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Elite-Schulen
Bildungsinseln für Besserverdienende?

Eigentlich dürften Privatschulen nur dann zugelassen werden und staatliche Förderung erhalten, wenn sichergestellt ist, dass sie Kindern aus allen sozialen Schichten offen stehen. Wie eine Studie zeigt, wird das aber so gut wie gar nicht kontrolliert.

Von Christiane Habermalz | 26.11.2016
    Der Eingang des Aloisiuskollegs in Bonn.
    Das Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg. (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Eliteschulen sollte es in Deutschland nach dem Willen der Väter des Grundgesetzes nicht geben. Dass man sich dennoch für die Zulassung für Privatschulen entschied, hing damit zusammen, dass die SPD Reformschulen ihre Arbeit ermöglichen wollte – aber auch nur dann, wenn sie allen Schülern zur Verfügung stehen. So kam im Grundgesetz der Art. 7 Absatz 4 zustande, das sogenannte "Sonderungsverbot für Privatschulen".
    "Es ist eine der meist vergessenen Vorschriften im GG, könnte man beinahe sagen: Sonderungsverbot besagt, dass bei der Genehmigung von Privatschulen, die nach dem Grundgesetz grundsätzlich zulässig sind, die Sonderung der Kinder nach den Besitzverhältnissen der Eltern ausgeschlossen sein muss. Das heißt also, Privatschulen dürfen als Ersatzschulen für staatliche Schulen nur zugelassen werden, wenn sie keine soziale Selektion betreiben."
    Soziale Abschottung von Privatschulen wird kaum verhindert
    Doch die meisten Privatschulen sind dennoch Bildungsinseln für Besserverdienende – und die Bundesländer kümmert es nicht. Zu diesem Schluss kommen Michael Wrase und Marcel Helbig, Rechtswissenschaftler und Bildungssoziologe am WZB, dem Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Das Ergebnis ihrer Untersuchung ist ernüchternd: Von den 16 Bundesländern erfüllen nur Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zumindest fünf von neun Grundsätzen zur Verhinderung von sozialer Abschottung von Privatschulen. Bundesländer wie Thüringen oder Bremen beachten gar keine dieser Vorgaben. Weder ist eine Staffelung des Schulgeldes nach Einkommen der Eltern vorgeschrieben, noch eine Höchstgrenze des durchschnittlichen monatlichen Schulgeldes. Laut Verwaltungsgericht Stuttgart dürfte dieses eigentlich nur bei 160 Euro im Monat liegen. In vielen Schulen wie der Berlin Metropolitan School fangen die Beiträge bei 200 Euro inklusive Nachmittagsbetreuung erst an – und gehen bis zu einer maximalen monatlichen Rate von 2000 Euro für Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe. Eine soziale Durchmischung findet hier jedenfalls nicht statt.
    "Das Erstaunliche ist eben, dass die ja unglaublich hohe Schulgelder nehmen, beziehungsweise Internatskosten, aber auf der anderen Seite noch die ganze staatliche Unterstützung erhalten. Das heißt also, die Cosmopolitan School oder die Metropolitan School in Berlin die finanziert sich eben nicht auch den hohen Schulgebühren allein, sondern sie finanzieren sich zum größten Teil aus dem, was sie vom Berliner Senat bekommen. Und das ist bei der Schule Schloss Salem genauso."
    Mehrzahl der Bundesländer hat das Sonderungsverbot nicht umgesetzt
    Es sei geradezu widersinnig, dass die Privatschulen die staatliche Förderung ja gerade mit Bezug auf das Sonderungsverbot erhalten. Vor Gericht war immer damit argumentiert worden, dass sie als private Ersatzschulen ja schließlich allen sozialen Schichten offenstehen müssten. Doch kontrolliert wird das nicht. Die überwiegende Mehrzahl der Bundesländer hat das Sonderungsverbot noch nicht einmal in eigene Landesgesetze oder Verordnungen umgesetzt. Für eine soziale Durchmischung reiche es auch nicht aus, wenn einzelne Stipendien vergeben würden. Die Bundesländer müssten die Genehmigung von privaten Ersatzschulen etwa daran knüpfen, ob ein bestimmter Prozentsatz an Kindern vom Schulgeld befreit werde. Und auch die Aufnahmepraxis müsste überprüft werden - inwiefern Kinder zahlungskräftiger Eltern bei der Platzvergabe bevorzugt würden. Eliteinternate wie Schloss Salem oder das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg dürfte es nach der bisherigen Rechtsprechung eigentlich gar nicht geben, sagen die Studienautoren.
    Die Privatschulen wollen das nicht auf sich sitzen lassen. Die Studie sei ärgerlich und in der Summe falsch, erklärte Pater Siebner, Rektor des Aloisiuskollegs. Entsprechend der Vorgabe des Landes Nordrhein-Westfalen, die Schulgeld generell verbiete, werde am AKO gar kein Schulgeld genommen. Dafür kostet das angeschlossene Internat rund 1.600 Euro im Monat.
    "Fürs Internat muss ich ja einen Pensionspreis nehmen. Aber unsere Schule hat 750 Schüler, von denen sind keine 100 im Internat."
    Spenden für den Förderverein werden erwartet
    Für die Externen würden lediglich Gebühren für die Übermittagsbetreuung von 115 Euro im Monat erhoben, auch für Sport und Nachmittagsangebote würden zusätzliche Gebühren berechnet. Und man würde von den Eltern außerdem erwarten, für den Förderverein zu spenden. Es gebe Stipendien sowohl für das Internat als auch für die Übermittagsbetreuung.
    "Natürlich gibt es hier ein bürgerliches Milieu, das sich bei uns an der Schule wiederfindet, das kann man als wohlhabend, meinetwegen auch als elitär bezeichnen, was auch immer die beiden Herren damit meinen, aber wir haben hier das Ländchen, wir haben hier einfache Handwerkerfamilien, wir haben Hartz-IV-Empfänger bei uns an der Schule. Wir haben syrische Flüchtlingskinder bei uns an der Schule, ich weiß gar nicht, was die wollen!"
    Wie hoch der Anteil der Hartz-IV-Empfänger und der syrischen Flüchtlingskinder am Aloisiuskolleg tatsächlich ist, bleibt jedoch offen – und wird von der Schulverwaltung auch nicht kontrolliert. Wahnsinnig viele können es nicht sein. Laut der jüngsten Schülerstatistik des Landes NRW werden am Aloisiuskolleg gerade einmal 2,85 Prozent Schüler mit Migrationshintergrund unterrichtet – gegenüber 80 Prozent an manchen öffentlichen Schulen.