Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon begrüße ich Peter Müller, den Ministerpräsidenten des Saarlands, CDU. Guten Morgen, Herr Müller!
Peter Müller: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Müller, sprechen wir zunächst über das Thema des Tages. Sind Sie überrascht darüber, dass innerhalb der SPD jetzt eine solche Diskussion geführt wird?
Müller: Dass diese Diskussion geführt wird, ist ja eigentlich eher ein Zeichen dafür, dass es noch ein paar Aufrechte in der SPD gibt. Ansonsten bereitet sich hier ein gewaltiger Wortbruch vor. Wenn die Frau Ypsilanti jetzt sagt, vor der Wahl in Hamburg bewege sich nichts, ist ja klar, was sich nach der Wahl in Hamburg bewegen soll. Alles das, was vorher an Treueschwüren stattgefunden hat, man werde sich von den Linken nicht tolerieren lassen, schon gar nicht mit ihnen zusammenarbeiten, ist Makulatur. Das ist schlimm, schlimm für die SPD, auch schlimm für das Vertrauen der Politik insgesamt.
Heckmann: Rechnen Sie denn damit, dass es in der Tat dann dazu kommen wird in Hessen?
Müller: Nach meinem Dafürhalten deuten die Anzeichen in dieser Woche sehr klar darauf hin, dass Frau Ypsilanti sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin in Hessen wählen lassen will und damit das Gegenteil von dem zu tun beabsichtigt, was sie öffentlich immer geschworen hat.
Heckmann: Was heißt das Ganze für den Bundestagswahlkampf 2009?
Müller: Ja, das heißt schlicht und einfach, wenn es sich dann so vollzieht, dass all diese Schwüre, man werde mit den Linken nicht zusammenarbeiten, das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben werden, das müssen die Wählerinnen und Wähler wissen. Es gibt ja viele, die die Stimme bei der Linkspartei abgegeben haben, um ein Stück Protest zu dokumentieren. Jeder muss wissen, wer die Linkspartei wählt, geht das Risiko ein, auch von ihr regiert zu werden. Und ich glaube, dass dies das Wahlverhalten vieler beeinflussen wird, die weder die Linkspartei noch die SPD dann als wählbar ansehen.
Heckmann: Und dementsprechend wird die Union ihren Wahlkampf ausrichten?
Müller: Das halte ich für selbstverständlich. Man muss die Alternativen, vor denen man steht, den Bürgern ja klarmachen, wenn sie darüber entscheiden sollen.
Heckmann: Herr Müller, wir wollten ursprünglich sprechen über die soziale Marktwirtschaft und die Krise, die Sie konstatieren. Sie sind beauftragt worden, ein Papier aufzusetzen für Ihre Partei. Das haben Sie nun getan und sind dabei, es vorzulegen. Das Thema hat noch mal durch die Steuerhinterziehungsfälle besondere Aktualität bekommen. Jetzt ist es so, dass Staatsanwälte offenbar auch oder nicht nur offenbar, sondern in der Tat auch gegen Mitarbeiter von Privatbanken ermitteln. Wenn sich das als zutreffend erweisen sollte, die Vorwürfe, die da erhoben werden, hätten wir dann eine neue Qualität?
Müller: Ich glaube, es wäre nur eine Vervollständigung des Bildes, dass sich in den letzten Tagen abgezeichnet hat. Wir reden hier ja über illegale Prozesse. Natürlich, wer gegen Gesetze verstößt, wer Steuern hinterzieht, versündigt sich an dem Gemeinwesen und trägt damit auch ein Stück weit dazu bei, dass das Ansehen dieses Gemeinwesens sinkt. Ich glaube, dass die Frage nach dem Führungsverhalten einzelner Manager nicht nur die Frage nach Steuerhinterziehung, nach illegalem Verhalten ist, sondern auch die Frage, inwieweit wird hier Vorbildfunktion einer Elite wahrgenommen, und inwieweit geschieht dies nicht.
Heckmann: Wie kommt es denn, dass viele offenbar nicht mehr bereit sind, sich eben an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen? Sind wir auf dem Weg in eine Gesellschaft der Egoisten?
Müller: Ich glaube, dass das eine der negativen Konsequenzen einer Gesellschaft ist, die sich zunehmend individualisiert. Individualisierung ist eine Chance, eine Chance zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Sie setzt aber voraus, dass man verantwortlich handelt, und zwar verantwortlich nicht nur für sich, sondern auch für das Gemeinwohl. Jeder ist dem Gemeinwohl verpflichtet, und das scheinen einige vergessen zu haben, denen es offensichtlich nur noch darum geht, ihr persönliches Wohl zu verfolgen und die das Gemeinwohls aus den Augen verlieren. Ich will das nicht pauschalieren, aber einzelne Fälle gibt es auch auf den Vorstandsebenen börsennotierter Unternehmen.
Heckmann: Ist das ein Problemfall der gesamten Bevölkerung oder auch ein besonderes Problem der Eliten?
Müller: Vorbildfunktion haben Eliten wahrzunehmen. Und ich glaube, dieser Anspruch, Eliten müssen Vorbild sein, dieser Anspruch ist ein sehr berechtigter Anspruch. Das gilt dann nicht nur für die politischen Eliten, das gilt auch für die wirtschaftlichen Eliten. Meine Wahrnehmung ist im wirtschaftlichen Bereich, man darf nicht alles in einen Topf werfen. Bei den kleinen, bei den mittleren Unternehmen im Mittelstand wird gerade von den Unternehmensführern soziale Verantwortung in hohem Maße gelebt. Aber wir haben börsennotierte Unternehmen, die zunehmend nur noch als Finanzmassen definiert werden. Und da gibt es Manager, die maßlos sind. Mitte der 90er Jahre betrug das Verhältnis zwischen dem Durchschnittsgehalt und dem Managergehalt in diesen Unternehmen 1 zu 20. Mittlerweile ist es mehr als 1 zu 40, und das ist nicht mehr angemessen.
Heckmann: Noch mal auf die Steuerhinterziehungen zu sprechen zu kommen. Der Heidelberger Steuerexperte Professor Paul Kirchhoff hat der "Rhein-Neckar-Zeitung" gesagt, er habe Verständnis für denjenigen, der gegenüber dem deutschen Steuerrecht nur ein schwaches Rechtsbewusstsein ausbildet. Ist das Steuersystem in Deutschland schuld daran, dass es so viel Steuerhinterziehung gibt? Ist es zu kompliziert und die Sätze zu hoch?
Müller: Erstens glaube ich nicht, dass die Sätze zu hoch sind. Die Steuerquote in Deutschland liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Zweitens, das deutsche Steuerrecht ist kompliziert, das lässt sich überhaupt nicht bestreiten. Aber das darf doch nicht der Vorwand dafür sein zu sagen, und jetzt zahle ich keine Steuern mehr, und jetzt trage ich nicht mehr dazu bei, dass Schulen gebaut werden können, dass Straßen gebaut werden können und vieles andere mehr. Diese Entschuldigung ist zu einfach. Und das ist schon gar keine Entschuldigung für diejenigen, die für sich in Anspruch nehmen, Elite in dieser Gesellschaft zu sein.
Heckmann: Herr Müller, Sie haben ja eine Vertrauenskrise in die soziale Marktwirtschaft konstatiert in Ihrem Papier, das Sie jetzt vorlegen.
Müller: Ja.
Heckmann: Wie sollte man dieser Krise konkret entgegentreten?
Müller: Mit Blick auf die Frage des Vorbildverhaltens von Managern ist zunächst einmal die Selbstreinigung der Wirtschaft gefordert. Es gab die Cromme-Kommission, die Grundsätze guter Unternehmungsführung entwickelt hat. Ich glaube, dass diese noch einmal erweitert werden müssten und vor allen Dingen, dass sie lückenlos in der Wirtschaft angewandt werden.
Heckmann: In welchen Punkten sollte sie erweitert werden?
Müller: Etwa in der Frage, was ist eine angemessene Abfindung, etwa in der Frage, in welchem Umfang wird Transparenz mit Blick auf Gehälter geschaffen, wann werden Gehälter offen gelegt, aber auch mit Blick auf die Frage, wie gehen wir denn mit denjenigen um, die gegen all diese Grundsätze verstoßen, wird da nicht klar und deutlich ein Akt der Verurteilung dieses Verhaltens vereinbart. Unabhängig davon muss natürlich auch der Gesetzgeber, muss auch die Politik fragen, was sie tun kann. Ich empfehle, nicht zuzuwarten, sondern ich empfehle, auch da konkrete Schritte zu unternehmen.
Heckmann: Und zwar die wären?
Müller: Ich glaube, dass die Frage der Transparenz noch einmal gesetzlich nachgebessert werden kann. Wir haben ja jetzt bereits eine Verpflichtung, Managergehälter offen zu legen. Allerdings gibt es die Möglichkeit, sich durch Gesellschafterbeschluss davon abzukoppeln und es nur auf den Vorstand insgesamt zu beziehen. Das halte ich nicht für angemessen. Diese Ausnahmemöglichkeit müsste beseitigt werden. Ich glaube auch, dass wir eine Regelung schaffen sollten, dass das, was in vielen Unternehmen geschieht, dass der Vorstandsvorsitzende lückenlos in den Aufsichtsrat wechselt und dort Vorsitzender wird, künftig unterbunden werden soll und mit Blick auf die Steuerhinterziehung glaube ich persönlich, dass eine Erhöhung des Strafrahmens, wir reden da jetzt schon über zehn Jahre Gefängnis, eigentlich wenig hilft. Was ich allerdings für problematisch halte, ist die völlige Straflosigkeit bei rechtzeitiger Selbstanzeige. Wer Millionen an Steuern hinterzogen hat, ich glaube nicht, dass dem ein Akt tätiger Reue, nämlich die Selbstanzeige bereits ausreichen sollte, um jeglicher Bestrafung zu entgehen. Auch das sollte verändert werden.
Heckmann: Sind das Punkte, sind das Forderungen, die innerhalb der CDU, innerhalb der Union mehrheitsfähig sind?
Müller: Ich habe diese Vorstellungen in einem Papier zusammengestellt. Ich habe dieses Papier den Führungsgremien, dem Präsidium, dem Bundesvorstand der CDU zugeleitet. Wir werden darüber diskutieren, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es einen Konsens in dieser Richtung gibt. Die CDU ist nicht die Partei der Marktwirtschaft. Sie ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Und wenn gerade mit Blick auf die Frage, geht es gerecht in Deutschland zu, oder gibt es nicht einige, die sich unangemessen bereichern, eine Diskussion zu führen ist, dann muss die CDU an der Spitze dieser Diskussion stehen.
Heckmann: Welche Konsequenzen sehen Sie für den Fall, dass eben dieser Trend, was die Vertrauenskrise angeht, nicht gestoppt werden kann?
Müller: Ich glaube, dass die Vertrauenskrise der sozialen Marktwirtschaft ein Fundament unseres Staates infrage stellt, und deshalb auch etwas ist, was im Zweifel dann denjenigen politischen Kräften, die in der Mitte dieser Gesellschaft stehen, den Volksparteien, schadet. Das ist ein Prozess, der die politische Ränder stabilisieren kann, und daran kann niemand Interesse haben.
Heckmann: Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlandes und Mitglied der CDU. Ich danke Ihnen für dieses Interview!
Peter Müller: Schönen guten Morgen!
Heckmann: Herr Müller, sprechen wir zunächst über das Thema des Tages. Sind Sie überrascht darüber, dass innerhalb der SPD jetzt eine solche Diskussion geführt wird?
Müller: Dass diese Diskussion geführt wird, ist ja eigentlich eher ein Zeichen dafür, dass es noch ein paar Aufrechte in der SPD gibt. Ansonsten bereitet sich hier ein gewaltiger Wortbruch vor. Wenn die Frau Ypsilanti jetzt sagt, vor der Wahl in Hamburg bewege sich nichts, ist ja klar, was sich nach der Wahl in Hamburg bewegen soll. Alles das, was vorher an Treueschwüren stattgefunden hat, man werde sich von den Linken nicht tolerieren lassen, schon gar nicht mit ihnen zusammenarbeiten, ist Makulatur. Das ist schlimm, schlimm für die SPD, auch schlimm für das Vertrauen der Politik insgesamt.
Heckmann: Rechnen Sie denn damit, dass es in der Tat dann dazu kommen wird in Hessen?
Müller: Nach meinem Dafürhalten deuten die Anzeichen in dieser Woche sehr klar darauf hin, dass Frau Ypsilanti sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin in Hessen wählen lassen will und damit das Gegenteil von dem zu tun beabsichtigt, was sie öffentlich immer geschworen hat.
Heckmann: Was heißt das Ganze für den Bundestagswahlkampf 2009?
Müller: Ja, das heißt schlicht und einfach, wenn es sich dann so vollzieht, dass all diese Schwüre, man werde mit den Linken nicht zusammenarbeiten, das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben werden, das müssen die Wählerinnen und Wähler wissen. Es gibt ja viele, die die Stimme bei der Linkspartei abgegeben haben, um ein Stück Protest zu dokumentieren. Jeder muss wissen, wer die Linkspartei wählt, geht das Risiko ein, auch von ihr regiert zu werden. Und ich glaube, dass dies das Wahlverhalten vieler beeinflussen wird, die weder die Linkspartei noch die SPD dann als wählbar ansehen.
Heckmann: Und dementsprechend wird die Union ihren Wahlkampf ausrichten?
Müller: Das halte ich für selbstverständlich. Man muss die Alternativen, vor denen man steht, den Bürgern ja klarmachen, wenn sie darüber entscheiden sollen.
Heckmann: Herr Müller, wir wollten ursprünglich sprechen über die soziale Marktwirtschaft und die Krise, die Sie konstatieren. Sie sind beauftragt worden, ein Papier aufzusetzen für Ihre Partei. Das haben Sie nun getan und sind dabei, es vorzulegen. Das Thema hat noch mal durch die Steuerhinterziehungsfälle besondere Aktualität bekommen. Jetzt ist es so, dass Staatsanwälte offenbar auch oder nicht nur offenbar, sondern in der Tat auch gegen Mitarbeiter von Privatbanken ermitteln. Wenn sich das als zutreffend erweisen sollte, die Vorwürfe, die da erhoben werden, hätten wir dann eine neue Qualität?
Müller: Ich glaube, es wäre nur eine Vervollständigung des Bildes, dass sich in den letzten Tagen abgezeichnet hat. Wir reden hier ja über illegale Prozesse. Natürlich, wer gegen Gesetze verstößt, wer Steuern hinterzieht, versündigt sich an dem Gemeinwesen und trägt damit auch ein Stück weit dazu bei, dass das Ansehen dieses Gemeinwesens sinkt. Ich glaube, dass die Frage nach dem Führungsverhalten einzelner Manager nicht nur die Frage nach Steuerhinterziehung, nach illegalem Verhalten ist, sondern auch die Frage, inwieweit wird hier Vorbildfunktion einer Elite wahrgenommen, und inwieweit geschieht dies nicht.
Heckmann: Wie kommt es denn, dass viele offenbar nicht mehr bereit sind, sich eben an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen? Sind wir auf dem Weg in eine Gesellschaft der Egoisten?
Müller: Ich glaube, dass das eine der negativen Konsequenzen einer Gesellschaft ist, die sich zunehmend individualisiert. Individualisierung ist eine Chance, eine Chance zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Sie setzt aber voraus, dass man verantwortlich handelt, und zwar verantwortlich nicht nur für sich, sondern auch für das Gemeinwohl. Jeder ist dem Gemeinwohl verpflichtet, und das scheinen einige vergessen zu haben, denen es offensichtlich nur noch darum geht, ihr persönliches Wohl zu verfolgen und die das Gemeinwohls aus den Augen verlieren. Ich will das nicht pauschalieren, aber einzelne Fälle gibt es auch auf den Vorstandsebenen börsennotierter Unternehmen.
Heckmann: Ist das ein Problemfall der gesamten Bevölkerung oder auch ein besonderes Problem der Eliten?
Müller: Vorbildfunktion haben Eliten wahrzunehmen. Und ich glaube, dieser Anspruch, Eliten müssen Vorbild sein, dieser Anspruch ist ein sehr berechtigter Anspruch. Das gilt dann nicht nur für die politischen Eliten, das gilt auch für die wirtschaftlichen Eliten. Meine Wahrnehmung ist im wirtschaftlichen Bereich, man darf nicht alles in einen Topf werfen. Bei den kleinen, bei den mittleren Unternehmen im Mittelstand wird gerade von den Unternehmensführern soziale Verantwortung in hohem Maße gelebt. Aber wir haben börsennotierte Unternehmen, die zunehmend nur noch als Finanzmassen definiert werden. Und da gibt es Manager, die maßlos sind. Mitte der 90er Jahre betrug das Verhältnis zwischen dem Durchschnittsgehalt und dem Managergehalt in diesen Unternehmen 1 zu 20. Mittlerweile ist es mehr als 1 zu 40, und das ist nicht mehr angemessen.
Heckmann: Noch mal auf die Steuerhinterziehungen zu sprechen zu kommen. Der Heidelberger Steuerexperte Professor Paul Kirchhoff hat der "Rhein-Neckar-Zeitung" gesagt, er habe Verständnis für denjenigen, der gegenüber dem deutschen Steuerrecht nur ein schwaches Rechtsbewusstsein ausbildet. Ist das Steuersystem in Deutschland schuld daran, dass es so viel Steuerhinterziehung gibt? Ist es zu kompliziert und die Sätze zu hoch?
Müller: Erstens glaube ich nicht, dass die Sätze zu hoch sind. Die Steuerquote in Deutschland liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Zweitens, das deutsche Steuerrecht ist kompliziert, das lässt sich überhaupt nicht bestreiten. Aber das darf doch nicht der Vorwand dafür sein zu sagen, und jetzt zahle ich keine Steuern mehr, und jetzt trage ich nicht mehr dazu bei, dass Schulen gebaut werden können, dass Straßen gebaut werden können und vieles andere mehr. Diese Entschuldigung ist zu einfach. Und das ist schon gar keine Entschuldigung für diejenigen, die für sich in Anspruch nehmen, Elite in dieser Gesellschaft zu sein.
Heckmann: Herr Müller, Sie haben ja eine Vertrauenskrise in die soziale Marktwirtschaft konstatiert in Ihrem Papier, das Sie jetzt vorlegen.
Müller: Ja.
Heckmann: Wie sollte man dieser Krise konkret entgegentreten?
Müller: Mit Blick auf die Frage des Vorbildverhaltens von Managern ist zunächst einmal die Selbstreinigung der Wirtschaft gefordert. Es gab die Cromme-Kommission, die Grundsätze guter Unternehmungsführung entwickelt hat. Ich glaube, dass diese noch einmal erweitert werden müssten und vor allen Dingen, dass sie lückenlos in der Wirtschaft angewandt werden.
Heckmann: In welchen Punkten sollte sie erweitert werden?
Müller: Etwa in der Frage, was ist eine angemessene Abfindung, etwa in der Frage, in welchem Umfang wird Transparenz mit Blick auf Gehälter geschaffen, wann werden Gehälter offen gelegt, aber auch mit Blick auf die Frage, wie gehen wir denn mit denjenigen um, die gegen all diese Grundsätze verstoßen, wird da nicht klar und deutlich ein Akt der Verurteilung dieses Verhaltens vereinbart. Unabhängig davon muss natürlich auch der Gesetzgeber, muss auch die Politik fragen, was sie tun kann. Ich empfehle, nicht zuzuwarten, sondern ich empfehle, auch da konkrete Schritte zu unternehmen.
Heckmann: Und zwar die wären?
Müller: Ich glaube, dass die Frage der Transparenz noch einmal gesetzlich nachgebessert werden kann. Wir haben ja jetzt bereits eine Verpflichtung, Managergehälter offen zu legen. Allerdings gibt es die Möglichkeit, sich durch Gesellschafterbeschluss davon abzukoppeln und es nur auf den Vorstand insgesamt zu beziehen. Das halte ich nicht für angemessen. Diese Ausnahmemöglichkeit müsste beseitigt werden. Ich glaube auch, dass wir eine Regelung schaffen sollten, dass das, was in vielen Unternehmen geschieht, dass der Vorstandsvorsitzende lückenlos in den Aufsichtsrat wechselt und dort Vorsitzender wird, künftig unterbunden werden soll und mit Blick auf die Steuerhinterziehung glaube ich persönlich, dass eine Erhöhung des Strafrahmens, wir reden da jetzt schon über zehn Jahre Gefängnis, eigentlich wenig hilft. Was ich allerdings für problematisch halte, ist die völlige Straflosigkeit bei rechtzeitiger Selbstanzeige. Wer Millionen an Steuern hinterzogen hat, ich glaube nicht, dass dem ein Akt tätiger Reue, nämlich die Selbstanzeige bereits ausreichen sollte, um jeglicher Bestrafung zu entgehen. Auch das sollte verändert werden.
Heckmann: Sind das Punkte, sind das Forderungen, die innerhalb der CDU, innerhalb der Union mehrheitsfähig sind?
Müller: Ich habe diese Vorstellungen in einem Papier zusammengestellt. Ich habe dieses Papier den Führungsgremien, dem Präsidium, dem Bundesvorstand der CDU zugeleitet. Wir werden darüber diskutieren, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es einen Konsens in dieser Richtung gibt. Die CDU ist nicht die Partei der Marktwirtschaft. Sie ist die Partei der sozialen Marktwirtschaft. Und wenn gerade mit Blick auf die Frage, geht es gerecht in Deutschland zu, oder gibt es nicht einige, die sich unangemessen bereichern, eine Diskussion zu führen ist, dann muss die CDU an der Spitze dieser Diskussion stehen.
Heckmann: Welche Konsequenzen sehen Sie für den Fall, dass eben dieser Trend, was die Vertrauenskrise angeht, nicht gestoppt werden kann?
Müller: Ich glaube, dass die Vertrauenskrise der sozialen Marktwirtschaft ein Fundament unseres Staates infrage stellt, und deshalb auch etwas ist, was im Zweifel dann denjenigen politischen Kräften, die in der Mitte dieser Gesellschaft stehen, den Volksparteien, schadet. Das ist ein Prozess, der die politische Ränder stabilisieren kann, und daran kann niemand Interesse haben.
Heckmann: Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlandes und Mitglied der CDU. Ich danke Ihnen für dieses Interview!