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EKD-Synode beginnt
Klare Worte zur Judenmission?

Sollten Christen unter Juden missionieren? Nein, sagen Juden, und nein sagt auch die Evangelische Kirche in Deutschland. Ein klarer Beschluss der Kirche fehlt allerdings bislang, denn es gibt Widerstand von Evangelikalen. Auf der EKD-Synode in Magdeburg soll der Beschluss dennoch gefasst werden.

Von Carsten Dippel | 03.11.2016
    Symbole für Christentum (Kreuz) und Judentum (Kippa). Vom 6. bis 9. November 2016 kommt die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Magdeburg zusammen. Wichtige theologische Fragen diskutieren die Mitglieder des Kirchenparlaments, wenn es um die Haltung der evangelischen Kirche zur Mission von Juden geht.
    Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) berät über die Haltung protestantischer Christen zur Mission von Juden (imago stock&people/epd-bildx/xJoernxNeumann)
    Die Frage ist in vielen evangelischen Landeskirchen längst geklärt: Die Judenmission verbiete sich aus historischer ebenso wie aus theologischer Perspektive. Ein klares Votum auf EKD-Ebene fehlt bislang jedoch. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat ein solches Votum eindringlich angemahnt. Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode, ist sich der Dringlichkeit dieses Anliegens bewusst:
    "Als Ausgangspunkt war uns sehr wichtig, dass wir uns beziehen auf die theologische Begründung jeder Absage einer Mission mit dem Ziel der Konversion der Juden. Wir kommen natürlich an unserer eigenen Geschichte nicht vorbei: Die Shoah mit ihren Auswirkungen, dieser Zivilisationsbruch hat natürlich noch mal unsere Augen geschärft. Aber entscheidend ist das, was Paulus im Römerbrief in den Kapiteln 9-11 aussagt: nämlich dass der Bund Gottes mit seinem Volk ungebrochen ist und dass Juden die Christen nicht brauchen, um zu ihrem Gott zu kommen."
    So heißt es in der zur Diskussion stehenden Vorlage der EKD nun: "Ein christliches Glaubenszeugnis, das darauf zielt, Juden zu bekehren, widerspricht dem Bekenntnis zur Treue Gottes und der bleibenden Erwählung Israels."
    Denn die Judenmission, so bewertet es etwa Christoph Markschies, Leiter des Instituts Kirche und Judentum an der Berliner Humboldt Universität, sei schon theologisch höchst problematisch. Nirgendwo im Neuen Testament träten Heidenchristen gegenüber Juden belehrend auf, um ihnen zu erklären, wie sich das mit dem Gott Israels verhalte.
    "Wir sind sozusagen die, die in den Bund hineingenommen sind und nicht die ursprünglichen Erben der Verheißung", sagt Markschies. "Schon im Neuen Testament gibt es eigentlich keine heidenchristliche Mission an Juden. Der Apostel Paulus macht ganz, ganz deutlich, das Judentum ist keine defiziente Religion, eine Religion, der irgendetwas fehlt, der eine christliche Botschaft weitergegeben werden muss, damit sie vollständig wird. Im Gegenteil, Paulus sagt: Wie sich das auflöst mit dem christlichen Bekenntnis zu Jesus Christus und der jüdischen Form, an den Gott Israels zu glauben, das überlassen wir Gott im Eschaton, also am Ende der Zeiten."
    Wer an Judenmission festhält
    Doch nicht alle sehen das so. Es gibt unter evangelischen Christen nach wie vor eine Strömung, die an der Judenmission festhalten will. Etwa in der württembergischen und der sächsischen Landeskirche. Dort heißt es, man könne den Missionsgedanken nicht aufgeben, weil es die Verantwortung eines Christen sei, letztlich auch Juden zu sagen, das Heil liege in Christus.
    "Je mehr Sie evangelikale, gleichsam fundamentalistische Kräfte in den Landeskirchen haben und das ist in Sachsen so und das ist in Württemberg so, desto mehr haben Sie dieses Problem, weil die Kräfte, am wenigsten bereit sind, diesen totalen Wahrheitsanspruch sozusagen aufzugeben", sagt Christian Staffa, Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin.
    Verbündete finden die Evangelikalen in den messianischen Juden, so Staffa: "Messianische Juden sind in Teilen das Ergebnis von Judenmission. Also getaufte Juden, die sich als messianisch-jüdische Gemeinden formieren und die mit den tendenziell evangelikalen Kräften in der württembergischen Landeskirche sehr gut auskommen und beide befürworten Judenmission. Wobei sie als messianische Juden dann sagen: Wir sind getaufte Juden, also wir sind nicht Christen, sondern getaufte Juden. Und damit ist sozusagen eine Debatte angefacht, die einerseits Judenmission sehr befürwortet und andererseits für die Evangelikalen sozusagen jüdische Partner entstehen, die sehr einig mit ihnen sind."
    Hoffnung auf klare Zustimmung zum Synodalpapier
    Umso spannender wird die Frage sein, wie auf der EKD-Synode in Magdeburg die unterschiedlichen Positionen in ein gemeinsames Papier zur Judenmission gebracht werden können. Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode, erwartet denn auch eine lebhafte Diskussion. Sie hofft zugleich aber auf eine breite Zustimmung zum wegweisenden Synodalpapier.
    Die frühere FDP-Politikerin Irmgard Schwaetzer und neue Präses der Synode der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), aufgenommen am 02.05.2015 während einer Pressekonferenz am Rande der 12. EKD-Synode in Würzburg (Bayern).
    Irmgard Schwaetzer, Präses der EKD-Synode (dpa / picture alliance / Daniel Karmann)
    "Die Gespräche, die im Vorfeld stattgefunden haben, haben mich bestärkt in der Hoffnung, dass es möglich sein wird, auch auf der Synode einen breiten Konsens zu erreichen. Das allerdings war für mich von Anfang an auch wichtig, hier auf möglichst breiter Basis zu formulieren, was wir gemeinsam sagen können. Aber es darf nicht uneindeutig sein, sondern es muss klar bleiben."
    Für die jüdische Seite ist es sicher ein längst überfälliges Signal, der akademischen Diskussion zur Judenfeindschaft Luthers ganz konkret Taten folgen zu lassen. Doch was bedeutet das für die evangelischen Gemeinden? Der Theologe Christoph Markschies:
    "Mit diesem Synodalbeschluss verändert sich, dass wir alle einen gemeinsamen Text haben, auf dessen Sprache wir uns beziehen können. Dass alle noch einmal genau wissen: Der Bund, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hat, besteht. Es wird eine Reihe von Sprachregelungen geben, die hoffentlich in den Gemeinden jetzt auch ankommen werden, die in liturgische Texte, in Gebete hineingehen werden und die insbesondere unseren jüdischen Gesprächspartnern deutlich machen, dass das nicht ein theologisches Fünklein nach 1945 war, sondern die evangelische Christenheit in Deutschland sich klar und eindeutig neu orientiert hat und es an dieser Stelle kein Wanken geben wird."