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Einigung auf Abkommen gegen Streubomben

Auf einer Konferenz in der irischen Hauptstadt Dublin haben sich heute mehr als 100 Länder auf ein Verbot von Streubomben geeinigt. Der Direktor des Aktionsbündnisses Landmine.de, Thomas Küchenmeister, begrüßte das Vertragswerk. Trotz der Nichteilnahme Russlands und der USA sei es gelungen, die Streuwaffen zu stigmatisieren.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Die Delegierten verständigten sich auf ein Abkommen, dem zufolge solche Waffen innerhalb der kommenden acht Jahre abgeschafft werden sollen. Am Telefon in Dublin begrüße ich nun Thomas Küchenmeister. Er ist Leiter des Aktionsbündnisses Landmine.de. Guten Tag Herr Küchenmeister!

    Thomas Küchenmeister: Guten Tag. Ich grüße Sie!

    Spengler: Sie engagieren sich mit Ihrer Organisation gegen Landminen, aber auch gegen Streubomben. Warum greifen Sie solche Waffen besonders heraus? Warum sind Sie nicht ganz allgemein gegen Bomben und Raketen?

    Küchenmeister: Sagen wir mal so: Wir können nicht die ganze Welt retten. Wir haben erst mal damit angefangen, Waffensysteme in den Fokus zu nehmen, die eine besondere inhumane Wirkung haben auf Menschen. Das sind nun mal Minen und Streumunition. Streumunition reagiert ja häufig aufgrund der hohen Blindgängerzahl auch minenähnlich. Deswegen haben wir uns auf diese Waffen zunächst einmal konzentriert.

    Spengler: Sagen Sie uns doch noch ganz kurz: Was ist Streumunition genau?

    Küchenmeister: Streumunition ist Munition, die per Rakete, per Artilleriegeschoss über ein bestimmtes Gebiet verstreut wird und dabei ungelenkt und nicht zwischen Zivilisten und Militärs unterscheidend aufschlägt und häufig eine hohe Blindgängerzahl produziert, dass auch nach dem Einsatz noch eine große Gefahr für Zivilisten besteht.

    Spengler: Also besonders perfide Waffen kann man sagen?

    Küchenmeister: Ja, genau.

    Spengler: Warum werden die denn so gerne eingesetzt? Sind die besonders billig oder sind die besonders effektiv?

    Küchenmeister: Die älteren Formen von Streumunition sind sicherlich nicht besonders teuer. Das ist richtig. Das ist eine Waffe, die entwickelt wurde im Kalten Kriegszeiten, um besonders gegen große mechanisierte Heere eingesetzt zu werden, eine Waffe, die nach dem Gießkannenprinzip funktioniert. Wenn man nicht genau weiß - das hat mal ein US-Offizier gesagt -, wo der Gegner steht, dann saturiert man erst mal eine Fläche mit Munition und kann dann ziemlich sicher sein, dass irgendwie einer schon getroffen wird. Das ist, wenn ich das noch hinzufügen darf, vielleicht ein Ausdruck militärischer Hilflosigkeit.

    Spengler: Nun hat ja auch gerade die Bundesregierung lange argumentiert, Streubomben, die es auch im Bestand der Bundeswehr gibt, seien militärisch erforderlich. Die Zeit des Kalten Krieges ist lange vorbei. Erforderlich wofür?

    Küchenmeister: Ja, das ist die gute Frage. Wir haben ja eine völlig veränderte sicherheitspolitische Lage. Wir haben diese schon viel beschworene asymmetrische Bedrohung und dagegen hilft Streumunition mit Sicherheit nicht. Wenn man sich anguckt, dass Streumunition so weit wir das oder die Kollegen von Handicap International zum Beispiel herausgefunden haben, zu 98 Prozent ihre Opfer aus Reihen der Zivilisten findet, dann kann man sich doch die berechtigte Frage stellen: Wo ist die militärische Nützlichkeit?

    Spengler: Wo sind denn Streubomben in letzter Zeit eingesetzt worden, Herr Küchenmeister?

    Küchenmeister: Zuletzt im Libanon. Der jüngste Fall liegt vor im Grenzgebiet Ecuador/Kolumbien. Da hat es auch einen kleinen Einsatz der kolumbianischen Regierung gegen die Farc gegeben. Das ist in einem nicht so großen Umfang passiert. Aber Israel hat natürlich bis zu vier Millionen Streumunition im Südlibanon eingesetzt und das mit den bekannten Folgen von mehreren hundert Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung.

    Spengler: Wir haben es gesagt, auch im Bericht gehört: Die Bundesregierung hat eingelenkt. Das heißt die Bestände, die es in der Bundeswehr gibt, werden vernichtet?

    Küchenmeister: Genau. Nach meiner Schätzung müssten, wenn der Vertrag in Kraft steht, ungefähr 95 Prozent der Artilleriebestände der Bundeswehr in Bezug auf Streumunition der Vernichtung zugefügt werden. Was übrig bleibt ist eine Streumine des Typs AT2 und diese sensorgezündete Streumunition, die ja vom Verbot ausgenommen wurde.

    Spengler: Warum wurde die vom Verbot ausgenommen und warum wurde im Abkommen auch die Entwicklung neuer Bombentypen nicht ausgeschlossen?

    Küchenmeister: Ich denke da wirken sicherlich auch verschiedene Dinge zusammen. Zum einen ist man sicherlich vom militärischen Wert dieser neuen Munition überzeugt und zum anderen wirken da sicherlich auch ökonomische Interessen. Besonders deutsche Firmen sind ja sehr erfolgreich sage ich mal an der Produktion und an der Entwicklung dieser sensorgezündeten Waffen beteiligt. Ich denke auch hier wirkt dann die Politik der Bundesregierung. Wenn man bedenkt, dass die Bundeswehr mit neuer Munition in der Größenordnung 500, 600 Millionen ausgestattet werden soll, dann ist das wahrscheinlich ein Argument, dem sich die Bundesregierung nicht mehr verschließen konnte.

    Spengler: Nun sind die größten Hersteller oder Nutzer von Streubomben - also USA, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel - nicht auf dieser Konferenz dabei gewesen. Was ist dieses Abkommen in Dublin überhaupt Wert?

    Küchenmeister: Das ist auch eine Frage, die häufig gestellt wird. Zumindest ist es ja gelungen, die Waffe zu stigmatisieren, und wir haben ja einen relativ starken Vertrag, denke ich mal. Wir hoffen natürlich auf den gleichen Effekt, den wir damals erzielt haben durch die Ottawa-Konvention zum Verbot von Anti-Personen-Minen, dass sich zumindest ein politisch-moralischer Druck aufbaut, der dann dazu führt, dass solche Staaten, die nicht mitmachen wie Russland oder USA, dann irgendwann zumindest indirekt verzichten. Und die USA haben das ja getan in Bezug auf Anti-Personen-Minen. Seit 1999 haben sie ja weder Anti-Personen-Minen eingesetzt noch diese produziert.

    Spengler: Wann tritt das Abkommen in Kraft?

    Küchenmeister: Nach der 30. Ratifikation. Unterschrieben wird am 2. Dezember in Oslo. Eine wichtige Frage ist, was bis dorthin passiert. Wir befürchten, dass das eine oder andere Land natürlich geneigt sein könnte, jetzt seine der Vernichtung zugeführten Bestände versucht zu verkaufen. Wir haben da erste Anzeichen, leider auch von Bundeswehrmunition entdeckt, die dann auf slowakischen Waffenmessen auftaucht und von slowakischen Firmen inklusive Raketenwerfer angeboten wird. Das gilt es unbedingt zu verhindern und hier müssen die Vertragsstaaten auch in die Pflicht genommen werden.

    Spengler: Und da bleiben Sie weiter wachsam. - Danke schön! - Das war Thomas Küchenmeister, Direktor des Aktionsbündnisses Landmine.de.