wo Steinmeier eine neue Initiative unternehmen will, nämlich die Außenminister der Staaten des UN-Sicherheitsrates einzuladen in Sachen Iran. Das ist übrigens auch sicherlich dann eine sinnvolle Initiative, wenn auch Ergebnisse dabei herauskommen werden. Dass der Außenminister eine andere Rolle zu spielen hat als das Kanzleramt, ist klar, aber Differenzen sind vorhanden.
Fischer: Sie haben es angesprochen: Differenzen sind vorhanden. Man hat es auch in der China-Politik der Kanzlerin gesehen. Haben wir eventuell in Deutschland, in der Bundesrepublik zwei unterschiedliche Regierungszentren für die Außenpolitik?
Langguth: Ja und nein. Natürlich ist es so - und das war immer schon der Ärger jedes Außenministers, das war auch früher unter Genscher schon so, das war bei Kinkel so und bei allen anderen -, wenn hochrangige ausländische Besucher kommen, jedenfalls Ministerpräsidenten oder Staatspräsidenten, dass die immer natürlich beim deutschen Bundeskanzler landen, dann natürlich auch ein Gespräch mit dem deutschen Außenminister haben. Da ist aber immer der Zielpunkt das Kanzleramt gewesen.
Und man muss natürlich sagen, in der Welt der direkten Diplomatie spielen zum Beispiel die deutschen Botschaften im Ausland längst nicht mehr die Rolle, weil ja auch zwischen Kanzleramt und den entsprechenden Sicherheitsberatern der jeweiligen Regierungschefs die direkten Kontakte stattfinden. Es gibt immer ganz zwangsläufig eine Konkurrenzsituation zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt, zumal man ja festgestellt hat, dass man sich auch sehr gut mit der Außenpolitik profilieren kann.
Fischer: Der Besuch des syrischen Außenministers Walid al-Muallim in Berlin gestern hat außenpolitische Differenzen in der Großen Koalition offenbart. Wir sprachen mit dem Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Vielen Dank.
Langguth: Danke auch.