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Einnahme von Medikamenten
Beipackzettel beachten

Der Beipackzettel enthält viele Warnungen vor unerwünschten Wirkungen, aber nur kurze Anleitungen, wie man Arzneimittel einnehmen soll. Nach Schätzungen macht etwa die Hälfte der Menschen Fehler beim Pillenschlucken.

Von Justin Westhoff | 01.09.2015
    Kunden in einer Apotheke
    Beipackzettel beachten und den Apotheker fragen. (imago/Westend61)
    Einer der häufigsten Fehler bei der Einnahme von Medikamenten:
    "Bei Tabletten wird häufig zu wenig getrunken hinterher. Da nimmt man dann einen Schluck Kaffee, um die Tablette herunterzuspülen, empfohlen wird aber ein großes Glas Wasser. Und daran halten sich die wenigsten. Es geht darum, dass das Medikament bis in den Magen gelangt und nicht zum Beispiel in der Speiseröhre festklebt, und sich im Magen auch gut auflösen kann", sagt Dr. Ursula Sellerberg von der Bundesvereinigung der deutschen Apothekerverbände, kurz ABDA.
    Empfohlen wird Leitungswasser, weil Mineralwasser zu viele Salze enthalten kann. Auch von Kaffee oder Tee wird wegen eventueller Wechselwirkungen abgeraten, vom Hinunterspülen der Arznei mit Alkohol ohnehin, weil die Wirkung dadurch gehemmt oder umgekehrt verstärkt wird. Viele Patienten haben wohl schon gehört, dass man Antibiotika wegen der Wechselwirkung nicht zusammen mit Milch und Milchprodukten einnehmen soll.
    "Die gilt aber nicht für alle Antibiotika, sondern nur für ganz wenige. Bevor man also auf Milch verzichtet, sollte man in den Beipackzettel gucken, mit dem Apotheker reden, und dann bekommt man auch ganz klare Tipps, wie man sich verhalten sollte, nämlich einen zeitlichen Abstand einhalten."
    Genügend trinken
    Von der Kombination von Arzneien mit dem Saft der Pampelmuse hingegen rät Gilbert Schönfelder, Pharmakologie-Professor an der Charité, grundsätzlich ab.
    "Das Problem ist, dass Grapefruitsaft Substanzen beinhaltet, die dazu führen, dass die Leber nicht mehr richtig verstoffwechseln kann. Da sind Enzyme, und die führen dazu, dass Medikamente abgebaut werden. Nehme ich jetzt Grapefruitsaft zu mir, dann werden diese Enzyme gehemmt, das heißt, es liegt nachher ein größerer Anteil des Wirkstoffs im Körper vor, und das kann dann zu Nebenwirkungen führen."
    Warum aber gibt es überhaupt eine derart verwirrende Vielfalt an Darreichungsformen bei Medikamenten, Tabletten und Kapseln, Tropfen und Zäpfchen und vieles mehr?
    "Medikamente sind nichts anderes als chemische Strukturen, und die müssen in den Körper nicht nur rein, sondern die müssen vom Körper aufgenommen werden, und sie müssen dann durch die einzelnen Organe hindurch wie zum Beispiel die Leber, und auch am Wirkort richtig vorliegen. Und damit muss man sie zum Teil schützen. Zum Beispiel gegen den Magensaft, der ja hoch sauer ist – also dass dann das Medikament dort hinkommt, in die tieferen Darmabschnitte; würde das Medikament oben schon in Kontakt kommen mit dem Magensaft, würde es nachher nicht mehr wirken."
    Arzneistoffe müssen also gewissermaßen verpackt werden. Schönfelder erläutert das an einer Parallele:
    "Wenn man ein Geschenkpaket verpackt, dann muss man es erst mal bei der Post abgeben, und dann muss da auch eine Briefmarke drauf sein, das heißt, es muss alles in sich stimmen, das nennen wir Galenik, damit nachher das Paket auch vom Absender zum Adressaten richtig hinkommt."
    Die "Verpackung" soll folglich nicht zerstört, die meisten Tabletten dürfen nicht zerkaut werden. Sellerberg nennt die Gründe:
    "Einer der wichtigsten ist, dass Wirkstoffe oft bitter schmecken. Ein anderer Grund ist für so eine Umhüllung, dass sich die Tablette erst verzögert auflösen soll, zum Beispiel erst im Dünndarm oder über überhaupt einen längeren Zeitraum. Wenn man die Tablette zerbeißt, setzt die Wirkung viel schneller ein."
    Tabletten nicht einfach zerkleinern
    Was zu erheblichen Nebenwirkungen führen kann. Genauso unklar ist die Frage, ob und welche Tabletten zerteilt werden dürfen.
    "Wenn auf der Tablette eine kleine Kerbe ist, heißt das noch längst nicht, dass man die Tablette auch teilen darf, also da muss man wirklich bei jedem Einzelfall auf den Beipackzettel gucken oder mit dem Apotheker sprechen."
    Wenn einen nicht schon der Hausarzt darüber aufgeklärt hat. Wer Schwierigkeiten hat, Tabletten, die geteilt werden dürfen oder müssen, an der Bruchkerbe auseinander zu bekommen, kann für wenig Geld ein kleines Hilfsgerät in der Apotheke bekommen. Manche Menschen haben auch Schwierigkeiten mit dem Herunterschlucken großer Pillen oder Kapseln. Die Apothekerin verrät einen Trick:
    "Tablette in den Mund nehmen, einen Schluck Wasser dazu, und dann den Kopf nach vorne, aufs Kinn – nicht wie man das sonst macht, hinten in den Nacken, weil dann schwimmt die Tablette obenauf, sondern nach vorne beugen und dann schlucken."
    Warum man manche Arzneimittel vor, andere nach dem Essen einnehmen soll, hängt mit dem Stoffwechsel zusammen.
    "Nahrungsmittel beeinflussen eben auch die Aufnahme von Medikamenten. Wenn wir essen, wird ja die Darmaktivität angeregt, und damit könnte zum Beispiel das Medikament schneller aufgenommen werden, weil es in tiefere Darmpartien rein kommt."
    Die Hinweise in der Packungsbeilage zu diesem Aspekt sind aber gar nicht so eindeutig, sagt Apothekerin Sellerberg:
    "Nach dem Essen bedeutet nicht, unmittelbar im Anschluss ans Dessert, sondern bedeutet zwei Stunden danach. Klassisches Beispiel sind Medikamente, die die Magensäure binden sollen. Wenn Sie ein ganz normales Mittagessen hatten, dann bindet ja das Mittagessen an sich schon die Säure im Magen. Wenn Sie jetzt direkt nach dem Essen ein Medikament einnehmen, dann ist das einfach unnütz."
    Dosierungsangaben genau beachten
    Besonders Kinder erhalten Arzneimittel oft als Saft, weil sie das leichter einnehmen können. Aber:
    "Man hat so aus der eigenen Kindheit natürlich noch im Kopf: 'Ein Esslöffel Hustensaft'. Jetzt sind Esslöffel aber total unterschiedlich. Deswegen, wenn man einen Saft einem Kind gibt, dann bitte nicht mit einem Esslöffel abmessen, sondern mit einem beigelegten kleinen Messlöffel."
    Ein besonderes Problem sind ferner Augentropfen. Zum einen, weil sie nach dem ersten Gebrauch nicht lange keimfrei bleiben. Das Haltbarkeitsdatum muss also hier streng beachtet werden. Zum anderen, weil sich viele Menschen schwer damit tun, etwas ins Auge zu träufeln.
    "Also Augentropfen richtig anzuwenden, das ist eine Kunst für sich. Das gelingt nur ganz wenigen Patienten. Es gibt aber einen ziemlich einfachen Trick, wie man es hinbekommt: Man legt sich einfach flach auf den Rücken, ohne Kopfkissen, hat die Augen zu und träufelt sich einen Tropfen auf den geschlossenen Augen-Innenwinkel. So, und dann macht man die Augen kurz auf und wieder zu. Funktioniert eigentlich sehr gut."
    Einen weiteren Rat hat Dr. Ursula Sellerberg für Menschen parat, die Inhalations-Sprays benutzen müssen.
    "Wenn man Medikamente gegen Asthma inhalieren muss, die Cortison enthalten, dann kann es dazu kommen, dass als Nebenwirkung sich in der Mundhöhle ein Pilzbefall ausbildet. Das kann man relativ einfach verhindern, wenn man sich einfach nach dem Inhalieren den Mund ausspült mit klarem Wasser, oder sich die Zähne putzt oder was isst, weil dann hat man automatisch die Mundschleimhaut gereinigt von dem Cortison."