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Einsparungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Wolf Renschke: Es muss gespart werden – wem wäre das inzwischen nicht bewusst. Es muss gespart werden und Tabus darf es dabei nicht geben. Das ist so einfach wie schwierig zu beobachten am Beispiel der handelnden Politikerinnen und Politikern in diesen Tagen, Wochen und Monaten. Es muss gespart werden, und somit wird es ernsthafte Kürzungen und Einschnitte geben müssen. Keiner wird davon verschont werden können in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

    In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gelte dies auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Gebührenfinanzierung, so sagen einigen Politiker, die nicht ohne Einfluss sind und die unterschiedlichen Parteien angehören, die Ministerpräsidenten der Länder Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen nämlich.

    Rundfunkstrukturreform heißt das Konzept, das den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ordentliche Einsparungen abverlangt. Nicht alle Ministerpräsidentenkolleginnen und -kollegen stimmen aber dieser Radikalkur zu, weshalb eine Entscheidung darüber Ende vergangener Woche bei der Ministerpräsidentenkonferenz in München vertagt wurde.

    Nun soll die Rundfunkkommission der Länder sich über die Vorschläge beugen und sie rechtlich und praktisch auf ihre Realisierbarkeit und medienpolitisch auf ihre Wünschbarkeit prüfen, wie es Kurt Beck, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und Vorsitzende dieser Kommission, formuliert hat.

    Damit sind Stichworte genannt für das folgende Gespräch mit dem Medienexperten Lutz Hachmeister, erfahren in Praxis und Theorie. Sie waren Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, haben das Kölner Fernseh- und Filmfest gegründet, haben praktische Fernseherfahrung und lehren Journalistik an der Universität Dortmund. Guten Morgen, Herr Hachmeister.

    Lutz Hachmeister: Guten Morgen.

    Renschke: Im Kern der Vorschläge, oft genug in diesen Tagen zitiert, fünf Prozent der Planstellen sollen in den nächsten fünf Jahren abgebaut werden beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. 16 von insgesamt 61 Rundfunkprogrammen sollen wegfallen und die Kultursender Arte und 3Sat sollten fusionieren. Bleiben wir beim Rechtlichen und Praktischen: Für wie realistisch halten Sie das?

    Hachmeister: Das ist zum Teil ganz realistisch, weil es die Rundfunkanstalten selber vornehmen werden. Also, eine Reduktion von Planstellen ist ja eigentlich seit Jahren auf dem Weg. Manche Stelle wird nicht wieder besetzt, wenn der Inhaber oder die Inhaberin pensioniert wird. Also, das halte ich für den unproblematischsten Vorschlag.

    Die Fusion von Arte und 3Sat kann so gar nicht vonstatten gehen, weil man dann natürlich auch in die französische Rundfunkpolitik eingreift. Arte ist ja ein Sender, der geradezu aus politischem Willen damals von Helmut Kohl und Francois Mitterand auf den Weg gebracht worden ist, von den beiden Ländern Frankreich und Deutschland, und da müsste man sich mit den Franzosen erst einmal verständigen. Es ist auch, glaube ich, wenig sinnvoll, weil beide Sender eine andere Aufgabe und eine ganz andere Programmstruktur haben. Also, man sieht, dieses Papier, was ja sehr kurz ist, drei Seiten nur, der drei Ministerpräsidenten, ist so ein Mischmasch aus Dingen, die sehr einleuchtend sind und Dingen, die einfach aus handwerklich-technischen Gründen so nicht gehen und auch nicht durchdacht sind.

    Renschke: Leuchten Ihnen auch die Zahlen ein, also 16 von 61 Programmen sollen wegfallen?

    Hachmeister: Also, da geht es ja nur um den Hörfunk, das leuchtet mir schon sehr ein. Ob das nun 16 sind oder 20 oder 14, da hat die Politik über die Jahre hinweg ihren eigenen Landesrundfunkanstalten ja auch ganz gerne gestattet, in einem Maße zu expandieren, wie es auch der Qualität des Hörfunks in Deutschland nicht gut bekommen ist. Gute, alte Programme, die man über jahrelang geschätzt hat, sind dadurch ausgedünnt und ausgeblutet worden, weil Inhalte dann auf Randbereiche, auf neue Hörfunkprogramm verlagert wurden. Also, da Remedur zu schaffen, da zu schauen, wie viele Hörfunkkanäle brauchen WDR, BR, SWR nun wirklich, das tut diesen Sendern sogar ganz gut. Die Debatte wird in Fachkreisen aber schon seit längerem geführt, das ist auch keine Erfindung der Ministerpräsidenten.

    Renschke: Gibt es überhaupt eine präzise Definition und auch Begrenzung von Aufgaben und von Programmen?

    Hachmeister: Nein. Ich glaube, das ist sicherlich eine Diskussion, die, und sei es durch dieses etwas missglückte Papier, wirklich angestoßen werden muss. Also, die Frage nach dem Sinn und der Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für diese Gesellschaft, und da muss es dann schon sehr auch um Qualitäten, um einzelne Leistungen, um das, was da an kreativer Energie wirklich bei ARD und ZDF vorhanden ist und vorhanden sein müsste, gehen. Es sollte nicht so sehr immer, wenn eine Gebührendebatte ansteht, aus funktionalen und aus durchsichtigen Gründen eine Spardebatte angefangen werden, die gerade ja jetzt besonders populär ist, sondern man muss schon mal grundsätzlich darüber nachdenken, was haben wir an ARD und ZDF, was bringen die an Programmen und wie sind sie auch im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern zu positionieren? Diese Debatte wird letztlich in ihrer Tiefe und Intensität, die sie benötigen würde, nicht geführt in diesem Land.

    Renschke: Erkennen Sie denn bei den Parteien medienpolitisch eindeutige Abgrenzungen? Ich habe ja darauf hingewiesen, dass die Ministerpräsidenten mit diesem gemeinsamen Strukturreformpapier unterschiedlichen Parteien angehören.

    Hachmeister: Ja, also die Position von Peer Steinbrück ist etwas merkwürdig, er versucht sich etwas als technokratischer Macher in der Sozialdemokratie zu profilieren. Man hat jetzt nicht den Eindruck, dass die nordrhein-westfälische Sozialdemokratie etwa den eigenen Sender, den WDR, der ja sehr geschätzt wird, in seinem ganzen Umfang mal ganz besonders intensiv unter die Lupe genommen hätte. Also, da sieht man schon ein bisschen die Unterschiedlichkeit im Zugriff. Man will schon abstrakt das öffentlich-rechtliche System etwas schmälern, traut sich dann aber nicht, die Debatte am konkreten Fall vor der eigenen Haustür zu führen, weil man natürlich auch auf das Wohlwollen und die publizistische Unterstützung eines solchen Senders angewiesen ist.

    Das Ganze ist sehr verwickelt. Ich vermisse etwas die Position einer eigenständigen SPD-Medienpolitik, die es immerhin über Jahrzehnte doch gegeben hat. Man hat so das Gefühl, es gibt jetzt große Koalitionen in Bereichen, wo man meint, es tut nicht besonders weh, man kann sich etwas damit profilieren als jemand, der durchgreift, der Sparpolitik exekutiert. Aber die Bürger gucken nicht so genau hin, auf wessen Kosten das dann passiert und welche Folgen es hat.

    Renschke: Den öffentlich-rechtlichen Anteil schmälern, auch aus Fürsorge für private Fernsehanstalten in den jeweils eigenen Ländern?

    Hachmeister: Das ist ganz sicher so. Also, man hat sich, glaube ich, an Beschäftigungseffekten und auch am Effekt für das Wirtschaftswachstum vom kommerziellen Fernsehen oder von der kommerziellen Medienszenerie insgesamt vielmehr versprochen. Das ist dann mit dem Zusammenbruch der New Economy und auch mit dem Ende des Kirchkonzerns in alter Form sehr, sehr stark tangiert worden, und damit ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk natürlich auch wieder stärker geworden, das muss man ja fraglos zugeben. Er ist sehr gut finanziert, er hat sehr viele Möglichkeiten, Programme auszustrahlen, auch unterschiedlich zu konfigurieren. Das ist den Politikern auf einmal jetzt wieder aufgefallen, nachdem sie jahrelang dieses System ja auch so gewollt haben.

    Es ist ja keine Entscheidung pro oder kontra öffentlich-rechtlicher Rundfunk gefallen, die die Politiker in den Gremien nicht unterstützt hätten. Insofern schauen sie jetzt etwas verdutzt auf das, was sie angerichtet haben und versuchen da in aller Schnelle wieder etwas zurechtzurücken.

    Renschke: Ist das Verhältnis zwischen Öffentlich-Rechtlichen, zwischen ARD und ZDF, und den Privaten tatsächlich ein Konkurrenzverhältnis?

    Hachmeister: Ich glaube nicht, dass wir einen wirklichen Qualitätswettbewerb haben. Das hat sich so in den Programmebenen eigentlich eingespielt. Die Privaten werden mehr oder weniger für das Entertainment verantwortlich gemacht, die Öffentlich-Rechtlichen schreiben sich Informations- und Dokumentationsprogramme auf die Fahnen. Ich finde, man müsste, wenn so ein System funktionieren soll, wirklich in allen großen Genres, also von der Show bis zu den Nachrichten, bis zu der Dokumentation, einen echten Qualitätswettbewerb haben, wie wir ihn zum Beispiel in Großbritannien vorfinden.

    Das ist hier nicht der Fall und das ist eben der Punkt, den ich eben ansprechen wollte: Wir müssen die Qualitätsparameter, die Qualitätsebenen, stärker miteinander vergleichen können. Also, wenn ARD und ZDF gültige, kreative Vollprogramme sein wollen, müssen sie zum Beispiel auf dem Gebiet von Entertainment und Show viel mehr leisten, viel kreativer sein, als sie das im Moment sind. Auf der anderen Seite würde man dann auch hochkarätige Dokumentationen bei RTL und Sat.1 erwarten, was im Moment auch nicht der Fall ist.

    Renschke: Ihre Prognose?

    Hachmeister: Ich glaube, dass die Rundfunkkommission einiges von dem, was angestoßen und angeregt worden ist, nahe legt, und die Sender werden es auch selbst nachvollziehen. Zum anderen glaube ich, dass wir zu grundsätzlich neuen Konfigurationen nur kommen, wenn wir eine qualifizierte Medienpolitik in diesem Land haben. Da müssen einfach mehr qualifizierte Personen in dieses Politikfeld hinein, es auch deutlich und öffentlich darstellen, es der Bevölkerung klar machen, denn um diese Frage, einen Euro mehr oder weniger Gebührenerhöhung, kann es ja nun wirklich nicht gehen. Das merkt der Bürger bei allen Sparanstrengungen nicht wirklich. Außerdem können sozial Schwächere ja sogar von der Rundfunkgebühr befreit werden. Das ist kein wirkliches Politikfeld, in dem man Sparpolitik exekutieren kann. Hier geht es um Inhalte und publizistische Funktionen für die Gesellschaft.

    Renschke: Eine Aufgabe für Sie?

    Hachmeister: Ja, danke schön. Es ist Sonntag, sehr früh am Morgen. Ich werde das den heutigen Tag über einmal reflektieren und dann zu einem Ergebnis kommen.

    Renschke: Der Medienexperte Lutz Hachmeister zur Diskussion über Einsparungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vielen Dank und noch einen guten Tag.

    Hachmeister: Ihnen auch.