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Einzelhandel hofft auf gute Umsätze im Sommerschlussverkauf

Engels: Heute beginnt der Sommerschlussverkauf. Der Einzelhandel hofft, dadurch die bislang spärlich gefüllten Kassen etwas aufzufüllen, denn Boutiquen, Kaufhäuser und Fachgeschäfte haben ein schlechtes erstes Halbjahr hinter sich. 4.000 Insolvenzen, dazu zahlreiche Filialenschließungen, meldete die Branche, und daran war bestimmt nicht nur das schlechte Wetter schuld. Am Telefon begrüße ich nun Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels. Herr Pellengahr, wie erklären Sie sich denn die schlechte Bilanz?

    Pellengahr: Die schlechte Bilanz ist zu erklären durch die in Deutschland nach wie vor sehr angespannte Wirtschaftslage. Wir haben eine Rezession hinter uns. Den Verbrauchern fehlt aber noch das Vertrauen in die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Schlechte Nachrichten von Unternehmenskonkursen und natürlich das, was wir von den Finanzmärkten hören, kommt dazu, und das alles hat wirklich zu der anhaltendsten Kaufzurückhaltung geführt, die wir jemals erlebt haben. Wir haben jetzt sieben Monate mit rückläufigen Umsätzen. Das hat es noch nie gegeben. Der Einzelhandel hat etwa fünf Prozent seines Umsatzes im ersten Halbjahr verloren, das heißt die Lager sind voll, und dementsprechend voll sind auch die Abschläge im diesjährigen Sommerschlussverkauf.

    Engels: Liegt das vielleicht auch daran, dass bis jetzt die Händler nicht zufrieden sind, dass sie zuvor mit Preiserhöhungen nach der Euro-Einführung die Kunden im Frühjahr vergrault haben?

    Pellengahr: Ganz klar nicht. Die Teuro-Diskussion kam dazu und hat dem Einzelhandel sehr geschadet, aber der Einzelhandel hat ja die Preise nicht erhöht. In den Geschäften sind die Preise nicht gestiegen; woanders sind sie gestiegen. Und inzwischen wissen die Verbraucher zu unterscheiden zwischen dem Einzelhandel auf der einen Seite und Gastronomie und Dienstleistungen auf der anderen Seite, wo es teurer geworden ist, aus welchen Gründen auch immer. Das wird inzwischen aber Gott sei Dank nicht mehr dem Einzelhandel angelastet. Da wissen die Kunden, dass es da nicht teurer geworden ist, und dass sie gerade in diesen Tagen des Schlussverkaufs wirklich so günstig einkaufen können wie noch nie.

    Engels: In dem Tarifstreit im Einzelhandel hat es ja kurz vor dem Wochenende noch einige Einigungen gegeben, aber die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat für heute Streikaktionen in Rheinland-Pfalz und Hessen angekündigt, also in den Regionen, wo noch kein Tarifabschluss zustande gekommen ist. Erwarten Sie ernsthafte Einschränkungen für den Kunden?

    Pellengahr: Diese Streikandrohungen sind verantwortungslos, weil sie die Kunden irritieren. Ernsthafte Einschränkungen des Schlussverkaufs, davon kann überhaupt keine Rede sein, dazu hat die Gewerkschaft nicht die Möglichkeit. Auch in den beiden Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz wird es bestenfalls punktuell befristete Arbeitsniederlegungen geben. Der Schlussverkauf wird davon nicht beeinträchtigt, aber es stört natürlich die Meldung. Da bleibt unter Umständen der eine oder andere Verbraucher zuhause, und deshalb haben wir überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Gewerkschaften hier weiterhin auf Streik setzen. Sie wollen damit den Einzelhandel erpressen; erpressen lassen wir uns aber nicht.

    Engels: Kommen wir auf die Zukunft des Sommerschlussverkaufes zu sprechen, denn das Handelsblatt titelt heute: Rot-Grün will den Schlussverkauf kippen. Es bezieht sich dabei auf eine Aussage von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, wonach die saisonale Begrenzung von Rabattaktionen wegfallen soll. Das soll sie dem Handelsblatt gesagt haben. Was halten Sie davon?

    Pellengahr: Wir diskutieren mit dem Justizministerium seit der Abschaffung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung, wie das Wettbewerbsrecht vernünftig weiterentwickelt werden kann, wie man es liberalisieren kann, aber gleichzeitig noch ein paar Regeln für die Preistransparenz und den Wettbewerbsschutz erhalten kann. Umstritten ist dabei die Schlussverkaufsregelung. Wir wollen allerdings die Schlussverkäufe nicht ganz kippen. Wir glauben, sie sind nach wie vor sinnvoll. Das kann man auch an diesem Jahr sehr schön sehen. Wir hatten eine Reihe von spektakulären Rabattsaktionen. Trotzdem sind die Lager noch rappelvoll, und wir brauchen einfach das Instrument Schlussverkauf, damit eben alle im selben Zeitraum ihre Reduzierungen vornehmen können. Das ist sonst nicht erlaubt, wenn es keine Schlussverkaufsregelung gibt. Außerhalb der Schlussverkäufe wollen wir allerdings mehr Freiheit, auch für befristete Aktionen haben. Ich glaube, dass wir hier mit dem Justizministerium auf einer Linie liegen. Man sollte eben mehr Freiheit lassen, liberalisieren, aber die Schlussverkäufe nicht jetzt ohne Not abschaffen, sondern das Instrument der Schlussverkäufe beibehalten. Auf dieser Linie werden wir uns sicherlich mit dem Ministerium einigen.

    Engels: Aber wieso eigentlich? Trauen Sie dem Kunden nicht zu, dass er auch in anderen Sonderrabattaktionen ein Schnäppchen macht, ohne sich jetzt beim großen Gedränge mittummeln zu müssen?

    Pellengahr: Nein, die Kunden können sich ja doppelt freuen. Sie haben außerhalb der Schlussverkäufe die Möglichkeit, ihre Schnäppchen zu machen. Da gibt es ja eine Fülle von Rabatten - 10, 20, 30 Prozent sind ja praktisch in den vergangenen Monaten permanent geboten worden. Im Schlussverkauf gibt es dann zum Saisonfinale wirklich den Kehraus. Dann sind auch die Rabatte sehr viel höher. Wir sprechen hier von Rabatten in Größenordnungen von 50 Prozent, in vielen Fällen sogar darüber hinaus. Es sind also ganz andere Dimensionen, und es ist auch ein viel größerer Teil des Sortiments, der im Schlussverkauf reduziert angeboten wird. Und für die Verbraucher ist doch interessant, dass sie auch im Schlussverkauf die reduzierten Preise miteinander vergleichen können. Deshalb ist diese Regelung sinnvoll. Man sollte sie allerdings liberalisieren, und - wie gesagt - da sind wir mit der Ministerin einig. Man kann sich auch überlegen, die Branchen auszuweiten, die am Schlussverkauf teilnehmen dürfen - heute sind es ja nur Textilien, Lederwaren, Schuhe, Sportartikel -, also den Schlussverkauf für weitere Branchen öffnen oder es dem ganzen Einzelhandel zu erlauben, im Schlussverkauf diese gewaltigen Reduzierungen vorzunehmen. Es gibt da auch keine Wettbewerbsverzerrungen, weil ja alle daran teilnehmen. Es ist ja nicht so, dass der eine den anderen aus dem Markt drängen kann mit diesem Instrument der Rabattaktionen. Die Schlussverkäufe haben sich bewährt. Die Unternehmen wollen sie beibehalten, und die Verbraucher nehmen sie auch gerne wahr. Deshalb muss man sehen, dass man außerhalb der Schlussverkäufe zu weiteren Lockerungen kommt.

    Engels: Aber große Einzelhandelsunternehmen sehen das offenbar anders. Das Handelsblatt zitiert beispielsweise den Geschäftsführer einer großen Bekleidungskette, und der sagt, der Schlussverkauf sei so unwichtig geworden, dass die eigene Firma am liebsten gar nicht mehr daran teilnehmen würde. Wie erklären Sie sich denn diese Aussagen?

    Pellengahr: Das sind sicherlich einzelne Stimmen. Die gibt es immer. Das sind Unternehmen, die andere Konzepte verfolgen. Das sind vor allem die großen Unternehmen, die mehr Möglichkeiten haben, mit großangelegten Werbekampagnen dann auf ihre Rabattaktionen hinzuweisen. Der Mittelstand hat diese Möglichkeiten nicht und ist praktisch darauf angewiesen, im Schlussverkauf mitzulaufen, weil die Verbraucher ja wissen, dass im Schlussverkauf praktisch alle Bekleidungshäuser ihre Sachen reduziert haben. Man braucht da gar nicht Anzeigen zu schalten. Die Kunden kommen von ganz alleine in die Innenstädte. Deshalb überrascht mich nicht, dass es einzelne Stimmen gibt, die für eine völlige Freigabe sind. Wir wollen ja auch eine Freigabe, aber wir wollen dieses Zeitfenster Schlussverkauf erhalten, in dem alle ihre Reduzierungen vornehmen können. Ohne Schlussverkaufsregelung ist eine gleichzeitige, abgesprochene Reduzierungsphase nicht erlaubt; das wäre dann eine unerlaubte Preisabsprache.

    Engels: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio