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Geschäftsmodell Kommunikation
Elon Musk und Twitter

Der Multi-Milliardär Elon Musk will Twitter kaufen, aber nicht um jeden Preis. Er will sich angeblich für die freie Meinungsäußerung einsetzen, wenn er das Unternehmen erst kontrolliert. Doch das dürfte an Grenzen stoßen und Musk hat mit Twitter auch noch anderes vor.

Von Brigitte Baetz |
Ein Ausschnitt von Elon Musks Twitterprofil
Elon Musk will mit der Twitter-Übernahme laut eigener Aussage "Meinungsfreiheit wiederherstellen" (picture alliance/dpa/MAXPPP)
Auf Fox News, dem US-amerikanischen TV-Sender mit großer Reichweite im rechtspopulistischen Milieu, war man begeistert. "Schnappt Euch Popcorn, denn die Demokraten brechen gerade zusammen, weil Elon Musk für 44 Milliarden Twitter übernimmt", meinte Jeanine Pirro. Die Fox-Moderatorin ist aktives Mitglied der Republikaner.

Die Linken könnten den Gedanken nicht ertragen, dass der reichste Mann der Welt die Freie Rede auf die Plattform bringe und Konservativen erlauben werde, ihre freie Meinung zu äußern, sagte Pirro. Und in der Tat: Die liberale Hälfte des politisch gespaltenen Amerika zeigte sich am 25. April entsetzt - dem Tag, an dem klar wurde, dass Musk Twitter tatsächlich kaufen möchte.

Im Weißen Haus gab man sich diplomatisch-besorgt: "Ich werde mich nicht zu einer bestimmten Transaktion äußern. Was ich Ihnen allgemein sagen kann: Egal, wer Twitter besitzt oder betreibt, der Präsident ist seit langem besorgt über die Macht großer Social-Media-Plattformen, die Macht, die sie über unser tägliches Leben haben. Er hat wiederholt deutlich gemacht, dass Tech-Plattformen für die von ihnen verursachten Schäden zur Rechenschaft gezogen werden müssen", erklärte Joe Bidens inzwischen abgelöste Pressesprecherin Jen Psaki.

Rückzieher bei Twitter? Geschäftspoker à la Musk

Zu den Schäden, die der US-Präsident meint, dürften die Verbreitung von Falschmeldungen und Hetze über die sogenannten "Sozialen Medien" gehören. Sie versetzen nicht nur die amerikanische Gesellschaft in Daueraufregung. Auch der Unternehmer Elon Musk ist jemand, der die Öffentlichkeit gerne in Aufregung versetzt und um Aufmerksamkeit buhlt - und zwar speziell auf Twitter.

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Kaum hatte sich die erste Aufregung über den Musk-Twitter-Deal halbwegs gelegt, kündigte der Unternehmer am Freitag, den 13. Mai an, dass er die Übernahme erst einmal auf Eis legen wolle, natürlich auf Twitter. Er habe zu wenig Informationen zur Zahl der Spam- und Falschkonten beim Kurznachrichtendienst, so Musk. Es müsse erst nachgewiesen werden, dass diese weniger als fünf Prozent der Nutzer ausmachten. Zwei Stunden später, als die Spekulationen weltweit hochgekocht waren, präzisierte der Milliardär: Er sei zur Übernahme natürlich noch bereit. Das Hin und Her ordnete Brian Stelter, Medienjournalist und Chefreporter bei CNN, als den üblichen Elon-Musk-Verhandlungspoker ein, an dem dieser mehr Freude habe als am Kauf selbst. 

Mit Visionen zum Erfolg: Tesla, Starlink, SpaceX

Elon Musk, 50 Jahre alt, geboren in Südafrika, hält die Wirtschaftswelt seit Jahren in Atem – was nicht nur an seinem Erfolg liegt, sondern auch der Art und Weise seines Geschäftsgebarens: immer waghalsig, immer mit dem Mut zum Risiko, immer getragen von Visionen.

Sein erstes Kapital erwirtschaftete er mit Internet-Unternehmen und der Entwicklung eines Online-Bezahlsystems. Musk gründete 2002 das Raumfahrt-Unternehmen SpaceX. Dessen Raketen befördern inzwischen Menschen zur Internationalen Raumstation ISS. Sein Satellitendienst Starlink versorgt entlegene oder zerbombte Weltregionen wie die Ukraine mit Internet. Sein Fahrzeughersteller Tesla, in den er seit 2004 investiert, baut Elektroautos, die für viele Käufer auch ein Statussymbol sind.

Mit einem geschätzten Vermögen von rund 250 Milliarden Dollar gilt er als reichster Mann der Welt, auch wenn er im Gespräch mit Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner meinte, dass Putin dann doch reicher sei als er. Elon Musk gilt als harter Arbeiter, aber auch als extrem unruhiger Geist mit einem großen Drang nach Aufmerksamkeit. Einer Aufmerksamkeit, die beim Kurznachrichtendienst Twitter, wo Elon Musk mehr als 93 Millionen Follower hat, besonders gut zu generieren ist.
Professor Matthias Kettemann von der Universität Innsbruck befasst sich mit der Regulierung von digitalen Kommunikationsräumen: "Elon Musk war schon lange ein großer Fan von Twitter. Er nutzt die Plattform sehr intensiv, um mit seinen Fans und mit seinen Kritikern in Austausch zu treten. Twitter ist zwar nur eine recht kleine Plattform, sie schreibt auch rote Zahlen. Aber sie ist sehr einflussreich, weil große Geister aus der Politik, aus den Medien, aus der Techno-Branche dort sehr aktiv sind. Elon Musk liebt Technologie und liebt die Politik und liebt Macht. Und Twitter ist der Ort, wo über Macht, Technologie und Politik diskutiert wird." 

Mehr zu Musks geplanter Twitter-Übernahme


Und zwar intensiver als auf jeder anderen Social-Media-Plattform weltweit. Kaum ein Politiker, Berater oder Journalist kann es sich leisten, nicht auf Twitter sichtbar zu sein oder zumindest mitzulesen. Grund für die Beliebtheit von Twitter im politischen Raum sei unter anderem, so die österreichische Digitalexpertin Ingrid Brodnig, dass man auf Twitter am leichtesten und niedrigschwellig über aktuelle Themen diskutieren könne, wenn auch immer nur in 280 Zeichen.
"Twitter ist sehr hilfreich in aktuellen Krisensituationen. Wenn jetzt gerade so Spektakuläres passiert, ist der Feed auf Twitter sehr zeitnah sortiert. Das heißt, ich kriege leichter mit, was jetzt gerade Gesprächsthema ist, wohingegen Plattformen wie Facebook oft eine Reihung haben, wo mir auch Dinge eingeblendet werden, die schon Tage älter sind. Das ist das erste, und das zweite sind ehrlich gesagt Netzwerkeffekte. Das heißt eine Plattform, wo viele Menschen aus Politik und Medien schon vorhanden sind, hat eine ungleich größere Strahlkraft für andere aus Politik und Medien, weil ich möchte mich ja mit meiner Blase, mit meiner Community austauschen."

Trump twitterte so viel wie kein anderer Politiker

Bestes und berüchtigtes Beispiel für einen Politiker, der Macht und Einfluss auch per Twitter ausübte: Donald Trump. Als amtierender US-Präsident twitterte er so viel und ungezügelt wie bislang kein anderer Politiker. Fast schien es so, als regiere er mittels Tweets – bis er nach seiner Abwahl vom Unternehmen gesperrt wurde. Auslöser war der Sturm auf das Kapitol durch Anhänger Trumps im Januar 2021. Vielen eher rechten US-Amerikanern gilt diese Sperrung als Zensur.
Ein Vorwurf, der für Ingrid Brodnig ins Leere geht. Schließlich werde auf Twitter eher zu wenig als zu viel reguliert. "Es ist kein Wunder, dass Twitter oft als toxische Plattform beschrieben wird, weil Betroffene von Hasskommentaren im Netz einfach oft schlechte Erfahrungen gemacht haben, dass Twitter nur sehr langsam oder gar nicht reagiert. Das kann man auch in Zahlen greifbar machen.
Die EU-Kommission hat mehrfach untersuchen lassen, wie Plattformen auf gemeldete illegale Hass-Rede reagieren. Und da schnitt Twitter oft schlechter, viel schlechter als Facebook oder YouTube beispielsweise ab. 2021 wurden zum Beispiel nur 49,8 Prozent der gemeldeten Inhalte entfernt. Das ist deutlich weniger als Facebook, YouTube und Instagram. Und darum ist es auch so skurril, wenn jetzt Elon Musk suggeriert, dass Twitter so überbordend eingreifen würde."

Trumps Twitter-Sperre soll aufgehoben werden

Und trotzdem gab Elon Musk mit der Bekanntgabe seines Übernahmeversuchs an, er habe weniger finanzielle Interessen, sondern wolle Meinungsfreiheit wiederherstellen. Auf einer Konferenz im April sagte er: "Wir brauchen eine inklusive Arena für freie Rede. Die Menschen müssen wissen, dass sie dort frei ihre Meinung äußern können, im Rahmen der gesetzlichen Regelungen. Ich denke, Twitter sollte seinen Algorithmus offenlegen. Und wenn etwas geändert wird an einem Tweet beispielsweise, dann sollte es sichtbar sein, dass dort etwas gemacht wurde."
Doch inzwischen hat sich vor allem in Europa, aber auch in den Zentralen von Facebook und YouTube die Erkenntnis durchgesetzt, dass selbst Verhalten, das sich noch im Rahmen der Gesetze befindet, in Sozialen Medien unerwünscht sein kann: Spam, zum Beispiel, also massenhafte, unerwünschte Mitteilungen, oder Staatspropaganda. Die Unternehmen investieren Zeit und Geld, um hetzerische Inhalte und Falschmeldungen zu unterbinden und Richtlinien für den Umgang miteinander zu entwickeln. In dieser Hinsicht wirken Musks Interesse an Twitter und seine Begründung dafür rückschrittlich. Musk hat tatsächlich angekündigt, Trumps Twitter-Sperre aufzuheben, sollte der Deal vollzogen sein.

Musks ambivalente Beziehung zu Twitter

Der Unternehmer Musk und der Politiker und Unternehmer Trump, sie ähneln sich darin, aus dem Reiz-Reaktions-Muster der Sozialen Medien, vor allem Twitter, eine besondere Genugtuung zu ziehen und damit Stimmung und Einfluss zu erzeugen. Elon Musk geht bei Twitter keinem Streit aus dem Weg – und zettelt selber viele an. Seine Ankündigung auf dem Kurznachrichtendienst, Tesla von der Börse zu nehmen, brachte die US-Finanzaufsicht auf den Plan. Als in Kalifornien Ausgangssperren wegen Corona verhängt wurden, bezeichnete er das Vorgehen via Twitter als "faschistisch" – und ließ seine Fabrik einfach weiterlaufen.
Daraufhin gab die zuständige Behörde nach. Aber auch Mitarbeiter des Unternehmens Twitter haben inzwischen den Unmut Musks auf sich gezogen. Als das Nachrichtenportal Politico berichtete, dass Chefjuristin Vijaya Gadde geweint habe, weil sie sich Sorgen um die Zukunft des Unternehmens mache, twitterte Musk eine Fotomontage mit ihrem Gesicht und schrieb von "linker Voreingenommenheit". Gadde, die indische Wurzeln hat und auf deren Initiative die Sperre gegen Trump zurückging, geriet in einen rassistischen und frauenfeindlichen Shitstorm. "Mobbing ist nicht Führungsstärke", schrieb daraufhin der frühere Twitter-Chef Dick Costolo - auf Twitter.

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"Mein Eindruck ist, dass Musks Beziehung zu Twitter ambivalent ist." Sagt die Journalistin Ingrid Brodnig über die Motive von Elon Musk: "Das heißt, er hat ja heftige Kritik geäußert, in dem er vorwirft, die Meinungsfreiheit werde nicht genügend geschützt. Gleichzeitig ist Twitter für ihn ein wichtiger Unternehmenskanal, weil er viele seiner Produkte, seiner Ankündigungen dort macht. Und man sollte, glaube ich, nicht unterschätzen wie sehr Musk es als strategischen Kanal nutzt, also durchaus auf skurrile Art und Weise. Aber er macht dort viele seiner Ankündigungen, die dann breit aufgenommen werden. Für ihn ist es schon ein Kommunikationstool."

Twitter hat erst zweimal schwarze Zahlen geschrieben

Und eines, das viele Milliarden spart. Geld, das sonst in Anzeigen hätte fließen müssen. Musk selber prahlt damit, dass Tesla zum wertvollsten Autokonzern habe aufsteigen können, ohne dass er in Werbung investieren musste. Nun gilt Tesla allerdings als Erfolg. Bei Twitter sieht das, zumindest ökonomisch, anders aus, sagt Ingrid Brodnig. "Ökonomisch hat Twitter schon ein großes Problem. Es ist nie so stark gewachsen wie Facebook, wie beispielsweise auch Instagram.
Das heißt: Anfangs war es Hoffnungsträger, und dann blieb es hinter den Erwartungen. Und das ist ein Nachteil am Werbe-Markt, weil ich natürlich als Werbekunde häufig interessiert bin, in viele Zielgruppen hineinzukommen. Ich bin aber sehr gespannt, weil natürlich Musk, wenn er Twitter von der Börse nimmt, er viel weniger gebunden ist an die Zustimmung der anderen Aktionäre/Aktionärinnen, er sich nicht mit einem Board herumschlagen muss, das das operative Geschäft kontrolliert. Das heißt: Auch große Unternehmensentwicklungen, sind tatsächlich leichter in diesem Abgang von der Börse, der ja geplant ist."

Wenig ist ansonsten bekannt über die Art und Weise, wie Musk Twitter voranbringen will. Der Dienst hat überhaupt erst zweimal in seiner nun 16-jährigen Geschichte schwarze Zahlen geschrieben. Die Reichweite stagniert seit Jahren, das Werbegeschäft wächst nur langsam, während die Konkurrenz davonzieht. Meta, die Konzernmutter von Facebook und Instagram, oder Google wissen wesentlich mehr über ihre Nutzer als Twitter. Deshalb buchen die Anzeigenkunden lieber bei ihnen.

Nichtsdestotrotz versprach Musk Investoren, er werde den Umsatz bis 2028 verfünffachen. Musk rechnet mit einem Nutzerboom, möchte Abo-Modelle entwickeln und Geld dafür bekommen, dass Online-Seiten und Medien Tweets in ihre Berichterstattung einbetten. Doch ist der Preis von bislang rund 44 Milliarden Dollar für Twitter gerechtfertigt? In dieser Höhe sollte Musk, so die Übereinkunft mit dem Twitter-Vorstand, Anteile am Unternehmen erwerben, für 54,20 Dollar pro Aktie. Doch der Kurs ist nun, nach Musks Ankündigung, die Übernahme erstmal auf Eis zu legen, dramatisch gefallen. Der Börsenwert liegt nun fast zwölf Milliarden Dollar unter seinem Gebot.

Eine absichtliche Finte mit fadenscheiniger Begründung? Beobachter wie die Medienjournalistin Kara Swisher halten das für wahrscheinlich, im Wirtschaftssender CNBC sagte sie: "Ich glaube, er möchte einen günstigeren Preis. Bots, gefälschte Accounts sind ja nichts Neues, die gibt es überall in den Sozialen Medien. Und wenn er den besseren Preis nicht bekommt, dann geht er raus. Zahlt die eine Milliarde. Wenn er klug ist, macht er das und kommt zurück, wenn die Aktien unten sind, vor allem die Twitter-Aktien."

Auch Musk zahlt Twitter nicht aus der Portokasse

Eine Milliarde Dollar, das ist die Ausstiegsgebühr, auf die sich Musk und Twitter geeinigt hatten, falls der Deal doch nicht zustande kommt. Viele Silicon-Valley-Aktien stehen derzeit unter Druck, im Übrigen auch Tesla. Nicht ausgeschlossen also, dass Musk aussteigt, um zu besseren Konditionen wieder einzusteigen. Selbst der reichste Mann der Welt ist nicht so flüssig, dass er Twitter quasi aus der Portokasse bezahlen könnte. Etliche Investoren konnte er schon gewinnen, wie der Wirtschaftsdienst Bloomberg herausfand – und das, ohne einen Business-Plan vorzulegen. Diese Investoren, unter ihnen Risikokapitalgesellschaften, vertrauen in erster Linie auf die Person Elon Musk: das ökonomische Wunderkind mit dem richtigen Riecher für das Geschäft der Zukunft.

Sie machen ohnehin schon Geschäfte mit ihm: beim Raumfahrtunternehmen SpaceX, bei Tesla oder bei der Firma Boring, die Menschen in Zukunft per Röhrensystem von einem Ort zum anderen bringen soll. Mit Oracle-Gründer Larry Ellison und Steven Witkoff, einem Immobilienunternehmer, sind zwei ausdrückliche Trump-Unterstützer dabei.
Elon Musk im Tesla-Werk in Fremont, Kalifornien
Elon Musk gilt als ökonomisches Wunderkind mit dem richtigen Riecher für das Geschäft der Zukunft (imago/Jim Gensheimer)
Zudem der saudische Prinz Al Waleed bin Talal, ohnehin schon jetzt Twitter-Großaktionär, und ein Investment-Unternehmen aus Katar. Saudi-Arabien und Katar – zwei Länder, die es mit der Presse- und Meinungsfreiheit nicht sehr genau nehmen. Beobachter gehen davon aus, dass diese Investoren eher auf Profit aus sind, als auf die gesellschaftlichen Auswirkungen von grenzenloser Redefreiheit zu achten. Immerhin aber hat die Europäische Union mit ihrem Digital Services Act nun Maßnahmen vorgelegt, an die sich Elon Musk zumindest in Europa halten müsste.

Soziale Netzwerke müssen Systeme haben, mit denen illegale Inhalte gemeldet werden können. Und diese müssen dann rasch entfernt werden. Außerdem sollen unabhängige Stellen mitentscheiden können, wenn es um das Entfernen von Inhalten geht. Wie das umgesetzt wird und ob es zum Streit zwischen Musk und der EU kommt, wird sich zeigen, wenn sein Twitter-Kauf unter Dach und Fach ist.