
Im Grundsatz hatten sich Union und SPD bereits im Sommer 2020 auf die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters geeinigt. Auslöser war vor allem der Fall des CDU-Politikers Philipp Amthor, der für das US-Unternehmen "Augustus Intelligence" lobbyierte und im Gegenzug Aktienoptionen erhalten hatte.
Trotzdem drohte das deutsche Lobbyregister mehrfach zu scheitern. Strittig waren vor allem zwei Punkte: Der sogenannte exekutive "Fußabdruck" und die Frage, ab welcher administrativen Ebene eine Eintragungspflicht gelten soll, wenn jemand bei der Bundesregierung lobbyiert. Nach monatelangen Verhandlungen hat die Große Koalition Anfang März 2021 eine Einigung gefunden - beim exekutiven Fußabdruck setzte sich die CDU durch, beim zweiten Punkt die Sozialdemokraten.
"Das ist schon ein großer Erfolg. Wir haben nicht geglaubt zu Anfang der Legislaturperiode als Sozialdemokraten, dass wir das kriegen", sagte Matthias Bartke, der für die SPD-Bundestagsfraktion die Einigung mitausgehandelt hat. Seit langem schon hatte die SPD, ebenso wie die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne sowie nicht staatliche Organisationen ein Lobbyregister gefordert. Auch der Europarat hatte Deutschland für einen zu laschen Umgang mit Interessenvertretungen kritisiert.
- Welche Regelungen sieht das geplante Lobbyregister vor?
- Was ist Lobbying?
- Was ist ein Lobbyregister?
- Welche Transparenzregeln gab es bereits in Deutschland?
- Was steckt hinter Forderungen nach einem "exekutiven Fußabdruck"?
- Was hat der Fall Amthor mit einem Lobbyregister zu tun?
- Was spricht gegen ein Lobbyregister?
Die Einigung der Großen Koalition sieht die eine Einführung eines gesetzlichen Lobbyregisters vor. In dieses müssen sich künftig im Prinzip alle eintragen, die politisch Einfluss nehmen und Interessen gegenüber Bundestagsabgeordneten, Fraktionen und Bundesregierung vertreten. Dabei müssen sie Angaben zu ihrem Arbeits- oder Auftraggeber, zur Anzahl der Beschäftigten und finanziellen Aufwendungen machen. Das Lobbyregister soll digital beim Bundestag geführt werden und öffentlich einsehbar sein.
In Ministerien machen Treffen bis hinunter zur Funktion eines Unterabteilungsleiters einen Eintrag in das Register nötig, erläuterte Matthias Bartke im Deutschlandfunk. Als Berichterstatter für die SPD-Fraktion hatte Barthke die Einigung mit der Union ausgehandelt. Dieser hätte es gereicht, dass die Registrierpflicht nur für Lobbyistinnen und Lobbyisten gilt, die mit den zwei höchsten Ebenen sprechen, also mit Ministerinnen oder den zugehörigen Staatssekretären. Hier hat sich also die SPD durchgesetzt.
Einzelne Kontakte bräuchten Lobbyisten zwar nicht offenlegen, sagte Bartke. Allerdings müssten sich Interessenvertreter registrieren, wenn sie Kontakt zum erfassten Personenkreis in Regierung und Bundestag hätten. Wer sich daran nicht halte, komme auf eine schwarze Liste. Zudem drohen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro.
Beim sogenannten exekutiven Fußabdruck hat sich offenbar die Union durchgesetzt. So wird es kein Gesetz geben, das die Bundesregierung dazu verpflichtet, einen exekutiven oder legislativen Fußabdruck einzuführen. Das müsse die Bundesregierung im Rahmen ihrer gemeinsamen Geschäftsordnung regeln, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Patrick Schnieder, dem Dlf-Hauptstadtstudio.
Der Gesetzentwurf zum Lobbyregister soll zeitnah im Bundestag verabschiedet werden. Wann es dann eingeführt wird, ist unklar. Denkbar wäre Anfang 2022.
Als Lobbying wird die Vertretung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Interessen gegenüber der Politik verstanden. Sie ist als solche legitimer Bestandteil von Demokratie. Lobbyisten versuchen, im Sinne ihrer eigenen Interessen oder der ihrer Kunden beratend auf Gesetzgebungsverfahren einzuwirken - in öffentlichen Anhörungen, zu denen Vertreter von Interessengruppen eingeladen werden, um ihre Stellungnahmen abzugeben, aber auch abseits der Öffentlichkeit. Lobbyisten können Unternehmen sein, Verbände, Institutionen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen.
Der Deutsche Bundestag vergibt auch Hausausweise an Lobbyorganisationen, damit diese an Sitzungen und Terminen teilnehmen und ihre Anliegen vorbringen können. Nach Angaben der Organisation Abgeordnetenwatch verfügten im vergangenen Jahr 764 Lobbyisten aus 504 Organisationen über solche Zugangskarten. Die meisten arbeiteten für Verbände oder Vereine aus den Bereichen Soziales, Verkehr- und Infrastruktur, Energie/Rohstoffe und Immobilien. Zum Vergleich: Im Parlament sitzen 709 Abgeordnete.
Die Expertise von Lobbyisten werde in der Politik gebraucht, sagte die ehemalige Wirtschaftsjournalistin und jetzige Geschäftsführerin der Hertie-Stiftung,
Elisabeth Niejahr, in Deutschlandfunk Kultur
. "Wir wollen ja auch in den Ministerien nicht nur Juristen haben, die gar nicht wissen, wie ihre Gesetze in der Praxis wirken." Lobbyarbeit müsse aber maximal transparent gemacht werden, so Niejahr.
Gerhard Schick, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und heute selbst Lobbyist als Vorstand der Nichtregierungsorganisation "Bürgerbewegung Finanzwende", sagte im Dlf, problematisch am Lobbyismus sei nicht die Tatsache, dass verschiedene Gruppen ihre Interessen verträten. Sondern dass es eine Schieflage gebe zwischen finanziell extrem starken Gruppen und den anderen. Auf der einen Seite stünden Banken und Versicherungen, die in ihren Verbänden Hunderte Personen beschäftigten, die Gespräche mit Politikern führten und Veranstaltungen ausrichteten - auf der Seite stünden kleine zivilgesellschaftliche Organisationen mit geringem Budget. "Dann ist es ja nicht erstaunlich, welche Seite gewinnt."
Ein Lobbyregister, auch Transparenzregister genannt, ist eine öffentlich zugängliche Datenbank, in die Lobbyismus betreibende Akteure Informationen über ihre Arbeit eintragen. Lobbyregister gibt es in vielen Ländern und auch für das EU-Parlament und die EU-Kommission, in Deutschland jedoch nicht. Sie sollen die Arbeit von Lobbyisten transparent machen, Hinweise auf Interessenkonflikte geben und kritische Nachfragen und Kontrolle ermöglichen. Lobbyregister können je nach Ausgestaltung folgende Regelungen beinhalten:
- Eintragungspflichten für Lobbyisten mit Angaben über Auftraggeber, bearbeitetes Politikfeld, Tätigkeiten und Budget.
- Überwachung der Eintragungspflicht und Sanktionierung bei Nichteinhaltung
- Verhaltensregeln für Lobbyisten
- Schranken wie ein Zugangsverbot zu Entscheidungsträgern im Parlament, wenn man nicht registriert ist, oder auch Karenzzeiten für Minister und Mandatsträger bei einem Wechsel in die Wirtschaft nach dem Ende der politischen Karriere. Solche "Abkühlungsphasen" sollen den unmittelbaren Seitenwechsel von Politikern oder Beamten in Lobbytätigkeiten verhindern, den sogenannten Drehtür-Effekt, und sollen so die Auswirkungen von Interessenskonflikten zwischen neuer und alter Stelle begrenzen.
Bestehende Register in anderen Ländern unterscheiden sich vor allem darin, ob sich alle Lobbyisten eintragen müssen oder erst ab einer bestimmten Ausgabenhöhe oder Arbeitszeit. Damit sollen bürokratische Zugangshürden für kleinere Organisation verhindert werden.
Ein gemeinsamer Gesetzentwurf der Nichtregierungsorganisationen Lobbycontrol und Abgeordnetenwatch sieht auch die Veröffentlichung der Einträge im Internet sowie eine unabhängige Prüfstelle vor.
- Verbändeliste: Bereits seit 1972 führt der Deutsche Bundestag eine öffentliche Verbändeliste, in die sich Verbände eintragen können, die gegenüber Bundestag und Bundesrat Interessen vertreten. Rund 2.300 Verbände stehen derzeit auf der Liste. Mit der Registrierung sind keine Rechte und auch keine Pflichte verbunden. Nichtregierungsorganisationen wie Lobbycontrol und Transparency International sowie die Opposition im Bundestag forderten seit langem ein viel weitergehendes Register mit Eintragungspflicht nicht nur für Verbände, sondern auch für Auftragslobbyisten von Unternehmen, NGOs, Denkfabriken, Kommunikationsagenturen und Rechtsanwälte, die für ihre Mandanten mit konkreten Gesetzgebungsvorschlägen an Ministerien herantreten.
- Abgeordnetengesetz: Für Bundestagsabgeordnete gilt das Abgeordnetengesetz, in dem geregelt ist, welche Nebentätigkeiten und -einkünfte angezeigt werden müssen. Als unzulässig ist darin explizit die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen genannt, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird. Abgeordnetenbestechung ist auch laut Strafgesetzbuch eine Straftat – für Mandatsträger ebenso wie für diejenigen, die versuchen diese zu bestechen.
- Karenzzeiten: Seit 2015 gibt es auch eine Karenzzeit-Regelung für den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft. Das Gesetz sieht für amtierende oder ehemalige Mitglieder der Bundesregierung eine Anzeigepflicht vor, wenn sie beabsichtigen, innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung einer Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes nachzugehen. Die angestrebte neue Beschäftigung kann für ein Jahr untersagt werden, maximal für 18 Monate. Die Organisation Lobbycontrol fordert die Ausweitung der Karenzzeit auf drei Jahre und kritisiert die fehlende Sanktionierung.
Trotz dieser Instrumente hat die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) Deutschland wiederholt aufgefordert, Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz zu ergreifen.
Neben dem Lobbyregister war der exekutive Fußabdruck eine Kernforderung der SPD. Dieser sollte die Bundesregierung verpflichten offenzulegen, wer konkret wie an einem Gesetzestext mitgewirkt. Auch die Organisation Lobbycontrol fordert einen solchen exekutiven Fußabdruck. Die meisten Gesetzentwürfe würden in den Ministerien geschrieben, weshalb für Unternehmen und Verbände dort also der beste Ansatzpunkt sei, Bedenken zu artikulieren oder gar ganze Formulierungen zu platzieren, argumentiert Lobbycontrol.
Um ein solches Vorgehen transparent zu machen, müssten alle Lobbyistinnen und Lobbyisten aufgeführt werden, mit denen etwa Abgeordnete im Rahmen ihrer Arbeit an einem Gesetz Kontakt hatten, und es müsste dokumentieren, welche Informationen, Ideen und Vorschläge von wem übernommen wurden.
"Der Fall wäre mit einem Lobbyregister nicht anders gelaufen",
meint Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio-Korrespondent
Stephan Detjen. Denn bei Amthor geht es um die mögliche Verletzung bestehender Transparenzregeln für Abgeordnete selbst – ob er beispielsweise im Gegenzug für seinen Einsatz für das Unternehmen "Augustus Intelligence" Geldleistungen bekommen hat, die er nicht wie im Abgeordnetengesetz vorgeschrieben angezeigt hat. Auch Regelungslücken wurden offenbar, weil Amthor Aktienoptionen bekommen haben soll, die nicht anzeigepflichtig sind, die aber dennoch einen Interessenkonflikt für ihn bedeuten können. Ein Lobbyregister dagegen soll die Einflussnahme von außen auf Parlamentarier und andere transparent machen, also von Interessenorganisationen, die auf die Politik zugehen.
Timo Lange von Lobbycontrol erklärte allerdings im Gespräch mit Deutschlandfunk Nova, auch im Fall Amthor wären einige Dinge früher sichtbar gewesen, wenn es in Deutschland ein Lobbyregister vergleichbar mit dem für EU-Parlament und EU-Kommission gäbe.
Die US-Firma "Augustus Intelligence" hätte sich in das Lobbyregister eintragen müssen, meint Lange. EU-Parlamentarier müssen auch Lobbykontakte und Gespräche mit Lobbyisten offenlegen - allerdings nur, wenn es dabei um die Gesetzgebung geht. Auch mit Blick auf Reisekosten und ähnliches seien die Offenlegungspflichten im EU-Parlament umfangreicher als im Bundestag.
Die Gegner eines Lobbyregisters beispielsweise in der CDU hatten befürchtet, durch ein Lobbyregister gerate die Freiheit des Abgeordnetenmandats in Gefahr. Nach Ansicht von Unionsfraktionsvize Thorsten Frei darf es nicht verpönt sein, wenn Politiker mit Fachleuten sprechen, die auch Interessen vertreten. Auch die zusätzliche Bürokratie wurde kritisiert.