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Elitz: Wir brauchen Sicherheit bei der Gebührenfestsetzung

Deutschlandradio-Intendant Ernst Elitz hat die Politik aufgefordert, für eine verlässliche Festsetzung der Rundfunkgebühren zu sorgen. Der nationale Hörfunk sei daran in besonderem Maße interessiert, erklärte Elitz, denn er sei für die Produktion und die Ausstrahlung seiner beiden Programme alleine auf die Gebührenerträge angewiesen.

Intendant Ernst Elitz im Gespräch mit Andreas Stopp |
    Ernst Elitz: Deutschlandradio muss an einer verlässlichen Gebührenordnung in besonderem Maße interessiert sein, denn es ist für die Produktion und die Ausstrahlung seiner beiden Programme allein auf die Gebührenerträge angewiesen. Es verfügt anders als ARD und ZDF nicht über Werbeeinnahmen. Es hat nicht die Möglichkeit, Sport- oder Filmrechte weiter zu verwerten, um damit Erlöse zu erzielen. Deutschlandradio kann auch die öffentliche Information über seine Programme und die notwendigen Hinweise auf seine Empfangsmöglichkeiten in den einzelnen Regionen – sein Frequenzmarketing – nicht im Rahmen von Gegengeschäften mit Zeitungen finanzieren. Alles was wir im Interesse unserer Hörerinnen und Hörer tun – und was von diesen, wie die wachsenden Einschaltquoten belegen, auch besonders geschätzt wird - können wir nur mit Gebührengeld tun. Deshalb ist Verlässlichkeit bei der Gebührenfestsetzung für uns so wichtig.
    Andreas Stopp: Bei der letzten Gebührenentscheidung musste Deutschlandradio eine Kürzung hinnehmen – statt 40 Cent zahlt der Gebührenzahler pro Monat nur noch 37 Cent im Rahmen seiner Rundfunk- und Fernsehgebühr für Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur.
    Elitz: Nur mal um die Relation darzustellen: Für 37 Cent bekommt man noch nicht einmal ein Mohnbrötchen zum Frühstück. Aber bei uns achtundvierzig Stunden Qualitätsprogramm: mit Nachrichten rund um die Uhr, Hintergrundinformationen, viel zitierten Interviews, Hörspielen, Konzerten etc. Irgendwie ist das schon ein vernünftiger Preis. Gute Ware für wenig Geld. Zum einen hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, die KEF, unseren Gebührenanteil reduziert und uns aufgegeben, erst einmal unsere Rücklagen für die Modernisierung unserer Funkhäuser aufzubrauchen. Das werden wir tun. Dagegen wenden wir uns auch nicht mit unserer Verfassungsbeschwerde. Dann aber hat die Politik in einem Rundumschlag das Deutschlandradio auch noch einmal um sechs Mio. Euro erleichtert. Mit dem Hinweis darauf, dass man beim Fernsehen ja die Möglichkeit habe, die analoge terrestrische Versorgung einzustellen und bei Sportrechten zu sparen. Da konnten wir nun wenig mit anfangen: Erstens machen wir kein Fernsehen, können daran also auch nicht sparen. Und an den Einkauf und Verkauf von Sportrechten hatten wir auch nie gedacht. Trotzdem wurde der gleiche Prozentsatz bei uns auch noch einmal weggekürzt.
    Stopp: Aber diese Argumentation, die Sie vortragen, ist doch einsichtig. Hat die Politik das nicht erkannt?
    Elitz: Sie ist darüber hinweggegangen, hat uns in Briefen, die wir in unserer Klageschrift zitieren, darüber hinaus auch noch mitgeteilt: Wir wären ja bevorzugt behandelt worden, hätten ja sogar vierzig Mio. Euro mehr gekriegt. Schön wärs, aber es stimmte nicht. Dieser Irrtum ist inzwischen von der Medienpolitik erkannt. Wir wollen durch unsere Verfassungsbeschwerde sicherstellen, dass das von der KEF angewandte Verfahren künftig eingehalten wird. Dann wären solche für uns äußerst nachteiligen Missverständnisse zu vermeiden. Schon diesmal hat uns die Entscheidung der Ministerpräsidenten dazu veranlasst, zwei Studios – in Bonn und in Karlsruhe - zu schließen, was zweifellos eine Qualitätsminderung für unsere Programme bedeutet. Auch die Förderung des Jugendorchesters mussten wir einstellen. Wer nur Information und Kultur produziert wie wir, muss bei Informations- und Kultursendungen streichen. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht. Aber das entspricht weder unserem Auftrag noch dem Interesse der Hörer. Deshalb brauchen wir Sicherheit bei der Gebührenfestsetzung.
    Stopp: Soll die Politik dem Rundfunk gar nichts mehr zusagen haben? Heißt Rundfunkfreiheit, der Rundfunk macht was er will?
    Elitz: Die Länder verfügen über die Kultur- und damit auch die Rundfunkhoheit. Die steht hier gar nicht in Frage. Sie können die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestimmen. Sie schließen Staatsverträge über die Struktur der Landesrundfunkanstalten. Sie haben PHOENIX und ARTE gegründet. Sie definieren den Auftrag für die einzelnen Sender. Bei den einen sehr eng: Beim Deutschlandradio liegt die Konzentration auf dem Kern der Grundversorgung – Information und Kultur. Bei anderen etwas weiter, mit Blick auf die Interessen des Publikums an Sportübertragungen und Unterhaltungssendungen. Die Länder können klipp und klar sagen: Wir wollen, dass Qualitätsgesichtspunkte eine größere Rolle spielen. Wir hätten damit kein Problem. Wir schreiben das auch in unserer Verfassungsbeschwerde. Aber im Rahmen dieser Vorgaben muss Sicherheit für die Finanzierung bestehen. Das ist nicht nur im Interesse der Sender, das ist im Interesse der Radiohörer und Fernsehzuschauer.
    Stopp: Angesichts der Bemühungen von Kabel- und Satellitenbetreiber und der kommerziellen Betreiber, sich Verbreitung und Empfang kommerzieller Angebote durch den Nutzer bezahlen zu lassen, stellt sich die Frage, ob die Gebühr für den öffentlichrechtlichen
    Elitz: Rundfunk sich überhaupt noch auf Dauer halten lässt. Genau hier liegt eine wichtige Aufgabe für die Politik: Wenn der von kommerziellen Interessen unabhängige öffentlich-rechtliche Rundfunk ein gesellschaftspolitisches Gut ist, wenn er Informationen unabhängig von Interessen weitergibt, wenn er mit seinen Produktionen die soziale Realität widerspiegeln und ein Beitrag zur Kultur des Landes bieten soll, wäre es eine nahe liegende Aufgabe für die Politik, auch die Verbreitung sicherzustellen. D.h., die öffentlich-rechtlichen Programme dürfen nicht in Kabel- und Satellitenmenüs auf den Plätzen 512 bis 542 und von ständiger Umprogrammierung bedroht sein. Sie müssen beständig, gut auffindbar platziert und kostenfrei übermittelt werden. Sie dürfen nicht zum Spielball kommerziellen Erwerbstriebs auf Seiten eines Konglomerats von Netzbetreibern, die zugleich Rechteinhaber und Programmanbieter sind, werden. Es kann ja sein, dass das Bundesverfassungsgericht, das sich zuletzt im Jahre 1994 grundsätzlich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigte, auch hierzu Stellung nimmt. Besser wäre es freilich, die Medienpolitik nähme das selbst und ohne Ermahnung und Gebrauchsanweisung aus Karlsruhe als ihre Aufgabe wahr.