Freitag, 19. April 2024

Archiv

Frauenquote
Mehr als ein politisches Signal?

Ab 2016 müssen Großunternehmen ihre Aufsichtsräte mit 30 Prozent Frauen besetzen. Die Quote soll einen Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten. Doch die Neuregelung hat immer noch viele Kritiker - sie halten die Quote teilweise sogar für schädlich für Frauen.

Von Uschi Götz und Katharina Hamberger | 29.01.2015
    Zwei Männer und eine Frau im Business-Look beugen sich über ein Laptop
    Die feste Vorgabe von 30 Prozent Frauenanteil betrifft nur die Aufsichtsräte von 108 großen Unternehmen mit Börsennotierung (imago / McPHOTO)
    "Wenn man freiwillig etwas macht, ist das besser, als wenn es das Gesetz vorschreibt. Wir haben natürlich in Bezug auf die Freiwilligkeit gesehen, dass die nicht so groß war, und insofern muss man dann durchaus auch mit Gesetzen operieren, um die Gleichberechtigung voranzubringen."
    Christine Hohmann-Dennhardt, erste und einzige Frau im Vorstand des börsennotierten Stuttgarter Autokonzerns Daimler. Die ehemalige Verfassungsrichterin freut sich, dass bald die Frauenquote kommt. Am Freitag wird ein entsprechender Gesetzesentwurf des Bundeskabinetts erstmals im Bundestag diskutiert.
    Demnach soll ab kommendem Jahr jeder dritte Posten in einem Aufsichtsrat von einer Frau besetzt werden. Diese feste Vorgabe von 30 Prozent betrifft allerdings nur die Aufsichtsräte von 108 großen Unternehmen mit Börsennotierung und voller Mitbestimmung. Wird dort die Quote verfehlt, sollen Aufsichtsratsposten frei bleiben. Zudem sollen mittelgroße Unternehmen ab 2016 eigene Zielvorgaben für die Postenvergabe an Frauen im Aufsichtsrat, im Vorstand und im Management aufstellen und 2017 erstmals über die Umsetzung öffentlich berichten. Sanktionen bei einem Verfehlen gibt es dort nicht.
    Während Politiker der Regierungsparteien den Schritt als wichtigen Erfolg auf dem Weg zur Gleichberechtigung feiern, geht der Opposition der Beschluss für die Quote in Aufsichtsräten nicht weit genug. Mehr als ein "Quötchen" sei das nicht, spottete etwa die Grünen-Politikerin Renate Künast.
    Erfolg oder nicht? Die Entscheidung zur Quote ist vor allem eins: ein schwer errungenes politisches Signal. Denn Frauen in Spitzenpositionen sind in Deutschland immer noch die Ausnahme. Das geht aus dem jüngsten Managerinnen-Barometer 2015 hervor, der vor wenigen Tagen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kurz DIW, vorgestellt wurde. Laut Bericht sind von 877 Vorstandssitzen der 200 umsatzstärksten Unternehmen in Deutschland lediglich 47 von Frauen besetzt.
    Quotenfrau - ein Schimpfwort?
    Und getan hat sich praktisch nichts - zu diesem Ergebnis kommt das DIW. Die deutsche Vorstandslandschaft bleibe eine männliche Monokultur, davon ist DIW-Forschungsdirektorin Elke Holst überzeugt. Und das trotz der Selbstverpflichtung, die die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft vor über zehn Jahren eingegangen seien. Ob sich das durch die Frauenquote ändert? Elke Holst ist skeptisch:
    "Denn dort sind die Unternehmen auch gefordert, ihre Struktur zu ändern, und jeder möchte natürlich auch ungern Macht und Geld abgeben, also da wird es deutlich länger dauern."
    Und so gilt bis heute jede Frau, die neu in einen Vorstand berufen wird, als kleine Sensation. Als Christine Hohmann-Dennhardt 2011 in den Vorstand der Daimler AG berufen wurde, war die Berichterstattung regelrecht emotional:
    "Daimler, dieser Hort testosterongetriebener Autobauer, hat sich in die Hände einer Frau begeben, die schon vieles in ihrem Leben war, nur nie Manager", war vor vier Jahren zu ihrem Amtsantritt im Online-Auftritt des Manager Magazins zu lesen.
    Dabei hatte Christine Hohmann-Dennhardt zu diesem Zeitpunkt schon einen langen Karriereweg hinter sich. Sie war Sozialrichterin gewesen, Sozialdezernentin in Frankfurt und später für die SPD in Hessen im Kabinett von Hans Eichel zunächst Justizministerin und später Wissenschaftsministerin. Erfahrungen in der Wirtschaft hatte sie allerdings nicht. Ein Aufsichtsrat soll damals gesagt haben, sie sei zwar klug, aber von Wirtschaft habe sie keine Ahnung. Die in Leipzig geborene Juristin müsse jetzt erst mal lernen, dass ein Auto vier Räder habe. Heute erinnert sich die 65-Jährige gelassen daran:
    "Ich bin keine Autobauerin, man hat ja auch nicht eine Autobauerin gesucht, sondern man hat jemand mit juristischem Sachverstand gesucht, man hatte Probleme, man meinte, die nicht mit internem Personal lösen zu können, und hat sich dann nach außen umgeguckt."
    Christine Hohmann-Dennhardt galt als Quotenfrau, als sie ihre Vorstandsarbeit begann. Dabei war das Gegenteil der Fall: Der Autobauer stand wegen einer Korruptionsaffäre unter Druck. Hohmann-Dennhardt war als Juristin gefragt. Für sie wurde eigens das Ressort "Integrität und Recht" geschaffen. Quotenfrau, ein Schimpfwort für sie?
    "Wenn man über Quotenfrauen (lacht) redet, ich habe überhaupt kein Problem damit, natürlich, wenn man sagt, Frauen sollen dahingehen, und man guckt auch nach Frauen, dann kann man diesen Frauen, die man da nimmt, das Etikett Quotenfrau vielleicht anheften. Aber was bedeutet das denn, wenn die nicht leistet auf diesen Positionen, was man von ihr erwartet? Dann sind Sie auch nicht mehr lange da, ob als Frau oder als Mann."
    Ursula von der Leyen riskierte mit der Quote ihre Karriere
    Die Frauenquote: Sie hat für gewaltiges Rumoren in der Großen Koalition gesorgt - obwohl sie nur wenige Frauen in Spitzenpositionen in Deutschland betrifft. Ein halbes Jahr lang wurde um den Gesetzentwurf gerungen. Als Siegerin - auch wenn sie Federn lassen musste - ging am Ende Familienministerin Manuela Schwesig, SPD, hervor.
    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) geben am 11.12.2014 in Berlin eine Pressekonferenz zur gesetzlichen Frauenquote.
    Justizminister Heiko Maas (SPD) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) zeigten sich mit dem Kabinettsbeschluss zur Quote zufrieden. (picture-alliance/ dpa / Stephanie Pilick)
    Am 11. Dezember 2014 konnte sie - zusammen mit ihrem Parteikollegen und Justizminister Heiko Maas - endlich verkünden, dass ihr Gesetz zur Frauenquote vom Kabinett beschlossen worden war. Die erste Hürde auf dem Weg ins Gesetzblatt: sie war genommen.
    Der Weg bis dahin war schwierig - und vor allem lang: Schon in der vergangenen Legislaturperiode war die Frauenquote Thema - als die Bundesregierung noch schwarz-gelb war. Damals war es Ursula von der Leyen, die sie einforderte:
    "Bei aller Liebe, aber die Frauen stellen die Hälfte der Talente in diesem Land, wir gehen auf einen dramatischen Fachkräftemangel zu, die Industrie sagt mir jeden Tag, dass sie Fachkräfte brauchen, dann muss man sich auch um die Talente im Land hier kümmern."
    Die heutige Verteidigungsministerin riskierte noch als Arbeitsministerin fast ihre politische Karriere beim Versuch, eine feste Quote durchzusetzen. Denn innerhalb ihrer eigenen Fraktion, der Union, gab es nur wenige Befürworter. Die Mehrheit von CDU und CSU, der sich auch die Kanzlerin anschloss, stand hinter dem Vorschlag der damaligen Familienministerin Kristina Schröder: der sogenannten verpflichtenden "Flexi-Quote".
    Diese "Flexi-Quote" wollte Unternehmen keine Quote vorschreiben, vielmehr sollten sie verpflichtet werden, sich selbst eine Zielvorgabe zu machen. Allerdings hatten das die 30 DAX-Konzerne schon 2011 freiwillig getan. Von der Leyen blieb bei ihrer Forderung, und so geriet der Kampf um mehr Frauenbeteiligung zum Machtspiel der Politikerinnen, der sich immer weiter zuspitzte.
    Im April 2013 kam es im Bundestag zum Showdown: Neben der Arbeitsministerin gab es noch weitere Befürworter in der Union. Sie drohten einem Antrag der damaligen rot-grünen Opposition zuzustimmen, der die stufenweise Einführung einer Quote vorsah. Wäre es dazu gekommen, dass der Entwurf der Opposition mit Stimmen der Koalition durchgegangen wäre, es wäre wohl das Ende der Koalition gewesen und hätte für massiven Streit innerhalb der Union geführt. Und das nicht mal ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel aber konnte den Eklat im letzten Moment abwenden. Sie bot den Unionsfrauen einen Kompromiss an: Zur vereinbarten freiwilligen Flexi-Quote schrieb sich die CDU in ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 auch eine verbindliche Zielmarke von 30 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten. Diese sollte von 2020 an gelten. Der Sturm war zwar befriedet, doch auch die Umsetzung der Flexi-Quote scheiterte - und zwar am Widerstand der FDP.
    Union hatte verfassungsrechtliche Bedenken
    Mit der Großen Koalition kam ab Herbst 2013 neuer Schwung in das Vorhaben Frauenquote. In den Koalitionsverhandlungen konnten sich SPD und Union darauf einigen, dass bereits ab 2016 jeder dritte neu zu besetzende Posten im Aufsichtsrat eines börsennotierten Unternehmens an eine Frau gehen soll.
    Verhandlungsführerin damals für die SPD: Manuela Schwesig. Sie hält eine feste Quote für sinnvoll. Ihr Argument: Eine freiwillige Zielvorgabe der Unternehmen hat bislang kaum etwas gebracht. Nur wenige scheinen es von sich aus zu schaffen, ihre Führungsgremien auch mit Frauen zu besetzen.
    Im Juni vergangenen Jahres kursierte dann der erste Gesetzesentwurf für eine Frauenquote in Aufsichtsräten. Aber es brauchte fünf weitere Entwürfe, bis auch die Union mit im Boot war.
    CDU und CSU wollten zwar nicht an den 30 Prozent für die Aufsichtsräte der 108 börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen rütteln, anderes ging ihnen im Entwurf aber zu weit. Zum Beispiel die freiwillige Zielmarke, die sich die rund 3.500 mittleren Unternehmen setzen sollten. Diese Zielmarke sollte nämlich - falls sie über 30 Prozent liegt - nicht mehr unterschritten werden können.
    Zudem meldete die Union verfassungsrechtliche Bedenken bei der Sanktion durch den sogenannten "leeren Stuhl" an - sprich, wenn eines der großen Unternehmen die 30 Prozent im Aufsichtsrat nicht erreichen sollte, sollte der Stuhl leer bleiben, und nicht durch einen Mann besetzt werden - ein Punkt, der schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.
    Das Hin und Her zwischen Union und SPD ging weiter. Und spitzte sich noch einmal zu, als der mittlerweile fünfte Entwurf auf dem Tisch lag. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Große-Bröhmer, wollte keine Belastung der Wirtschaft durch die Frauenquote tragen. Und auch die Christsozialen wollten den Gesetzentwurf so nicht akzeptieren. In dieser Haltung sollten sie eisen bleiben, appellierte dann auch Parteichef Horst Seehofer an die Berliner Abgeordneten. Die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt regte sogar einen Aufschub des Projektes an.
    "Die Frauenquote ist vereinbart, und sie wird auch kommen. Sie muss allerdings sachgerecht und praxistauglich sein. Da müssen wir den vorliegenden Entwurf noch etwas nachjustieren, die Kanten ein wenig abschleifen."
    "Ich habe den Eindruck, dass viele Kritikpunkte eher vorgeschoben sind. Dass es hier eher um eine grundsätzliche Ablehnung geht. Es ist so, dass nicht bei allen beim Koalitionspartner die Frauenquote beliebt ist. Aber ich finde, die letzten Widerstände müssen jetzt aufgegeben werden," reagierte Familienministerin Manuela Schwesig und erhielt Mitte Oktober vergangenen Jahres Rückendeckung von der Bundeskanzlerin. Angela Merkel versuchte, den Streit mit einem Machtwort an die eigenen Reihen zu beenden:
    "Es ist jetzt so beschlossen, und jetzt wird es auch so gemacht. Und dann wird, wie man aus anderen Ländern weiß, werden die Dinge weitergehen. Und wir werden dann plötzlich feststellen, dass das Leben auch nicht beschwerlicher geworden ist."
    Doch vergebens. Ein Koalitionsgipfel Ende November vergangenen Jahres sollte schließlich die Klärung bringen, als Unions-Fraktionschef Volker Kauder nachlegte:
    "Frau Familienminister soll nicht so weinerlich sein, sondern sie soll den Koalitionsvertrag umsetzen, dann ist alles in Ordnung," lästerte Kauder noch am Morgen des Treffens in einem Fernsehinterview über Manuela Schwesig - doch sein Angriff ging nach hinten los. Das Ende vom Lied: Der Unions-Fraktionschef wurde zum Mitarbeiter des Monats der SPD. Und der Koalitionsgipfel brachte die langersehnte Einigung: Der mittlerweile sechste Entwurf wurde vom Kabinett verabschiedet.
    Daimler-Vorstandsfrau: "Es kommt auf sinnvolle Personalplanungen an"
    Wenn dieser den Bundestag passieren sollte, gilt in Deutschland ab 2016 eine gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte. Doch Manuela Schwesig musste auch Eingeständnisse machen: So blieb es zwar bei der Sanktion des leeren Stuhls für die großen Unternehmen. Die mittelgroßen Unternehmen hingegen dürfen sich eigene Zielvorgaben für Management, Aufsichtsrat und Vorstand setzen. Sanktionen sind in diesem Fall nicht vorgesehen. Die Koalition hofft stattdessen, dass öffentlicher Druck die betroffenen Unternehmen dazu bewegt, Frauen in Führungspositionen zu bringen.
    Eine Hoffnung, die langsam und stetig Wirklichkeit werden könnte. Beim Stuttgarter Autobauer Daimler hat man sich verpflichtet, bis 2020 in der Führungsetage einen Frauenanteil von 20 Prozent zu haben. Allerdings fasste der Vorstand den Beschluss bereits 2006. Also als noch keine Frau zum Vorstand gehörte. 2011 kam dann Christine Hohmann-Dennhardt, bis heute einzige Frau im Daimler-Vorstand:
    "Da wird auch regelmäßig, jedes Vierteljahr, in den Gesprächsrunden, auch im Vorstand, darüber berichtet, wie weit sind wir? Müssen da noch Anstrengungen unternommen werden, um das Ziel zu erreichen, das Jahresziel, um das Endziel 2020 dann zu erfüllen. Das ist eine Zielquote, die natürlich dazu führt, dass aufgebaut von unten, immer mehr Frauen dann auch in Führungspositionen kommen."
    Doch was ist, wenn eine Frau gar nicht erst entdeckt wird? Was können Frauen unternehmen, um sich als Führungskräfte ins Bewusstsein zu bringen? Sollen sie sich wie viele Männer in Seilschaften absichern? Von Seilschaften möchte Christine Hohmann-Dennhardt nicht sprechen:
    "Es gibt durchaus inzwischen Zusammenschlüsse von weiblichen Führungskräften, die sich untereinander austauschen, und wohin man sich auch wenden kann, wenn man sagt, habt ihr irgendjemanden, den ihr vorschlagen könntet."
    Vor allem komme es jedoch auf sinnvolle Personalplanungen an, betont die Daimler-Vorstandsfrau:
    "Das kann man nicht immer nur von der Hand in den Mund machen, sondern da muss man vorher schon sagen, welches Potenzial haben wir und das durchaus unter Leistungsgesichtspunkten. Wir wollen ja nicht, dass leistungsschwache Frauen nach vorne kommen. Aber wir haben ganz viele leistungsstarke Männer, wir haben auch sehr viele leistungsstarke Frauen. Und wenn man den Fokus auf die Frauen richtet, dann gelingt es meistens durchaus auch, eine Frau zu finden."
    Das hieße aber nicht automatisch, dass immer eine Frau bevorzugt werde, betont die Juristin:
    "Alleine den Fokus darauf zu richten und zu sagen, wir haben diese Anstrengung, und es kann doch nicht sein, dass wir keine Frauen finden, wir haben sie doch! Dann darüber zu reden, ist diese Frau geeignet, trauen wir ihr das zu? Das ist wichtig, da gibt es dann Entscheidungen durchaus, dass man sagt: Ja, warum denn nicht diese Frau?"
    Die Einführung der gesetzlichen Quote bringt nun genau die Diskussion wieder in Schwung. Es rumort weiter, auch beim Autobauer.
    Denn nicht jedem gefällt die Entwicklung: Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht hat sich vor wenigen Monaten gegen die gesetzliche Frauenquote ausgesprochen. In einem Brief forderte er im Herbst vergangenen Jahres SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel dazu auf, das geplante Gesetz zur Frauenquote in Aufsichtsräten zu überarbeiten. Brecht ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei Daimler. Die Arbeitnehmerseite im dortigen Aufsichtsrat kommt zurzeit auf eine Frauenquote von 20 Prozent.
    "Es wäre kein Dienst an der Mitbestimmung, wenn aufgrund der pauschalen 30-Prozent-Quote Frauen in den Aufsichtsrat einziehen würden, die diesen Rückhalt in der Belegschaft nicht haben," heißt es in dem Brief, den der Daimler-Betriebsratschef nach Berlin geschickt hat.
    "Die Frauenquote schadet vielleicht den Frauen"
    So sieht das auch Elsbeth Haberer, Personalchefin bei Bizerba - und die erste Frau mit Prokura in der über 140-jährigen Firmengeschichte. Weltweit beschäftigt das im schwäbischen Balingen beheimatete Unternehmen über 3.000 Mitarbeiter.
    "Die Frauenquote schadet vielleicht den Frauen, die es aus eigener Kraft geschafft haben, weil man ihnen unterstellt, du bist ja nur die Quotenfrau. Die Veränderung wird von woanders herkommen. Aus der zunehmenden Verantwortung, die Männer und Frauen gemeinsam für Familien übernehmen, und damit meine ich durchaus nicht nur Kindererziehung, sondern auch das große Thema Pflege."
    Wichtiger als die Quote für Aufsichtsräte sei es, mehr Frauen für gewerblich-technische Berufe zu begeistern, betont sie. Doch gerade Personalchefinnen winkten bei diesem Thema müde ab:
    "Wenn wir junge Mädchen in den Schulen dafür interessieren können, beispielsweise eine Ausbildung als Mechatronikerin anzustreben, dann sind es eher Mütter oder Väter, die sagen, ach möchtest du nicht lieber Bankkauffrau werden oder Kosmetikerin oder Kindergärtnerin? Daran hat sich die letzten 20 Jahre wenig geändert, bedauerlicherweise."
    Die Personalchefin Elsbeth Haberer bekommt die Folgen dieser Haltung sehr deutlich zu spüren. Bizerba stellt unter anderem Präzisionswaagen her, hat also einen großen Bedarf an Ingenieuren. Insgesamt fehlen aber immer noch Frauen in leitenden Funktionen:
    "Das hat damit zu tun, dass ich keine Frauen finde, die einen Fertigungsbereich leiten und wir dort große Abteilungen haben, die eben technisch orientiert sind oder körperlich anstrengend."
    Gerade metallverarbeitenden Unternehmen fehlen immer mehr Fachkräfte, und so sind die wenigen Frauen in diesem Bereich sehr begehrt. Elsbeth Haberer wünscht sich deshalb mehr Mut von Mädchen und Frauen. Und sie ist selbst dafür das beste Beispiel. Sie ging mit einer Mittleren Reife ins Berufsleben, ihr Vater fand das damals ausreichend.
    Frauenquote allein kann die Welt nicht ändern
    Langsam kämpfte sich die couragierte Frau dann nach oben, studierte berufsbegleitend und sammelte in namhaften Unternehmen erste Führungserfahrungen. Seit 2008 leitet sie das Personalressort bei Bizerba.
    "Ich glaube, dass die größte Veränderung nicht aus der Frauenquote oder der gesetzlichen Regelungen kommen wird, sondern aus der Elternzeit, mit zunehmend auch Elternzeit während Teilzeit. Die Möglichkeiten, die der Gesetzgeber dort geschaffen hat, führt bei uns spürbar sehr deutlich dazu, dass dieses Angebot von sehr viel mehr Männern wahrgenommen wird, und das hilft auch den Frauen."
    Auch Forschungsdirektorin Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung - DIW - glaubt nicht daran, dass die Frauenquote allein die Welt ändern kann. Sie sei vielmehr ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur einer von vielen, die nötig seien. Neben einer systematischen Verbesserung der innerbetrieblichen Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen müssten Einstellungen, Beförderungen und Gehaltsstrukturen transparenter sowie Karrieremodelle, Arbeitszeiten und Anwesenheitspflichten flexibler gehandhabt werden:
    "Wir haben ja so viele Umbrüche in unserer Gesellschaft gegenwärtig, und auch junge Männer wollen ja nicht mehr den traditionellen Lebensgewohnheiten ihrer Väter unbedingt folgen, ganztags verfügbar sein, Präsenz im Unternehmen ununterbrochen haben, insofern haben wir auch sowohl bei den Menschen einen Wandel, der kommt natürlich auch den Frauen insofern zugute, als sie ja ohnehin schon immer Familie und Beruf miteinander vereinbaren müssen."
    Wird also eine gesetzlich geregelte Frauenquote den Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten können? Das jedenfalls hat die Familienministerin Manuela Schwesig angekündigt. Allein wird sie es nicht können - und der Kulturwandel ist längst schon im Gang - vor allem begünstigt durch neue Rollenverständnisse. Die Frauenquote kann aber unterstützend wirken - auch wenn nur die Frauen in Spitzenpositionen vorerst von ihr profitieren werden. Denn nicht alle Frauen können jetzt automatisch auf den Aufstieg hoffen. Viele bekommen auch weiterhin nur mit Mühe gerade einmal den Mindestlohn. Es wird also darauf ankommen, wie sehr sich künftige Spitzenfrauen dem Thema Gleichberechtigung verpflichtet fühlen. Und das fängt vor allem bei einer gleichwertigen Bezahlung an.