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Elektroschrott-Entsorgung
"Die Trennung von Schadstoffen funktioniert nicht gut"

Laut einer Studie von Interpol, UNO und EU-Kommission landet die Hälfte des europäischen Elektroschrotts in den falschen Tonnen oder Verbrennungsöfen, statt ordnungsgemäß recycelt zu werden. Gründe dafür sind neben Unwissen auch kriminelle Strukturen und zu viel Konkurrenz im Entsorgerbereich, erklärte Studien-Mitarbeiter Jaco Huismann im DLF.

Jaco Huismann im Gespräch mit Jule Reimer | 31.08.2015
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    Alte Elektrogeräte auf einem Recyclinghof in einem Behälter für Elektroschrott (picture alliance/dpa/Daniel Naupold)
    Jule Reimer: Kühlschränke, Festplatten, Smartphones: Sie alle kennen die Bilder von Kindern aus Ghana oder Indien, die umhüllt von beißendem Rauch in mitten von allem möglichem Müll Feuer machen, um in der Glut Kupfer, Gold, Silber, alle möglichen Metalle aus Kabeln oder Gehäusen zu lösen. Ein Teil dieses Schrotts stammt aus Europa.
    Fast zehn Millionen Tonnen Elektroschrott produzierten die Europäer im Jahr 2012. Aber der illegale Export in Entwicklungsländer ist nur ein Problem von mehreren und mengenmäßig gar nicht so bedeutsam. Denn fast die Hälfte des europäischen Elektroschrotts landet bereits hier in Europa in den falschen Tonnen oder Verbrennungsöfen statt ordnungsgemäß recycelt zu werden, sagt eine neue Studie von Interpol, UNO und EU-Kommission. Der Niederländer Jaco Huismann hat als Projektleiter an der UN-University der Vereinten Nationen am Standort Bonn an der Studie mitgearbeitet. Ihn fragte ich, was schief läuft beim Elektrogeräte-Recycling in Europa.
    Jaco Huismann: Ja, da läuft wirklich viel schief. Es gibt zu viele Geräte, die auch in die Mülltonnen reingehen. Es gibt auch zu viele Mengen im Schrotthandel, die nicht gut recycelt werden. Besonders die Schadstoffe werden nicht gut abgetrennt. Und dann gibt es noch ziemlich viel illegalen Handel und auch das Stehlen von wertvollen Stoffen und Komponenten wie Kompressoren zum Beispiel von Kühlschränken.
    "Es gibt zu wenig Qualität in der Entsorgung"
    Reimer: In Italien ist Müllentsorgung auch ein Problem, in dem die Mafia eine Rolle spielt. Gibt es in Europa beim Elektroschrott auch so was die organisierte Kriminalität?
    Huismann: Wir haben nicht viele Beweise dafür gefunden. Es gibt ein paar Indikationen hier, aber das Problem ist eigentlich wirklich, wie wir am Anfang gedacht haben. Das Problem ist eigentlich überall und besonders auch im Elektroschrott-Handel in vielen Ländern gibt es zu viele Probleme und auch zu wenig Qualität in der Entsorgung am Ende.
    Reimer: Was heißt das konkret? Wenn Sie Deutschland angucken, was bemängeln Sie da?
    Huismann: Ja, das war interessant. Wir haben eine große Umfrage gemacht, auch mit den Elektronik-Recyclern in Deutschland, und die haben wirklich gut kooperiert und das ist eigentlich auch eine Indikation, dass es zu viel Konkurrenz in Deutschland gibt über Elektronikschrott. Konkurrenz ist gut, um die Preise nach unten zu haben, aber die Konkurrenz im Moment geht wirklich auf Kosten auch der Umwelt. Es geht auf Kosten der Qualität der Entsorgung am Ende und das ist nicht in Ordnung.
    "Die Trennung von Schadstoffen funtkioniert nicht gut"
    Reimer: Man kann in Deutschland ja Geräte von den Gemeinden abholen lassen. Sie bemängeln auch, Sie sagen, das sei die Voraussetzung, dass die Geräte nicht geordnet entsorgt werden. Warum?
    Huismann: Diese Geräte und besonders auch große Geräte, die man zum Beispiel an die Straße setzen kann, haben einen Wert am Ende und das geht viel in den Schrotthandel. Das ist nicht das Problem. Aber die Entsorgung am Ende und die Entsorgung und auch Qualität in der Trennung von Schadstoffen von Elektronikschrott funktioniert nicht gut und deshalb gibt es zu viele Probleme und auch zu wenig Kontrolle am Ende über die Qualität.
    Reimer: Haben Sie ein Beispiel, wo Schadstoffe dadurch in die Umwelt gelangen?
    Huismann: Ja, wir haben ein sehr klares Beispiel. Das hat zu tun mit Kompressoren von Kühlschränken. Die haben einen Wert. Wenn die Konsumenten das an die Straße setzen, wird sehr oft auch der Kompressor von diesen Kühlschränken gestohlen. Und das Problem ist: Es gibt Chlorfluorkohlenwasserstoffe darin und die haben eine sehr hohe Klimaschädlichkeit. Das entspricht dem Vergleich mit wirklich fünf Millionen Pkw im Straßenverkehr.
    "Bargeldzahlungen im Metallschrott-Handel verbieten"
    Reimer: Welche Maßnahmen empfehlen Sie dafür?
    Huismann: Die Hersteller und die Recycler sowie die Umweltministerien und auch die Kontrollbehörden müssen sich wirklich zusammensetzen und einen guten Plan machen, um den Elektronikschrott-Strom unter Kontrolle zu bekommen.
    Die zweite Maßnahme: Wir haben in ein paar Ländern gesehen, wo es ein Verbot von Bargeldzahlungen im Metallschrott-Handel gibt, dass das auch die Einsammelmengen erhöht.
    Reimer: Die Elektroschrott-Entsorgung innerhalb Europas muss reformiert und besser kontrolliert werden, fordert eine UN-Studie.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.