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Electronic Sports League
Wie viel Sport im eSport steckt

DFB-Präsident Reinhard Grindel findet die Idee, eSport olympisch zu machen, "absurd". ESport sei für ihn kein Sport. Bei den Frühlingsmeisterschaften der Electronic Sports League in Düsseldorf dagegen sah man: Klassischer Sport und eSport könnten sich gut ergänzen.

Von Stephan Beuting | 08.04.2018
    Besucher spielen auf der Spielemesse Gamescom in Köln das Spiel "FIFA 17".
    Besucher spielen auf der Spielemesse Gamescom in Köln das Spiel "FIFA 17". (dpa/ picture alliance/ Marius Becker)
    Ausgleich. Cihan von RB-Leipzig nippt zufrieden an seiner Red-Bull-Dose. In Cihans "Fan-Kurve", also hinter seinem Gamer Sitz, stehen etwa 30 treue Unterstützer, die ihn anfeuern. Erstes Halbfinalspiel der ESL-Frühlingsmeisterschaft in der Fußballsimulation FIFA 18. Etwas weiter hinten wartet TimoX auf seinen Einsatz.
    Timo "TimoX" Siep ist genau wie die beiden Halbfinalspieler eSport-Profi, unter Vertrag beim Vfl Wolfsburg. Wie Stuttgart, Bochum, Schalke und viele andere Bundesligisten haben die Wolfsburger eine eigene eSport-Abteilung aufgebaut. Während die Vereine einsteigen und investieren, tritt der DFB-Präsident auf die Bremse.
    "Hast Du das von Reinhard Grindel gehört, was er gesagt hat", frage ich Timo. Der fragt zurück: "Reinhard was?" Ich erkläre Timo, dass Reinhard Grindel DFB-Präsident ist und gesagt hat, dass eSport kein Sport ist. "Das hat doch Watzke auch gesagt", entgegnet Timo.
    Gehört Fußball allein auf den grünen Rasen?
    Hans-Joachim Watzke, BVB-Geschäftsführer, findet eSport - Zitat - "komplett Scheiße". DFB-Präsident Grindel sagt es anders, will aber ebenfalls nichts damit zu tun haben: "Fußball gehört auf den grünen Rasen", so Grindel, "und hat mit Dingen, die computermäßig sind, nichts zu tun." ESport sei eine große Konkurrenz für die Fußballvereine, erklärt Grindel weiter: "Und ich glaube, das ist eine absolute Verarmung."
    "Wie gesagt, jeder hat sein eigenes Bild, aber mich verletzt das nicht wirklich, wenn einer sagt, dass es kein Sport ist, weil ich ganz genau weiß, dass es Unterschiede gibt, zwischen echtem Fußball und eSport und deswegen kann ich die Sicht von denen auch einigermaßen nachvollziehen. Aber viele setzen sich damit gar nicht richtig auseinander, weil eSport zum Teil sogar mehr Hallen füllt als manche Fußballclubs in der Bundesliga, was die Zuschauerzahlen und Fans betrifft und deswegen muss man sich ein wenig damit auseinandersetzen, um das beurteilen zu können."
    Wer das tut, der sieht unter den Spitzenspielern viele Ähnlichkeiten zwischen virtuellen und Real-Life-Profis. Trainingspläne und Physio, bewusste Ernährung und Fitnessprogramm, Businessplan und stattlicher Verdienst bzw. hohe Preisgelder. "Man kann das Ganze auch im Internet nachschauen", sagt Timo, "da gibt es Seiten, da steht, wieviel ich mit FIFA 17 eingenommen habe. Das ist kein großes Geheimnis."
    Ergänzung statt Gegensatz
    Etwas über 54.000 Euro im Jahr 2017. Dazu kommen Spenden von Fans und Werbeeinnahmen. Auf Twitch, einer Internet-Plattform, auf der man Spielern live über die Schulter schauen kann, hat TimoX über 18.000 Follower. 3,7 Millionen Deutsche schauen dort pro Monat zu. Das macht die eSport-Champions zu idealen Werbefiguren für die Wirtschaft. Das Team aus Wolfsburg wirbt zum Beispiel für einen Energy-Drink und - es ist Werbung für den Fußball selbst. Statt Gegensatz also: Ergänzung. "Es gibt in FIFA solche Skill-Übungen", erzählt Timo, "da muss man Freistöße üben, Elfmeterschießen und Dribbling und das haben wir mit drei Profis gemacht, also drei eSportler gegen drei Profis. Wir haben zuerst auf der Konsole gespielt und dann auf dem echten Rasen."
    Schätzungen gehen von 34 Millionen Gamern in Deutschland aus, knapp sechs Millionen von Ihnen sind zwischen 10 und 19, also die Altersgruppe, der Reinhard Grindel "Verarmung" durch Gaming ankreidet - aber die er doch eigentlich gerne in den Fußballvereinen hätte. "Was völlig selbstverständlich ist, das ist das, was junge Menschen gerne im Team miteinander machen und was sie begeistert und womit sie viel Zeit verbringen", urteilt Jan Pommer, bei der Electronic Sports League für die Einbeziehung der Sportvereine zuständig, also Schnittstelle zwischen traditionellem Sport und eSport. "Insofern ist eSport durchaus eine Möglichkeit für Sportvereine", so Pommer, "junge Menschen, die nicht selbstverständlich im Fußball aktiv sind oder beim Handball, stärker an sich zu binden."
    Der DOSB hat schon Redebereitschaft signalisiert
    Bei der Frühlingsmeisterschaft waren es im vergangenen Jahr 1000 Besucher, diesmal sind über 1500 gekommen. Der Umsatz der Spieleindustrie hat sich in den vergangenen vier Jahren mehr als versechsfacht. Selbst der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat zuletzt Redebereitschaft signalisiert. Wer dabei ist und wer sich das genauer ansieht, der merkt: eSport wird so schnell nicht wieder verschwinden, unabhängig davon, wie vernichtend das Urteil des DFB-Präsidenten ausfällt.
    Jan Pommer hat, was die Überzeugungsarbeit bei Reinhard Grindel angeht, noch nicht aufgegeben: "Ich würde mich freuen, wenn er mit mir einmal so eine Veranstaltung besucht und die Begeisterung spürt und dann versteht, dass das etwas ist, was den klassischen Fußball - wo man den Rasen riecht und danach dreckig vom Platz geht - ergänzen kann. Und natürlich auch einen großen Beitrag dazu leisten kann, dass junge Menschen als soziale Bürger und junge Steuerzahler aufwachsen."