Mittwoch, 01. Mai 2024

Eishockey-WM der Frauen
Torfrau Abstreiter: Deutschland muss sich "nicht mehr verstecken"

Die Eishockey-Nationalmannschaft der Frauen peilt bei der Weltmeisterschaft in den USA das Viertelfinale an. Torhüterin Sandra Abstreiter spricht im Dlf-Interview über die Entwicklung des deutschen Frauen-Eishockeys – und den Boom des Frauensports in Nordamerika.

Sandra Abstreiter im Gespräch mit Raphael Späth | 06.04.2024
Eishockey-Goalie Sandra Abstreiter hütet das Tor der deutschen Nationalmannschaft.
Wie weit geht es für Goalie Sandra Abstreiter mit der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bei der WM in den USA? Die Eishockey-Frauen peilen als Mindestziel das Viertelfinale an. (IMAGO / Nordphoto / IMAGO / nordphoto GmbH / Hafner)
Das war ein Start nach Maß: Die deutschen Eishockey-Frauen haben bei der Weltmeisterschaft in Utica (USA) zum Auftakt Dänemark mit 5:1 und im zweiten Spiel auch Japan mit 4:1 geschlagen. Das Ticket für die K.o.-Runde ist damit fast schon gelöst. Sandra Abstreiter, Torfrau der DEB-Auswahl, wurde am Samstag (05.04.2024) dementsprechend kaum beschäftigt. Im Deutschlandfunk-Gespräch betont die einzige Deutsche, die in der nordamerikanischen Profiliga PWHL spielt, jedoch: "Natürlich ist es für mich in einer anderen Weise herausfordernd: Wenn man wenig zu tun hat, muss man es trotzdem schaffen, im Spiel zu bleiben."
Es ist schon die vierte WM für die 25-Jährige, letztes Jahr ging es bis ins Viertelfinale. Dort war gegen die USA Schluss – mit einem ehrbaren 0:3. Denn es gab Zeiten, da setzte es für die deutschen Eishockey-Frauen zweistellige Niederlagen gegen die USA. "Die Ergebnisse fallen ganz anders aus als früher", bewertet die deutsche Torfrau die Entwicklung des Teams. "Es wird immer öfter von uns geredet, auch international. Da ist es eindeutig, dass man sich als Deutscher im Eishockey nicht mehr verstecken muss."

Abstreiter bewertet Entwicklung im Frauen-Eishockey positiv

Deutschland peilt bei dieser WM als Mindestziel erstmal das Weiterkommen in Gruppe B an. Dafür muss das Team von Bundestrainer Jeff MacLeod Platz drei erreichen. Gruppengegner sind Schweden, Japan, China und eben die bereits klar geschlagenen Däninnen. Sollte das nicht klappen, droht der Abstieg in die B-WM.
Die deutschen Eishockey-Spielerinnen haben aber nach dem vielversprechenden Start gute Chancen, in die K.o.-Runde einzuziehen. Dort könnte es zu Duellen mit den europäischen Top-Teams Tschechien oder Finnland kommen. Vermutlich wird nur eine dieser Nationen weiterkommen, denn die Gruppe A listet auch die USA und Kanada.
Sandra Abstreiter sieht zumindest eine kleine Chance, wenn es gegen Tschechien oder Finnland gehen sollte: "Wer den Deutschland-Cup verfolgt hat (im November 2023 unterlag Deutschland Tschechien mit 0:8 und Finnland mit 1:8, d. Red.), da sind die Ergebnisse leider relativ eindeutig. Allerdings ist es auch immer noch Vorbereitung, wir hatten noch nicht unsere komplette Mannschaft beisammen. Natürlich sind die sehr gut. Trotzdem glaube ich, dass wir einen ganz guten Schritt in die Richtung gehen."

Begeisterung für Frauen-Profisport in Nordamerika wächst

In die richtige Richtung geht es auch generell im Frauen-Profisport in Nordamerika, dort, wo Abstreiter für das kanadische Team aus Ottawa das Tor hütet. So boomt die Basketball-Frauen-Liga in den USA (WNBA), profitiert von College-Star-Spielerin Caitlin Clark. Und die Eishockey-Liga der Frauen (PWHL) wurde im August 2023 als erste reine Profi-Liga neu gegründet.
Abstreiter spürt eine allgemeine Begeisterungswelle: "Unsere Spiele in Ottawa sind fast immer ausverkauft. Beim Spiel Toronto gegen Montreal wurde der Weltrekord gebrochen mit über 19.000 Zuschauern. Und auch so, von den Einschaltquoten – natürlich sehe ich ab und zu die Statistiken. Die sind schon sehr überwältigend."
Auch im Kontakt mit den Menschen vor Ort sammelt Abstreiter viele positive Erfahrungen: "Auch das Feedback, das man von den Leuten bekommt – Ottawa ist auch eine schon sehr Eishockey-orientierte Stadt – für uns ist es sehr cool, weil die Leute sich teilweise bei uns bedanken, dass wir da sind."
Die 25-jährige Torfrau, die 2016 den achtfachen Deutschen Meister ESC Planegg Richtung USA verließ, kennt natürlich auch die deutsche Liga, die in Sachen Aufmerksamkeit mit der PWHL aber nicht mithalten kann. Der Großteil der Spielerinnen arbeitet noch nebenbei. Und leistungsmäßig ist Ottawa-Profi Sandra Abstreiter der Frauen-Bundesliga sowieso entwachsen: "Im Training und jedem Spiel stehe ich den Schüssen gegenüber von den besten Spielerinnen der Welt. Die USA und Kanada sind einfach die Top-Nationen der Welt. Das bringt mich persönlich sehr weiter."

Goalie Abstreiter schwärmt vom US-Sportsystem

Sollten also talentierte Eishockey-Spielerinnen bei Möglichkeit früh in die USA gehen, um dort am College zu spielen, so wie Abstreiter es damals entschied? Fünf weitere deutsche Eishockey-Nationalspielerinnen des aktuellen Kaders haben ebenfalls diesen Weg eingeschlagen.
Dieser Rat gelte aber nicht unbedingt "nicht für alle", betont die Torfrau. "Es ist nicht für jeden was, von zu Hause wegzugehen. Wenn einen das nicht stört, finde ich aber schon, dass es ein guter Weg ist, sich weiterzuentwickeln. Einfach die Struktur mit dem Studium in Verbindung mit Eishockey ist ein sehr guter Weg."