
"Das kann man ja auch nicht ernst nehmen."
Franziska Brantner und ihre Mitarbeiterin Manuela Siebert stehen mit Sieberts sechs Jahre alter Tochter Amira vor Brantners Büro und amüsieren sich. Jüngst ist ein Brief der Bundestagsverwaltung im Büro der Grünen-Abgeordneten Brantner eingetroffen.
Darin warnt die Verwaltung, dass der Bundestag keine Kita sei, und dass Abgeordnete und Mitarbeiter, die ihre Kinder mitbringen, doch bitte genau auf sie zu achten hätten.
"Ja, da stand nur die Erinnerung drin, dass das hier keine Kita ist und dass der Schredder gefährlich ist für Euch. Als wenn wir die Kinder in den Schredder-Raum schicken würden."
"Ich nehme mal an, dass etwas vorgefallen ist, sonst hätten die ihn ja nicht geschrieben."
"Meinst du, ich glaube, dass sich eher Leute beschwert haben, dass wir die hier immer herumrennen lassen."
Ein Spielzimmer, wo es auch wirklich Spielmöglichkeiten gibt
Die zwei Frauen plus Kind grübeln, ob sie womöglich Grund für eine Beschwerde waren. Denn während der Kita-Schließzeit und der Ferien nehmen Abgeordnete und Mitarbeiter ihre Kinder häufiger mit in den Bundestag, weil sie keine andere Betreuung finden.
Sieberts Tochter Amira ging bisher in die Bundestags-Kita. Jetzt kommt sie aber in die Schule, und die Zwischenzeit muss Siebert überbrücken. Aber sie sei ganz brav und habe eigentlich nur still vor sich hingemalt, sagt Amira.
"Und hier, das hier habe ich noch ausgemalt…"
Dann fällt ihr doch noch etwas ein:
"Ich bin ja auch hier mit dem Roller herumgefahren." "Und Du bist mit dem Roller unterwegs – und wenn das jemand sehen würde, genau."
Für Franziska Brantner, die familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, ist die Posse um die Kinder im Bundestag ein weiterer Beleg dafür, wie richtig die Forderungen waren, die sie mit Kolleginnen anderer Fraktionen an die Bundestags-Verwaltung gestellt hat.
"Unsere Forderung nach einem Spielzimmer, wo es auch wirklich Spielmöglichkeiten gibt, wird dadurch noch deutlicher, wie es natürlich angebracht wäre, wenn es irgendwo solch einen Raum gäbe."
Abgeordnete pendeln zwischen ihrem Wahlkreis und Berlin
Anfang 2015 haben Brantner und ihre CDU-Kollegin Kristina Schröder die Initiative "Eltern in der Politik" ins Leben gerufen. Abgeordnete pendeln zwischen ihrem Wahlkreis und Berlin und haben vor allem in Sitzungswochen des Bundestags kaum Möglichkeiten, ihre kleinen Kinder zu betreuen.
Neben dem Spielzimmer fordert die Gruppe deshalb, dass Babys und Kleinkinder zu namentlichen Abstimmungen mit in den Plenarsaal gebracht werden dürfen, dass Abstimmungen nicht mehr nachts stattfinden, und dass öffentlich vermerkt wird, warum Abgeordnete Abstimmungen verpassen.
Die Organisation Abgeordnetenwatch veröffentlicht Listen von Politikern, die Abstimmungen im Bundestag fernbleiben. Franziska Brantner war dort bereits Spitzenreiterin – wie auch die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Sie war nach der Geburt ihrer zweiten Tochter im Mutterschutz.
"Und Mutterschutz dauert ja nun mal 14 Wochen und da kann man schon mal 20 Abstimmungen verpassen, und schwupp ist man da ganz vorne dabei. Das hat mich geärgert."
Nun haben Kristina Schröder, Franziska Brantner und ihre Mitstreiterinnen einen ersten Erfolg errungen. Anfang dieser Woche kam Post von Bundestagspräsident Norbert Lammert.
Bislang müssen Frauen nach dem Mutterschutz voll einsteigen
Im Plenar-Protokoll soll fortan vermerkt werden, wenn eine Abgeordnete fehlt, weil sie im Mutterschutz ist – sofern sie das wünscht. Für die Einrichtung eines Spielzimmers hingegen will Lammert zunächst den Bedarf erheben.
Die "Eltern in der Politik" wollen auch, dass Abgeordnete eine Art abgeschwächte Elternzeit nehmen können, in der sie zwar arbeiten, sich aber etwa für fraktionsinterne Aufgaben vertreten lassen können. Bislang müssen Frauen nach dem Mutterschutz wieder voll einsteigen, erklärt Schröder:
"Möglichkeiten, für uns eine Elternzeit in dem Sinne einzuführen, die gibt es nicht, und das halte ich auch für richtig, denn wir sind nun mal vom Wähler gewählt, und da kann man nicht dem Wähler sagen, ihr werdet jetzt mal ein Jahr lang nicht vertreten. Aber ich denke trotzdem, gerade wegen dieser Besonderheiten muss man darüber nachdenken, wie man es Eltern dennoch ermöglichen kann, Abgeordnete und eben auch Eltern zu sein."
Ihre Forderungen gehören in die Geschäftsordnung des Bundestags, finden die "Eltern in der Politik". Die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping:
"Wir wollen da nicht auf die Gnade eines amtierenden Bundestagspräsidenten angewiesen sein, sondern wir wollen das klar und verbindlich verankert haben, damit es auch für alle nachlesbar ist."
Wenigstens bei namentlichen Abstimmungen die Babys mitbringen
Der Bundestag, so scheint es, hinkt in Sachen Familie und Beruf hinterher. Das liegt zum einen an der besonderen Rolle der Abgeordneten. Aber Katja Kipping glaubt auch, dass das viel mit dem Selbstverständnis der Volksvertretung zu tun habe.
"Woanders klappt das ja schon ganz gut. Ich glaube, hier hatte sich lange so ein Gestus eingeschlichen, im Parlament sind halt Leute, wo die Kinder aus dem Gröbsten raus sind oder die kleinen Kinder in der Regel zu Hause von den Frauen betreut werden.
Und das ist jetzt anders geworden, und die, die da Pionierinnen waren und als erstes kleine Kinder hatten und durchgesetzt haben, dass die jetzt wenigstens bei namentlichen Abstimmungen mal mit reingenommen werden dürfen, die Babys, die mussten erst mal gegen Gewohnheiten ankämpfen."
Aus dem Gröbsten raus sind mittlerweile übrigens auch die Kinder von Katja Kipping, Kristina Schröder und Franziska Brantner.
"Klar, meine Tochter kommt jetzt in die Schule, das ist nicht mehr ganz so heikel. Aber man setzt sich ja auch dafür ein, dass sich für alle was ändert und nicht nur für einen selbst."