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Einladen, ausladen, ignorieren?
Wirtschaftslenker kritisieren AfD

Eigentlich wollte der Handelsverband Bayern alle Landtagsparteien zum Neujahrsempfang laden. Nach dem Eklat am Holocaust-Gedenktag lud der Verband die AfD wieder aus. Die bayerischen Kaufleute sind nicht die ersten Wirtschaftslenker, die sich wegen der AfD Sorgen um den Standort Deutschland machen.

Von Michael Watzke | 07.02.2019
    23.01.2019, Bayern, München: Landtags-Abgeordnete der AfD verlassen während der Rede der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, den Gedenkakt des Bayerischen Landtags und der Stiftung Bayerische Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. An der Veranstaltung nahm unter anderem die Landtagspräsidentin Aigner (CSU) und die Frau eines Überlebenden des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers Auschwitz teil. Foto: Peter Kneffel/dpa | Verwendung weltweit
    AfD-Abgeordnete verließen während der Rede der Ex-Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, den bayerischen Landtag (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    In einem gediegenen Münchner Büro mit Blick auf den Königsplatz sitzt ein Mann in grauem Anzug mit Einstecktuch.
    "Mein Name ist Wolfgang Puff, ich bin Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern. Der Handelsverband Bayern ist eine Organisation der Kaufleute in Bayern. Wir vertreten die Interessen der Kaufleute auf allen Ebenen."
    Die Interessen der Kaufleute sind nicht immer eindeutig. Manchmal sind sie sogar heftig umstritten. Etwa als der Handelsverband vor einigen Monaten darüber debattierte, welche Parteien er zu seinem traditionellen Neujahrs-Empfang einladen sollte. Konkret: sollte auch die "Alternative für Deutschland" eine Einladung bekommen?
    "Wir hatten nach heftigem Ringen die Entscheidung getroffen, alle im Landtag vertretenen Parteien auch einzuladen. Das haben wir getan."
    AfD nach Parlaments-Eklat wieder ausgeladen
    Also bekam auch die AfD-Landtagsfraktion Bayern per Post einen goldbedruckten Willkommensbrief. Doch kurz darauf - am Holocaust-Gedenktag - erfuhr Wolfgang Puff von einem Zwischenfall im bayerischen Landtag. Dort hatte Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Bayern, eine Zeitzeugen-Rede gehalten. Die 86-jährige jüdische Überlebende des Naziregimes hatte der "Alternative für Deutschland" vorgehalten, sie stehe nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Knobloch forderte die AfD-Abgeordneten in ihrer Rede auf:
    "Kehren Sie zurück zu dem Eid, den Sie auf unser Land geschworen hatten. Auf eine freiheitliche Demokratie. Und lassen Sie uns dem Hass entgegentreten." [Applaus.]
    Während die Abgeordneten von CSU, Grünen, Freien Wählern, SPD und FDP applaudierten, verließen 18 von 22 Mandatsträgern der AfD unter Protest den Plenarsaal des Maximilianeums. Als Wolfgang Puff davon erfuhr, handelte der Handelsverband Bayern. Einstimmig beschloss das Gremium:
    "Wir laden die AfD aus. Wir wollen nicht, dass die Vertreter dieser Partei zu unserem Neujahrsempfang kommen."
    "Hier war für uns ein gewisses Maß überschritten"
    Puff ist ein zurückhaltender Mann. Eine Art bayerische Version eines vornehmen, hanseatischen Kaufmanns. Der Verbands-Geschäftsführer steht nicht gern im Rampenlicht.
    "Wir sind ja ein Interessensverband der Kaufleute, wir sind keine politische Partei. Wir mischen uns auch nicht in die politische Arbeit ein. Aber hier war für uns ein gewisses Maß überschritten, welches Parteien im Landtag anlässlich einer solchen Rede an den Tag legen sollten. Und das war der Grund zu sagen: Nein, jetzt machen wir Schluss!"
    AfD spricht von "Überreaktion"
    Die AfD fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Fraktions-Chefin Katrin Ebner-Steiner wirft Charlotte Knobloch "übelste pauschale Unterstellungen und Diffamierung" vor. Dass der Handelsverband Bayern die AfD ausgeladen habe, nennt sie "bedauerlich".
    "Ich sehe darin eine Überreaktion auf den Vorgang während der Gedenkveranstaltung im Landtag. Offenbar hat sich der Verband seine Meinung nur aufgrund von einseitigen Negativ-Schlagzeilen der Medien gebildet. Ohne eine Kenntnis des genauen Sachverhaltes."
    Damit unterstellt die AfD-Fraktionschefin den bayerischen Kaufleuten, sie hätten sich nicht mal die Mühe gemacht, die Rede von Charlotte Knobloch im Wortlaut zu lesen oder im Internet anzuschauen. Der zwölfminütige Auftritt ist ebenso auf der Onlineseite des bayerischen Landtags dokumentiert wie die Reaktion der AfD. Wolfgang Puff hat sich beides genau angeschaut.
    "Wir haben die Entscheidung deshalb getroffen, weil wir der Auffassung sind, dass demokratische Parteien auch die Pflicht haben, sich dem demokratischen Prozess zu unterwerfen. Und hier auch die Gepflogenheiten an den Tag zu legen, die notwendig sind. Wir waren der Auffassung, dass die AfD hier über das Ziel hinausgeschossen ist. Dieses Verhalten war für uns nicht akzeptabel. Und deshalb haben wir gesagt: Gut, dann laden wir die AfD wieder aus!"
    Bayerische Wirtschaftsbosse fürchten um Ruf des Standorts
    Nicht nur der Handelsverband Bayern sieht das Verhalten der AfD kritisch. In der gesamten bayerischen Wirtschaft fürchten immer mehr Vertreter, die Alternative für Deutschland schade dem Ruf des Standortes Deutschland. Joe Kaeser etwa, der Chef des mächtigen Siemens-Konzerns, mahnte neulich bei der Hauptversammlung, Kunden in aller Welt registrierten genau, was in Deutschland passiere:
    "Wir müssen uns dem gesellschaftlichen Diskurs stellen. Das verpflichtet die Marke Siemens von jeher. Und dafür gehört für mich auch, klar und deutlich Stellung zu beziehen gegen Ausgrenzung, Rassismus und Intoleranz. Das werden wir auch weiterhin tun." [Applaus.]
    Im Deutschlandfunk-Interview sagte Kaeser, er sei zwar nicht im bayerischen Landtag dabei gewesen. Aber wenn er das Geschehene richtig interpretiere, "dann bin ich froh, dass die Welt davon nicht so viel erfahren hat."
    Belastung für die Export-Nation Deutschland?
    Hört man den Wirtschaftslenkern zu, dann wird die AfD offenbar zunehmend zur Belastung für die Export-Nation Deutschland. Eine gefährliche Entwicklung für eine Partei, die gerade in konservativen Wirtschaftskreisen und im deutschen Mittelstand einige ihrer stärksten Unterstützer wähnte. AfD-Fraktions-Chefin Ebner-Steiner beteuert zwar:
    "Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist das Verhältnis völlig unbelastet. Meine Fraktion wird demnächst Firmen verschiedener Branchen in ganz Bayern besuchen, um die Gespräche fachlich zu vertiefen."
    Da wird sie Einiges zu hören bekommen – wenn überhaupt nennenswerte Firmen mit ihr reden wollen. Der Handelsverband Bayern jedenfalls sieht nach der Ausladung vom Neujahrs-Empfang keinen weiteren Gesprächsbedarf mit der AfD:
    "Nein. Wir wissen, dass unsere Entscheidung teilweise nicht goutiert wurde von entsprechenden, einschlägigen Stellen. Aber wir wollten hier ein Zeichen setzen, angesichts dieser Reaktion. Und das war getragen vom Willen unserer Gremien."