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Eisele für deutsche Beteiligung an Irak-Truppe

Heuer: Kann und soll die Nato, kann und soll Deutschland sich aktiv beim Wiederaufbau des Irak engagieren? Wir wollen die Angelegenheit jetzt mit Manfred Eisele besprechen. Er ist General außer Dienst und war früher Beigeordneter des UN-Generalsekretärs. Guten Morgen, Herr Eisele.

    Eisele: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Sind Sie dafür, dass deutsche Soldaten in den Irak geschickt werden?

    Eisele: Das lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Man muss sehen, dass die Kräfte der Bundeswehr schon bis zum Äußersten angespannt sind mit den derzeitigen Friedensmissionen. Grundvoraussetzung, um diese Frage zu beantworten, ist eine entsprechende Entschließung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Das hat ja auch die Bundesregierung eindeutig klar gemacht.

    Heuer: Der Sicherheitsrat muss sich positionieren. Die Bundesregierung stellt weitere Bedingungen, die darauf zielen, dass die UN eine Anforderung an die Nato stellen beziehungsweise, dass sogar eine irakische Übergangregierung diesen Prozess einleiten soll. Wie lange würde denn ein solches Procedere dauern?

    Eisele: Das kann unter Umständen recht schnell gehen. Es gibt hier eine grundsätzliche völkerrechtliche Voraussetzung im Artikel 48 der UN-Charta, wonach alle Nationen gehalten sind, den Vereinten Nationen entsprechende Kräfte zur Verfügung zu stellen, wenn sie das denn fordern sollten. Die endgültige Entscheidung aber, auch nach einer solchen Resolution des Sicherheitsrates, bleibt den jeweiligen Regierungen der Mitgliedsstaaten - also in diesem Falle der deutschen Bundesregierung - vorbehalten.

    Heuer: Wie wahrscheinlich ist es denn, dass die Mitgliedsstaaten oder sprechen wir über die Nato insgesamt einer solchen Anforderung entsprechen wird?

    Eisele: Ich glaube, dass die Nato schon bereit sein würde, als Regionalorganisation einem solchen Petitum des Sicherheitsrates zu entsprechen. Dann bleibt es aber immer noch Aufgabe der Mitgliedsstaaten, über die Modalitäten einer solchen Beteiligung zu entscheiden. Hier kommt der Beteiligung der Nato weltweit eine große symbolische Bedeutung auch für die Befriedung der Lage im gesamten Nahen Osten zu.

    Heuer: Nehmen wir an, Herr Eisele, die Nato zieht mit. Sollte Deutschland sich dann aus Ihrer Sicht an einem solchen Einsatz mit eigenen Soldaten beteiligen?

    Eisele: Im Rahmen der Möglichkeiten, die der Bundeswehr hier zur Verfügung stellen könnte, hielt ich es dann auch für wünschenswert. Das müssen dann nicht Tausende von Soldaten sein, sondern hier kommt wiederum eher der politischen Symbolik der Teilnahme Deutschlands überhaupt eine wichtige Bedeutung zu. Das können unter Umständen also auch kleinere wichtige Spezialkomponenten sein.

    Heuer: Welche denn, zum Beispiel?

    Eisele: Im Bereich der Führungsorganisation, aber auch im Bereich der Organisation humanitärer Hilfe, die sich ja in einem ehemaligen Kriegsgebiet auf der Grenze zwischen dem Einsatz von Soldaten, dem Einsatz ziviler Polizei und dem Einsatz von Nicht-Regierungs-Organisationen vollzieht. Hier hat die Bundeswehr im Laufe ihrer bisherigen Friedensmissionen doch spektakuläre Erfolge, vor allem auf dem Balkan und in Afghanistan, erzielt.

    Heuer: Genau dort sind ja aber auch die Soldaten noch stationiert. Müssten sie denn dann nicht aus Afghanistan und dem Balkan abgezogen werden?

    Eisele: Das halte ich derzeit nicht für möglich, weil die Aufträge, die die Bundeswehr hier im Namen Deutschlands übernommen hat, natürlich sehr langfristig angelegt sind. Es kann sich deswegen meines Erachtens nur um kleinere deutsche Beiträge aus den Kräften der Bundeswehr handeln, die derzeit noch im Inland verfügbar gehalten werden.

    Heuer: Was halten Sie denn von dem Vorschlag, deutsche Polizisten in den Irak zu schicken, der gerade in der Bundesrepublik debattiert wird?

    Eisele: Schon seit der allerersten Blauhelm-Mission 1956 ist deutlich geworden, dass die Aufträge, die man den Soldaten in diesen Einsatzgebieten jeweils überträgt, eigentlich weitestgehend in den Bereich ziviler Polizeiverantwortung zu rechnen sind. Man sieht das ja auch daran, dass etwa in Kabul deutsche Soldaten zusammen mit afghanischer Zivilpolizei auf Patrouille gehen. Insofern ist der Beitrag, den zivile Polizisten hier leisten können, sehr, sehr groß. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass zivile Polizisten rein zahlenmäßig viel schwieriger zu rekrutieren sind, weil ihre Entsendung auch ausschließlich auf der Grundlage der Freiwilligkeit folgt. Hier ist also auf der einen Seite die Präsenz internationaler Zivilpolizei dringend wünschenswert und auf der anderen Seite besonders schwierig zu organisieren.

    Heuer: Sie haben also Verständnis dafür, dass Innenminister Otto Schily schon abgewunken hat?

    Eisele: Ja. Er hat wohl einfach die Situation im Bereich der deutschen Polizei realistisch eingeschätzt. Man muss sehen, dass Deutschland auch mit zivilen Polizeibeamten, etwa auf dem Balkan, auch seit dem Abkommen von Daton 1995 einen ganz wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Bosnien-Herzegowina leistet.

    Heuer: Es gibt, Herr Eisele, heute früh Meldungen, die AL Kaida behaupte, sie stecke in Wahrheit hinter den Guerilla-Angriffen auf US-Soldaten im Irak. Das ist natürlich im Bereich der Spekulation. Dennoch: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass es stimmt?

    Eisele: Ich halte es natürlich für denkbar. Auf der anderen Seite werden die Al Kaida- Mitglieder, die immer noch frei operieren können, jede Gelegenheit nutzen, dem Geschehen im Irak sozusagen eigene Propaganda zu speisen. Insofern ist eine solche Behauptung von Al Kaida-Kräften naheliegend. Sie muss deswegen dennoch nicht zutreffen.

    Heuer: Manfred Eisele war das, General a.D. und ehemaliger Beigeordneter des UN-Generalsekretärs. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Eisele.

    Eisele: Danke, Frau Heuer.

    Link: Interview als RealAudio